Vorstellung am 11.08.2015
Er kam, sah und siegte! Gregory Kunde, der für mich unglaublichste Sänger der Gegenwart , triumphierte an diesem Abend mit einem weiteren Rollendebut: er legte einen Radames hin, so bombensicher und perfekt, als hätte er die Rolle bereits Jahre „drauf“… Bereits nach der „Celeste Aida“ – inclusive beeindruckendem An- und Abschwellen des Final-acuto ! – brachen Ovationen los, die sich am Ende der Vorstellung orkanartig steigerten. Zu Recht, muss man konstatieren. Die Bühnenerscheinung korrespondiert bestens mit der Frische und dem noch jungen, dramatischen Timbres des nun – man darf es mit Bewunderung sagen – sechzigjährigen Sängers, der als einzig bekannter Tenor im selben Jahr Verdis und Rossinis „Otello“ auf höchstem Niveau gesungen hat! Eine derartige Karriere, vom Rossini und Belcanto Tenor der alleresten Güte ( irrwitzig etwa seine Aufnahme von „Bianca und Faliero“ aus Catania mit hohem „F“) zu einem Alvaro, Arrigo, Otello der absoluten Sonderklasse ist in unserer Zeit absolut einmalig! Dass in seinem dicht gedrängten Terminkalender der nächsten Jahre Wien nicht dabei ist, das ist einfach skandalös!
Ohne Ermüdungserscheinungen bestach er mit strahlendem Tenorklang und konnte in den heldischen Passagen genauso überzeugen, wie in den fein gesponnenen lyrischen Passagen des Nilduetts oder der gefühlvollen Schlussszene. Die Stimme gehorcht ihm perfekt, an technischen Finessen kann ihm sowieso niemand was vormachen, rundum also ein perfektes Debut!
Sanja Anastasia, Gregory Kunde
Leider war es um seine Partnerin nicht gut bestellt. Von den sechs in dieser Stagione angesetzten Aidas war gerade Amarilli Nizza eingeteilt, die – zumindest an diesem Abend – neben einigen schönen Passagen , die leider die Ausnahme bildeten, schon recht abgesungen und mit unangenehmen Schwingungen behaftet war, was den Genuss der Duette erheblich minderte. Erstaunlicherweise wurde sie am Ende trotzdem (zu! ) kräftig beklatscht. Gott sei Dank fing sich nach schwachem Beginn die Amneris der in Wien studierten Serbin Sanja Anastasia, die nicht ihren besten Tag zu haben schien. So konnte sie zumindest in der Gerichtsszene ihr schönes Timbre und ihre dramatische Ausdruckskraft erfolgreich präsentieren. Routiniert gelungen der Auftritt von Marco Vratogna als Amonasro, die beiden restlichen „Stockerl-Plätze“ neben Kunde holten sich diesmal aber die beiden Bässe! Marco Spotti als Ramfis bestach durch eine phantastische Wortdeutlichkeit und souveränen Einsatz seiner markigen, blitzsauber geführten Stimme. Roberto Tagliavini als Re konnte seinen Kollegen in punkto Stimmschönheit und Volumen sogar noch toppen, man bedauerte, dass die Partie nicht größer ausgefallen ist. Francesco Pittari und Francesca Micarelli ergänzten unauffällig als Messaggero und Sacerdotessa.
Der erst 28 jährige Maestro Andrea Battistoni ( der mit 24 der jüngste Dirigent in de Geschichte der Mailänder Scala war ) hatte die gut disponierten Gruppen sicher im Griff, scheint nach seinen Sprüngen und Gesten auch bei Oren gelernt zu haben. Szenisch war das Auge durch die Bühne und die Regie von Altmeister Franco Zeffirelli bestens bedient, wozu auch die wunderschönen Kostüme von Anna Anni beitrugen ( das nenne ich eine Kostümbildnerin, nicht die heutigen „Fetzendrapierer“..! ). Traurig nur, dass die gegen früher 21.000 Zusehern fassende Arena durch die Bestuhlung der ehemaligen „Prima gradinata“ nun ohnedies nur mehr für die Hälfte zugelassen, maximal zu zwei Dritteln gefüllt war..! Und das bei „Aida“ und knapp vor „Ferragosto“ – auch hier also „Götterdämmerung“…
Michael Tanzler 25.8.15
Bilder: M. Tanzler