Frankfurt: „Prokofjew, Mahler, Tschaikowsky“, hr-Sinfonieorchester unter Andris Poga

Die Protagonisten dieses Abends waren kurzfristig ausgetauscht worden, das Programm dabei aufrecht erhalten worden. Statt Nathalie Stutzmann stand nun der junge lettische Dirigent Andris Poga am Pult des hr-Sinfonieorchesters. Poga war so rechtzeitig eingesprungen, daß eine reguläre Probenphase möglich war. So zeigte das Orchester im Auftakt mit Sergej Prokofjews Ouvertüre über hebräische Themen ein locker-duftiges Klangbild, in dem einzelne Soli – besonders hervorzuheben die Klarinette – gut eingebettet waren.

Samuel Hasselhorn / © Nikolaj Lund

Für das Hauptwerk des ersten Teil, Gustav Mahlers Lieder aus Des Knaben Wunderhorn, war ursprünglich Matthias Goerne als Solist vorgesehen. Ihn ersetzte Samuel Hasselhorn und demonstrierte nach seinem Einsatz im Lied von der Erde zum Ende der letzten Saison erneut seine Kompetenz für den Liedgesang. Hasselhorn verfügt über einen gut fokussierten, über alle Lagen ausgeglichen Bariton. Die Mahler-Lieder gelangen ihm in nahezu makelloser technischer Perfektion. Besonders beeindruckend waren die klaren Höhen, die scheinbar anstrengungslos flossen. Im Urlicht etwa, das Mahler in seine 2. Symphonie eingebaut hat, schien die Stimme geradezu zu schweben. Auch im allerleisesten Piano klang sie hier nicht dünn oder gar brüchig, sondern trug ungefährdet auch in Bereichen, bei denen andere Baritone in das Falsett ausweichen müssen. In Revelge zeigte Hasselhorn im Kontrast dazu mehr virile Kernigkeit und gestaltete die Strophen abwechslungsreich mit genau kalkulierten Farbwechseln. Dabei klang nichts aufgesetzt oder manieriert. Der Text wurde vorbildlich deutlich, aber nicht pedantisch artikuliert (anders etwa als beim legendären Dietrich Fischer-Dieskau oder gegenwärtig bei Christian Gerhaher).

Andris Poga zeigte sich als perfekter Begleiter. Obwohl Mahler für das Orchester seinen gesamten Klangfarbkasten nutzt mit schmetternden Trompeten und rührenden Trommeln, liefen die Musiker niemals Gefahr, die nicht allzu voluminöse Singstimme zuzudecken. Vielmehr bereiteten sie einen klar ausdifferenzierten und farblich fein abgestuften Klangteppich aus und verbanden sich mit dem Sänger zu einer nahezu mustergültigen Interpretation.

© hr/Ben Knabe

Im zweiten Teil durfte das Orchester mit Tschaikowskys Pathétique dynamisch stärker aufdrehen, war aber gerade da besonders überzeugend, wo es mit klaren und bei aller Zurückgenommenheit klangsatten Piani seine Spielkultur demonstrieren durfte. Das kam den Randsätzen zugute, die angenehm unsentimental klangen. Der Walzer des zweiten Satzes plätscherte ein wenig zu harmlos dahin. Der anschließende Marsch war dynamisch gut abgestuft. Durch den nahtlosen Attacca-Anschluß des letzten Satzes gelang es Poga elegant, den Beifall-Reflex des Publikums am Ende der gewaltigen Steigerung des Marsches abzublocken.

Insgesamt hinterließen die beiden Einspringer überzeugende Visitenkarten und bereiteten dem Publikum mit einem gut aufgelegten Orchester einen erfüllten Abend.

Michael Demel, 22. Februar 2025


Sergej Prokofjew: Ouvertüre über hebräische Themen, op. 34
Gustav Mahler: Sechs Lieder aus Des Knaben Wunderhorn
Peter Tschaikowsky: Symphonie Nr. 6 h-Moll, op. 74

Alte Oper Frankfurt

Konzert am 20. Februar 2025

Samuel Hasselhorn, Bariton
Musikalische Leitung: Andris Polga
hr-Sinfonieorchester