Duisburg: „Die tote Stadt“, Erich Wolfgang Korngold

Mit Erich Wolfgang Korngolds Die tote Stadt endete an diesem Wochenende die Opernspielzeit am Theater Duisburg. Die Inszenierung von Daniel Kramer, feierte in dieser Spielzeit gleich an beiden Häusern der Deutschen Oper am Rhein ihre Premiere. Während diese in Düsseldorf bereits am 16. April 2023 stattfand, fand die Übernahme-Premiere in Duisburg am 17. Juni 2023 statt. Kramer, international bekannt für durchaus atmosphärisch dichte Inszenierungen, ist mit dieser Oper erstmals an der Rheinoper zu Gast. Und auch hier legt er sein Augenmerk auf die Gefühlswelt des trauernden Witwers Paul und geht der Frage nach, wie weit unsere Trauer gehen darf, ohne uns zu entwurzeln?

© Anne Orthen

In Kramers Inszenierung ist Paul ein Puppenbauer, daher befinden wir uns zu Beginn der Oper auch in seiner etwas karg eingerichteten Werkstatt, in der er damit beschäftigt ist, eine möglichst getreue Nachbildung seiner toten Frau Marie zu schaffen. Paul lebt hier von der Welt zurückgezogen, lediglich sein bester Freund Frank und seine Haushälterin Brigitta leisten ihm ab und an Gesellschaft. Nachdem er bei einem Spaziergang Marietta kennengelernt hat, die Marie in Pauls Augen verblüffend ähnlich sieht, beginnen sich Realität und Traum zunehmend zu mischen. Hierbei ist leider nicht so ganz ersichtlich, wo genau der Traum anfängt und wo er endet, zumal sich die Regie hier selber etwas im Wege steht. Im Programmheft heißt es im Interview mit dem Regisseur noch: „Paul dagegen trauert seit mindestens drei Jahren mit einer geradezu exzessiven Inbrunst….“. Später im dritten Akt scheint es so, als würde Paul gerade bei der Beerdigung seiner Frau von seinem Freund aus all seinen Träumen gerissen, die dem Zuschauer zuvor in dieser Oper gezeigt wurden. Dies passt zeitlich natürlich nicht zusammen. Dabei wäre es eigentlich eine wunderbare Idee gewesen, gerade die kurze Zeit der intensiven Trauer zwischen Todeszeitpunkt und Beerdigung als einen begrenzten Zeitrahmen zu betrachten, da diese Zeit oftmals wie in Zeitlupe abläuft und man dazu geneigt ist, in dieser Zeit das Gefühl für Zeit und Raum komplett zu verlieren. Hier wäre mit dem durchaus gelungenen Bild am Sarg Maries im dritten Akt mit etwas mehr Bezug zum vorherigen Abend mehr drin gewesen. Dennoch bleibt es eine ordentliche Regiearbeit, die vor allem nah am Originallibretto bleibt und dankenswerterweise auf zu viele spezielle Interpretationsversuche verzichtet.

© Sandra Then

Das Bühnenbild von Marg Horwell, der sich im Übrigen auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet, konzentriert sich im ersten und dritten Akt auf Pauls Werkstatt, die Teil seines Apartments ist, in dem er auch zu leben scheint. Hierbei wird durch die verwelkten Blumen sehr schön Pauls Trauer dargestellt, allgemein scheint vieles etwas verwahrlost und abgedunkelt zu sein, da Paul ausnahmslos mit seiner Trauer beschäftigt ist. Sehr gelungen ist im zweiten Akt die Darstellung der Straße, die zu Mariettas Wohnung führt. Das Bühnenbild versprüht hier eine wunderbar düstere Stimmung mit großen dunklen Steinwänden und einer Menge Nebel, der durch die Straße zieht. Das macht optisch einiges her. Auch das Lichtdesign von Peter Mumford kann besonders in diesem etwas düsteren Akt überzeugen. Hiervon hätte man gerne noch mehr gesehen. Doch Korngolds Oper ist allein musikalisch ein Meisterwerk. Bereits in diesem frühen Werk aus dem Jahr 1920, Korngold war hier gerade mal 23 Jahre alt, erkennt man schon sein feines Gespür dafür, Bilder musikalisch fulminant auszumalen. Ein Talent, welches ihm nach dem zweiten Weltkrieg in Hollywood zugutekam und für das er mit zwei Oscars für die beste Filmmusik ausgezeichnet wurde.

© Anne Orthen

Unter der musikalischen Leitung von Harry Ogg spielen die Duisburger Philharmoniker die Partie mit viel Kraft. Zu Beginn der Vorstellung haben vor allem die weiblichen Darsteller sehr damit zu kämpfen, gegen den gewaltigen Klang aus dem Orchestergraben anzukommen. Allerdings spielt sich dies im Verlauf des Abends immer besser ein und das Orchester nimmt sich an der ein oder anderen Stelle dann doch etwas zurück, was der Partitur entsprechend gerecht wird. Alles in allem ist es sehr hörenswert, was in der besuchten Vorstellung aus dem Orchestergraben schallt. Sehr hörenswert, und das ist noch deutlich untertrieben, ist auch Corby Welch, der sich in der extrem schwierigen Partie des Paul mit bestem Tenor voller Strahlkraft gut gegen das Orchester behaupten kann. Etwas schwerer tut sich hierbei Nadja Stefanoff als Marietta, doch auch ihr klarer Sopran weiß besonders in den Höhen zu gefallen. Gleichzeitig tritt sie als durchaus energische Frau auf, was Paul besonders zu faszinieren scheint. Da es Daniel Kramer wichtig war, die Figuren der Marietta und Marie symbolisch als Leben und Tod zu symbolisieren, sind sie bei dieser Inszenierung auch mit verschiedenen Darstellerinnen besetzt. Mara Guseynova hat zwar als Marie nicht so viel zu singen, überzeugt aber in den vergleichsweise kleinen Parts musikalisch ebenso wie mit ihrem Schauspiel der untoten Marie. Abgerundet werden die Hauptrollen durch Richard Sveda, der Pauls Freund Frank einen ganz eigenen Charme verleiht. Auch Katarzyna Kuncio gibt als Haushälterin Brigitta eine liebenswerte Figur ab.

© Sandra Then

Alles in allem kann man als Opernfreund mit dieser handwerklich soliden Produktion durchaus zufrieden sein, die den Zuschauer in die Sommerpause schickt. Dazu darf man Corby Welch in einer Glanzvorstellung erleben, die allein den Abend hörenswert macht. Am 26. August 2023 findet dann im Theater Duisburg das große Theaterfest zur Eröffnung der Spielzeit 2023/24 statt, bis dahin heißt es: „Schöne Ferien, Duisburg“.

Markus Lamers, 25. Juni 2023


Die tote Stadt

Oper von Erich Wolfgang Korngold

Besuchte Vorstellung: 22. Juni 2023

Inszenierung: Daniel Kramer

Musikalische Leitung: Harry Ogg

Duisburger Philharmoniker

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