Die CD „Silence“ mit den Aufnahmen der Klaviersonaten von Franz Schubert, interpretiert von der italienischen Pianistin Stefania Cafaro, ist ein hörenswertes Album, auf welchem die Pianistin durch vorzügliches Klavierspiel als auch durch ihre tief empfundene Musikalität besticht. Veröffentlicht beim Label Odradek, zeichnet sich die CD nicht nur durch eine ausgezeichnete Klangqualität aus, sondern wird auch von einem informativen Booklet begleitet, das dem Hörer zusätzliche Einblicke in die Werke und die Interpretation der Künstlerin bietet. Odradeks Aufnahmetechnik sichert einmal mehr höchsten klanglichen Genuss für seine Einspielung zu. Stefania Cafaro, eine Schülerin des angesehenen Pianisten Michele Campanella, zeigt auf diesem Album eine besondere Affinität zur Musik von Franz Schubert, die für sie eine große Bedeutung hat. Durch die Wahl des Titels „Silence“ lenkt sie die Aufmerksamkeit des Hörers auf das Gefühl der stillen Einsamkeit, das in den Werken Schuberts zum Ausdruck kommt, sowie auf die Bedeutung von Pausen innerhalb der Musik.
Cafaro vermittelt gekonnt den nachdenklichen und seelenoffenen Charakter vieler Klavierkompositionen Schuberts. Ihr pianistischer Vortrag ist von deutlicher erzählerischer Kraft bestimmt. Sie liebt die Musik von Schubert und insbesondere seine Klaviersonaten. Sie ist sich der besonderen Dimension dieser Werke sehr bewusst und sieht u.a. auch einen besonderen Wirkungsmoment in den Satzpausen, in welchen alles nachklingt und der menschliche Geist sich selbst begegnet. Besonders beeindruckend ist Cafaros Fähigkeit, das Klavier zum Singen zu bringen. Wie Schubert selbst sagte, werden unter ihren Händen die Tasten zu Singstimmen. Diese Beschreibung trifft den Kern von Cafaros exquisitem lyrischen Spiel. Ihr Spiel ist geprägt von einer singenden Klangfülle, die sowohl die Klaviersonate a-Moll D. 845 aus dem Jahr 1825 als auch die Klaviersonate A-Dur D. 959 aus dem Jahr 1828 durchdringt Die Sonate a-Moll D. 845 ist ein Werk, das von intimer Atmosphäre bestimmt ist. Sie wurde im Jahr 1825 komponiert und gehört zu den bedeutenden Werken von Franz Schubert. Sie besteht aus vier Sätzen: Moderato, Andante poco moto, Scherzo: Allegro vivace – Trio: Un poco più lento und Rondo: Allegro vivace. Diese Sonate kennzeichnet sich durch intensive emotionale Ausdruckskraft. Sie zeigt Schuberts künstlerische Reife und ist bekannt für ihre kontrastreichen Stimmungen, die von düsterer Melancholie bis hin zu leidenschaftlichen Ausbrüchen reichen. Die Musik besticht durch ausdrucksstarke Melodien, harmonische Raffinesse und eine komplexe Struktur.
Cafaros Interpretation spielt die zarten Nuancen und die emotionale Tiefe dieser Komposition eindringlich. Sie versteht es, die Melodieverläufe mit großer Sensibilität zu gestalten und erzeugt eine feine Dynamik, die den Hörer in den Bann zieht. Besonders hervorzuheben ist ihr herausragendes Spiel im langsamen Satz, der eine berührende Intensität und lyrische Schönheit aufweist. Ihr gelingt es, die zarten und gleichzeitig kraftvollen Facetten dieses Werkes mit beeindruckender Präzision und Ausdruckskraft zum Ausdruck zu bringen.
Die Klaviersonate A-Dur D. 959, die aus der Endphase von Schuberts Leben stammt, ist ein Werk von außerordentlicher Tiefe und Vielschichtigkeit. Sie wurde im Jahr 1828, kurz vor Schuberts Tod, komponiert. Sie besteht aus vier Sätzen: Allegro, Andantino, Scherzo: Allegro vivace – Trio: Un poco più lento und Rondo: Allegretto. Diese Sonate ist ein herausragendes Werk der Klavierliteratur und zeigt Schuberts Fähigkeit, komplexe Emotionen und musikalische Ideen in einem Werk zu vereinen. Lyrische Passagen, virtuosen Läufe und dramatischen Ausbrüchen bestimmen den Charakter. Besonders bemerkenswert ist das Andantino, das einen existenziellen Monolog darstellt und zu den markantesten und bewegendsten Sätzen der Klaviermusik gehört. Wunderbar lässt Cafaro die schwebenden Akkorde atmen, um darüber in der rechten Hand die Melodie feinsinnig auszuschmücken. Ihr gelingt es, die symphonischen Texturen dieser Sonate in ihrer Interpretation einzufangen. Insbesondere das Andantino, in dem Schubert einen existenziellen Monolog entfesselt, beeindruckt durch einfühlsame Darstellung. Sie vermittelt die introspektiven Grübeleien ebenso wie die wütenden Ausbrüche mit großer Intensität und Lebendigkeit. Der helle und trotzige Schlusssatz wird von ihr mit Energie und Brillanz gemeistert, wodurch er einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Durch die Zusammenführung dieser beiden großartigen Schubert-Sonaten bietet die Pianistin eine frische und tief empfundene Interpretation einiger der anspruchsvollsten und emotionalsten Musikstücke des Klavierrepertoires. Ihre Fähigkeit, mit dem Klavier zu singen, ihre hohe Musikalität, die feine Dynamik und die subtile Ausdrucksstärke machen diese Aufnahmen zu einem wahren Genuss für Liebhaber der Klaviermusik.
Dirk Schauß, 21. Juni 2023
Franz Schubert
Silence
Klaviersonaten
Stefania Cafaro, Klavier
ODRCD416