Aufführung im Kongresshaus Rosengarten Coburg 06.01.2017
„Johann Strauss in Böhmen“ weicht etwas von den bisherigen geläufigen Neujahrskonzerten ab und verringert den Anteil der Strauss-Familie
Unter dem Titel „Johann Strauss in Böhmen“ feiert man in Coburg das 30te Neujahrskonzert. Im Vordergrund steht auch diesmal wieder die Verbindung von Wien und Coburg und mehrfach wird darauf verwiesen, dass Johann Strauss Sohn jr. die letzten 12 Jahre seines Lebens Coburger Bürger und damit deutscher Staatsangehöriger war, sehr zum Leidwesen der Wiener, die ihm in den letzten 12 Lebensjahren auch keine Ehrungen mehr zukommen ließen. Für mich persönlich kommt der Walzerkönig diesmal etwas zu kurz, nicht in den Moderationen, sondern auf der Bühne. „Die Moldau“ von Smetana und die „Slawischen Tänze“ von Anton Dvorák sind ja nicht unbedingt Standard bei den Neujahrkonzerten in Coburg. In Leipzig, Heidelberg, Stuttgart und anderswo gehören sie zwar zum Standardrepertoire der Neujahrskonzerte, in Coburg hat jedoch bisher immer die Straussfamilie dominiert.
Oberbürgermeister Norbert Tessmer, begrüßt die Besucher des 30ten Jubiläumskonzerts zum 15ten Mal, also zwei Jubiläen gleichzeitig. Er begrüßt wie immer kurzweilig und launig, bleibt erneut erfrischend kurz und überbringt dem ausverkauften Haus die Neujahrsgrüße der Stadt.
Der Intendant des Landestheaters Coburg, Bodo Busse, übernimmt zum zweiten Mal die Moderation des Neujahrskonzertes. Auch diesmal abwechslungs- und kenntnisreich, charmant und voller kleiner Bonmots. Sehr abwechslungsreich und humorvoll gestaltet er die Moderation. Aber auch in diesem Jahr schoss er ein bisschen über das Ziel hinaus. Man erwartet bei einer Moderation eines Neujahrskonzertes Hintergründe, Erheiterndes und Neues aus der Welt der Komponisten, eventuell auch der Künstler zu hören. Die etwas langen Auszüge aus dem Theaterbuch, also Einträge, die die Besucher des Coburger Theaters hinterlassen haben, sind zwar teilweise sehr lustig, haben aber meiner Meinung nach in einer Moderation eines Neujahrskonzertes nichts zu suchen. Dem Publikum hat es jedoch gefallen. Und auch im nächsten Jahr, wenn Bodo Busse nicht mehr Intendant in Coburg sein wird, wird er die Moderation des Neujahrskonzertes erneut übernehmen, dies hat er auf der Bühne per Handschlag dem Oberbürgermeister versprochen. Zu diesem Zeitpunkt wird er bereits als neuer Generalintendant in Saarbrücken tätig sein. Und wie im letzten Jahr sei mir ein weiterer Hinweis gestattet. Da hat man erneut drei exzellente Sänger, die das Publikum begeistern, und dann bekommen sie ein Duett und ein Terzett und das war’s dann auch schon. Ist es denn wirklich so viel teurer, wenn man die drei nach der Pause nochmals in einem Block hätte hören können? Das Publikum hätte sich darüber mit Sicherheit sehr gefreut, auch evtl. noch über eine gesangliche Zugabe. Aus meiner Sicht hat man hier zum zweiten Mal eine Menge Potential ohne Not verschenkt. Vielleicht überlegt man sich hier einmal etwas für das 31. Konzert im nächsten Jahr.
Roland Kluttig, der Generalmusikdirektor des Landestheaters Coburg musiziert erneut mit seinem Philharmonischen Orchester des Landestheaters. Und er lebt mit seinem Orchester. Es ist eine Freude ihm zuzusehen, wie er voller Leidenschaft, präzise und genau sein Orchester leitet, welches ihm in allen Punkten folgt und an diesem heutigen Vormittag insgesamt wieder eine ausgezeichnete Leistung bietet. Er lässt es donnern und gewaltig auftrumpfen, nimmt es aber genauso bei den Gesangespassagen sängerdienlich zurück und lässt die Sänger sich voll entfalten. Man merkt ihm auch an, wie sehr ihn dieser Vormittag mitreißt, er dem Orchester die Zügel auflegt und sie gleichzeitig wieder lockert, wenn es notwendig ist. Die Freude an der Musik und an der „Arbeit“ ist bei ihm jede Sekunde spürbar. Und sein Orchester ist ihm in allen Dingen ein kongenialer Partner.
