Buchkritik: „Sieben Jahre Staatsoper“

Die Frist ist um, und abermals verstrichen sind sieben Jahr“- dieses Motto wählte bereits Intendant Jürgen Flimm (in Kooperation mit dem späteren Allein-Intendanten Matthias Schulz) für seinen Rück blick in Buchform für die sieben Jahre wegen Umbaus und Renovierung der Lindenoper im Schillertheater verbrachten Spielzeiten der Berliner Staatsoper. Inzwischen sind bereits wieder sieben Jahre im Stammhaus vorüber und Anlass für eine Bilanz, wieder in Buchform und an der Schwelle für eine neue Intendanz mit Elisabeth Sobotka und einem neuen Generalmusikdirektor, mit Christian Thielemann, der bereits in den vergangenen Monaten mehrfach für den erkrankten Daniel Barenboim einsprang.

Auf dreihundertzwanzig Seiten wird in der Form von Statistiken, Statements, Fotos, Besetzungszetteln und vielem anderen Material auf durch den Einschnitt, den Corona bedeutete, ereignisreiche Spielzeiten zurückgeblickt, beginnend mit einem anonym gehaltenen Vorwort, bei dessen Lesen man zunächst einmal darüber staunt, dass der Neubau des Hauses im 18. Jahrhundert nur zwei Jahre dauerte, man ja wusste, dass nach der ersten Zerstörung durch Bomben im Zweiten Weltkrieg wenige Monate bis zur Wiederinbetriebnahme vergingen und nun sieben ganze Jahre bis zum Wiedereinzug des Ensembles gebraucht wurden.

Der Leser wird mit einem technischen Steckbrief des Hauses, zu dem nicht nur der große Saal, sondern auch ein aus dem alten Orchesterprobensaal hervorgegangener kleiner Saal und als Ort für Kammermusik der Apollosaal gehören, vertraut gemacht, und er erfährt aus einem Interview mit Noch-Intendant Schulz und seiner Gesprächspartnerin, Carolin Emcke, welchen Aufgaben sich das Haus verpflichtet fühlt, das zwar nicht Flucht-, aber Schutzraum sein kann und sein sollte, , wobei die Gesprächspartnerin nicht versäumt, das Gendern, dessen man sich auch im Bucht selbst befleißigt, mit dem Geschlechtermischmasch in Barockopern zu rechtfertigen. Vorsicht sei bei dem Gebot von „gesellschaftlicher Relevanz“ geboten, erfährt der Leser, auf das Opernkinderorchester wird hingewiesen, und tatsächlich macht sich die Staatsoper auch verdient um die Heranbildung junger Opernbesucher, u.a. mit von Kindern für Kinder gestalteten Aufführungen. Auch bei dieser Diskussion ist nicht zu übersehen, dass es in unserer Zeit mehr um Regie als um Gesang, mehr um Erziehung als um puren Genuss geht.

Zum Leitbild der Staatsoper, erfährt man, gehören Vielfältigkeit, Offenheit und Förderung, l’art pour l’art hat also wohl keine Chance.

Der Leser und Betrachter kann anhand von Texten, Fotos von Premieren, Statistiken zu Repertoireaufführungen noch einmal die letzten sieben Jahre Staatsoper nacherleben, angefangen von der Eröffnung mit Schumanns Szenen aus Goethes Faust und am 7. Dezember, zum Geburtstag des Hauses mit Mendelssohn, Strauss und Boulez. Nicht nur Opernaufführungen, sondern auch die Sinfonie-, und Kammerkonzerte, Liederabende und Sonderkonzerte werden berücksichtigt. Besondere Kapitel sind den alljährlich stattgefunden habenen Barocktagen gewidmet, der Corona-Zeit, den 450 Jahren Staatskapelle, dem Staatsopernchor, der Ära Daniel Barenboim, den Festtagen in der Osterzeit und dem Projekt Staatsoper für alle, dem man gerade wieder mit der Tannhäuser-Ouvertüre und der Alpensinfonie unter Christian Thielemann entgegen sieht. Das letzte, das Kapitel VIII, gestattet noch einmal den Blick auf den „Kosmos Staatsoper“.

Ingrid Wanja, 2. Juli 2024


Sieben Jahre Staatsoper Unter den Linden 2017-2024
Herausgegeben von Detlev Giese, Susanne Lutz und Matthias Schulz

2024
320 Seiten
Ohne ISBN

Auch online zum Durchblättern und als Download verfügbar.