Premiere: 12.07.2019, besuchte Vorstellung: 17.08.2019
Wunderbar altmodisch
Das Musical Funny Girl beruht im Kern auf der wahren Geschichte der Fania Borach, die als Fanny Brice zwischen 1910 und 1930 eine große Karriere am New Yorker Broadway machte. Fannys Schwiegersohn, der Filmproduzent Ray Stark, hatte Anfang der 60er-Jahre die Idee, das Leben seiner Schwiegermutter zu verfilmen. Allerdings wurden die Pläne dann zu Gunsten eines Broadway-Musicals geändert. Über diesen Umweg entstand dann 1968 die mit dem Oscar prämierte Verfilmung mit Barbra Streisand und Omar Sharif in den Hauptrollen. Barbra Streisand übernahm die Rolle der Fanny Brice bereits bei der Broadway-Premiere am 26. März 1964 im Winter Garden Theatre, zuvor fanden bereits sehr erfolgreiche Aufführungen des Musicals in Boston statt. Einen großen Anteil am Erfolg von Funny Girl hatten und haben auch heute noch die wunderbaren Kompositionen von Jule Styne, das Drehbuch verfasste die Hollywood-Autorin Isobel Lennart. Bob Merrill steuerte im Kreativteam die Songtexte bei.
Kurz zum Inhalt: Fanny gilt als „hässliches Entlein“ und entspricht nicht wirklich dem damaligen Schönheitsideal, daher belächeln fast alle ihre Pläne ein großer Revuestar zu werden. Nur Eddie Ryan glaubt an sie und wird ihr Lehrer. Mit seiner Hilfe und einem starken Glauben an sich selbst schafft sie es, Mitglied bei den berühmten Ziegfeld Follies des berühmten Theatermachers Florenz Ziegfeld jr. zu werden. Durch ihr ausgeprägtes komödiantisches Talent wird sie schnell zum Star der Truppe. Nach einem Auftritt lernt sie den eleganten Nick Arnstein kennen. Beide verlieben sich ineinander, obwohl sie aus komplett verschiedenen Gesellschaftsschichten stammen. Während Fannys Karriere immer erfolgreicher wird, verspielt ihr Ehemann sein ganzes Vermögen beim Glücksspiel und durch unglückliche Investitionsentscheidungen. Da Nick allerdings nicht vom Geld seiner Gattin abhängig sein möchte, lässt er sich zu dubiosen Geldgeschäften hinreißen. Da diese allerdings auffliegen, wandert er für 1 ½ Jahre ins Gefängnis. Nach seiner Entlassung müssen beide eine schwerwiegende Zukunftsentscheidung fällen…
Stefan Huber inszeniert Funny Girl als große Broadway-Show mit einer großen beleuchteten Show-Treppe, die sich variabel in verschiedene andere Räume verwandeln kann (Bühnenbild: Harald B. Thor). Insgesamt scheint Funny Girl in vielen Dingen aus heutiger Sicht sehr aus der Zeit gefallen zu sein, aber gerade dies macht auch den Charme der Inszenierung aus. Selbstredend ist das hier vermittelte Frauenbild in vielen Dingen überholt und auch die große Revuenummer „Rat-Tat-Tat-Tat“ entstammt der großen Broadwayshow zu Zeiten des ersten Weltkrieges, durch die das Publikum und die „tapferen amerikanischen Soldaten“ patriotisch bei Laune gehalten werden sollten. Da es hier aber um eine historische Geschichte geht und dies auch genauso inszeniert wird, wäre es vermessen, immer alles an heute geltenden Maßstäben messen zu wollen. Dann würde nicht nur dieses Werk, sondern viele andere Stücke ebenso schnell in der totalen Versenkung verschwinden, was absolut tragisch wäre. Das Ensemble trumpf nicht nur beim erwähnten „Rat-Tat-Tat-Tat“ immer wieder in großen Choreografien von Danny Costello (Einstudierung: Sabrina Stein) auf. Hinzu kommen die sehr aufwendigen Kostüme von Susanne Hubrich, die den Zuschauer auf die Zeitreise in die Vergangenheit mitnehmen. Alles wirkt im positiven Sinne wunderbar altmodisch. Dies gilt auch für die Kompositionen, mal geht es voller Swing mit Tempo voran, dann sind es die leisen Momente, die besonders berühren. Hier gelingt Christoph Wohlleben ein besonders präzises Dirigat. Der Klang des 24köpfigen Orchesters ist absolut beeindruckend. Mit Katharine Mehrling hat man eine Besetzung der Fanny Brice gefunden, die mit unglaublicher Bühnenpräsenz, großartigem Gesang und feinem Humor die Titelrolle absolut treffend verkörpert. Ihr zur Seite stehen die beiden erfahrenen Musicaldarsteller Alen Hodzovic als Nick Arnstein und Marc Seitz als Eddie Ryan. Bleibenden Eindruck hinterlassen auch Marianne Larsen als Fannys Mutter, Sylvia Wintergrün als neugierige Mrs. Strakosh und der wunderbare Heinrich Schafmeister als Florenz Ziegfeld. Insgesamt stehen bei dieser großen Produktion 27 Darsteller auf der Bühne der Stiftsruine, die für drei Stunden feinste (historische) Musicalunterhaltung sorgen.
Zum Abschluss bleibt die Hoffnung, dass diese wunderbare Produktion, die in dieser Spielzeit sehr erfolgreich in Bad Hersfeld aufgeführt wurde, im kommenden Jahr eine Wiederaufnahme erfährt. Zumindest war es zuletzt eine schöne Regel, dass die Musicalproduktionen hier meist zwei Spielzeiten zu sehen sind, neben einer Wiederaufnahme gesellt sich eine neue Produktion. Eine schöne Tradition, an der man festhalten sollte, denn Funny Girl ist absolut sehenswert in dieser Inszenierung, die vor einigen Jahren bereits an den Theatern in Dortmund, Nürnberg und Chemnitz zu sehen war. Die Atmosphäre der Stiftsruine tut dann ihr übriges zu einem rundum gelungenen Theaterbesuch.