Premiere: 14. Dezember 2013, besucht wurde die Nachmittagsvorstellung am 15. Dezember 2013
O mein Papa…
„Feuerwerk“ ist das Zwitterwerk einer Spätzeit, nicht mehr Operette, aber auch nicht Musical, als „musikalische Komödie“ ganz richtig bezeichnet, „holprig“ entstanden, wie man im Programmheft des Stadttheaters Baden nachlesen kann, dann aber 1950 doch auf die Bühne gekommen und seither nicht mehr verschwunden. Teils wegen der witzigen, eingängigen Musik von Paul Burkhard. Teils, weil er erkannt hat, was in einem schlichten Lustspiel eines Züricher Bürgers steckte, das „Der sechzigste Geburtstag“ hieß.
Die Konfrontation der „braven“ und unerträglichen Bürgerwelt, die am Beginn des ersten Aktes so ausführlich entfaltet wird, mit der Zauberwelt des Zirkus als Symbol des „Anderen“, funktioniert nämlich unweigerlich. Zumal zwei berühmte Rollen, der Zirkusdirektor Alexander Obolski und seine Gattin Iduna, nur richtige besetzt werden müssen, um den Erfolg zu garantieren.
Im Stadttheater Baden besetzt man elegante Herren von gestern immer gern mit Kurt Schreibmayer, der erfahrungsgemäß beste Figur macht, auch wenn er gesanglich mitunter schwächelt. Und für die Iduna hat man sich gewissermaßen eine Pointe ausgedacht. Noch vor etwas mehr als zwei Jahren wäre der Name Dagmar Schellenberger hierzulande kaum jemandem ein Begriff gewesen, doch ihre Kürung zur Intendantin von Mörbisch und ihre heiß umstrittene erste Saison (nicht gerade ein Erfolg) und die noch heißer umstrittene nächste haben ihr jede Menge Publicity gebracht. Nun, die Dame hat einen Zweitberuf, wenn’s auf die Dauer nicht klappt mit der Intendanz, kann sie immer noch – wie in ihrem früheren Leben – als Sängerin reüssieren. In Baden geht man vermutlich davon aus, dass viele kommen, um sich die medial so präsente Intendantin als Iduna anzusehen…
Sie versteht, sich in Szene zu setzen, rot das Kleid, blond die Locken, divenhaft das Auftreten. Und eine Opernsängerin wie sie hat keine Probleme, in dem doch recht kleinen Haus „O mein Papa“ und andere Schlager zu singen, die jeder mitsummt. Was an Dagmar Schellenberger seltsam anmutet, ist die absolute Künstlichkeit von allem, was sie tut – sie macht in Charme, macht in Souveränität, macht in Herzlichkeit, macht in Eleganz, und irgendwie glaubt man ihr nichts wirklich. Besonders schlimm, was sie als „Akzent“ darbietet, der wohl französisch gedacht ist, aber irgendwie immer wieder in eine Art von undefinierbarem Kauderwelsch abrutscht. Die genuine Bühnenpersönlichkeit, die kommt und ein Publikum erobert, ist Dagmar Schellenberger nicht. Nur mit einiger spürbarer Anstrengung gelang es ihr, die willigen Besucher der ausverkauften Nachmittagsvorstellung dann doch noch einzufangen…
Baden besetzt stets – mit Blick auf Wien – so gut wie möglich, und für den kränklichen Onkel Gustav, der am Ende als Clown zum Zirkus geht und dabei gesundet, gibt es gar keine idealere Besetzung Heinz Zuber, der als Clown die volle Glaubwürdigkeit mitbringt: „Enrico“ jubelte das Publikum verzückt. Der braucht nichts „machen“, der hat alles von selbst.
Die Geschichte ist bekannt – rund um den 60. Geburtstag von Papa (Franz Josef Koepp) lädt Mama (Ingrid Habermann) die ganze Familie ein. Es kommen drei Tanten, Gabriele Schuchter als die Mondäne, Michaela Mock als die Doofe und Sylvia Rieser als die Zickige, mit ihren Angetrauten, dem besagten Heinz Zuber, Walter Schwab und Beppo Binder. Und dann erscheinen unangesagt die Obolskis, der Bruder, der einst zum Zirkus ging, und seine spektakuläre Frau, der die Onkel im gleichen Maß verfallen wie die Tanten sich empört aufplustern.
Weiters gibt es ein Töchterchen (Katrin Fuchs, hübsch, reizend, aber nicht sehr gut bei Stimme), das kurz vom Zirkus träumt, und einen Gärtner (Andreas Sauerzapf, mit schwärmerischem Tenor sehr gut bei Stimme), der sie bei der Bürgerlichkeit zurückhält. Der Rest ist eine Köchin, die schauerlich singen soll (was Katharina Dorian überzeugend erledigt, nicht nur in ihrer Cissy-Kraner-Parodie).
Der Abend wird von Regisseurin Karina Fibich sowohl in den Szenen um den bürgerlichen Mittagstisch wie in den halb traumhaften Ausrutschern in die Zirkusarena bestens zusammen gehalten, das ist absolut unaufdringliche Qualitätsarbeit in der geschmackssicheren Ausstattung von Roswitha Wilding-Meisel, die jeden an diesem Abend zur Geltung kommen lässt. Choreografin Rosita Steinhauser sorgt für das geschmeidige Einfügen von Zirkusszenen, wobei die Tänzer einspringen müssen, weil es keine echte Zirkuseinlage gibt. Michael Zehetner sorgt für die Ohrwürmer aus dem Orchestergraben, und „Feuerwerk“ hat wieder einmal gezündet.
Renate Wagner 16.12.13