Das Neujahrskonzert beginnt mit „Die Moldau“ aus „Mein Vaterland“ von Bedrich Smetana. Dieses Stück aus dem Zyklus von Smetana ist das sicher am häufigsten gespielte Stück aus diesem Zyklus. Das Orchester präsentiert sich in einer bestechenden Form, man hört die Wogen der Moldau richtig an sich vorüberziehen. Der Ein- und Zusammenklang von Flöten, Harfen, Geigen und Bläsern ist beeindruckend und die Moldau rauscht an dem geneigten Zuhörer leidenschaftlich gespielt vorbei.
Dann zeigt das Orchester, wie sich die Moldau von Johann Strauss, Sohn anhört, diesmal nicht als Sinfonische Dichtung sondern als schwungvoll gespielter Polka, die das Publikum erneut mitreißt. Dann folgt, ebenfalls von Johann Strauss Sohn die „Tritsch-Tratsch-Polka“, mitreißend gespielt und das Publikum zum Wippen mit den Füßen animierend. Man merkt wie gut das Orchester mit der Musik unseres Schanis zurechtkommt.
Dann kommen die drei Sänger und sie sind alle drei exzellent, deshalb umso unverständlicher, dass sie nur diesen kurzen Auftritt haben. Die Sopranistinnen Anna Gütter und Nadja Merzyn und der Bariton Peter Schöne singen aus „Die Fledermaus“ das Terzett „So muss allein ich bleiben…“. Anna Gütter mit koloraturfreudigem, glanzvollem warmen und rundem Sopran, Nadja Merzyn feurig und temperamentvoll und jeden Ton auskostend und Peter Schöne mit kraftvoll leuchtendem glanzvollem und lyrischem Bariton begeistern die Zuhörer, die mit ihrem langanhaltenden Applaus zeigen, dass alle drei „voll eingeschlagen“ haben. Dann das Uhrenduett, witzig, verspielt und mit großem Einsatz von Anna Gütter, die alle Facetten ihres warmen weichen und glanzvollen Soprans erklingen lässt und Peter Schöne, der stimmgewaltig und stimmschön sehen muss, wie seine Uhr im Dekolletee verschwindet. Für beide großer und berechtigter Applaus. Viel Applaus – und leider war es das dann auch schon wieder mit den Gesangseinlagen.
Peter Schöne, Anna Gütter, Nadja Merzyn
Nach der Pause kann das Orchester erneut brillieren, mit den Slawischen Tänzen op. 72 Nr. 1-4, 7 und 8. Diese sechs Stücke werden wieder leidenschaftlich dargeboten, voller Feuer und Dramatik und damit auch das Publikum mitreißend. Der offizielle Schluss des Neujahrskonzerts ist einer der berühmtesten Walzer von Johann Strauss Sohn, der Konzertwalzer „Kaiser-Walzer“. Und hier legen die Damen und Herren des Orchesters unter Roland Kluttig wieder alles hinein was sie haben – und das ist nicht wenig. Schwungvoll und jede Note auskostend erklingt der Kaiser-Walzer. Fast könnte man meinen, der ganze Saal wiegt sich im Walzertakt. Viel Beifall am Ende des offiziellen Teils. Das Publikum hält es nicht mehr auf den Sitzen, und unter stehenden Ovationen erklingt die temperamentvolle Polka „Unter Donner und Blitz“ von Johann Strauss Sohn. Und – fast möchte ich sagen natürlich – beendet man das Konzert mit dem als Rausschmeißer fungierenden unverwüstlichen Radetzkymarsch von Johann Strauss Vater, der schwungvoll das Neujahrskonzert beendet. Und wie im letzten Jahr erneut die schlimme Unsitte – leider vom Dirigenten wieder zusätzlich vom Publikum gefordert – des fürchterlichen Mitklatschens, aber dagegen kommt man wohl kaum an und das anwesende Publikum ist davon begeistert.
Am Ende des 30. Neujahrskonzerts muss man feststellen, dass sich die neue Form des Konzertes etabliert hat und man sich auf das nächste Jahr freuen kann. Dann vielleicht mit etwas weniger Moderation und etwas mehr Sängerglückseligkeit. Aber gute Wünsche fürs neue Jahr wird man doch wohl noch haben dürfen.
Manfred Drescher 16.01.2017
Fotos (c) Timo Geldner, Coburg