2. Aufführung am 31.5.2018
Premiere am 28.5.2018
Konzertantes Glück
Konzertante Aufführungen selten gespielter Oper, oft in absoluter Starbesetzung, sind in jeder Saison gegen deren Ende zumindest einer der Höhepunkte an der Deutschen Oper Berlin. Da gab es bereits vor Jahrzehnten eine „Semiramide“ mit Caballé, Horne und Ramey oder vor gar nicht langer Zeit eine „Adriana Lecouvreur“ mit Gheorghiu und Kaufmann und in dieser Saison nun zwei Aufführungen von Donizettis „Maria Stuarda“, beliebte Kampfarena nicht nur für Königin gegen Königin, sondern ebenso für Sopran gegen Mezzosopran und nie wieder so heftig ausgetragen wie in den Siebzigern zwischen Leyla Gencer und Shirley Verrett beim Maggio Musicale in Florenz. Es ist bereits das dritte Mal, dass das Werk an der Deutschen Oper nun wieder zweimal konzertant aufgeführt wurde, und selbstverständlich reicht es heute nicht mehr, sich unbewegt und unbeweglich mit einer schönen Stimme auf die Konzertbühne zu stellen, wie einst Sharon Sweet es noch mit Erfolg tat.
So gab es diesmal also weder Notenständer noch Klavieraufzüge für die Solisten, sondern sogar einige Requisiten wie Federkiel und Papier für das Todesurteil, ein Kreuz als Angebinde für den unglückseligen Roberto, und selbst die Kostüme trugen zu einer darstellenden Optik bei, wenn Maria von Diana Damrau im letzten, der Hinrichtung vorausgehenden Akt, eine Hochsteckfrisur zu nackenfreiem Gewand trug. Auch darstellerisch spielte sich vieles und Überzeugenderes ab als bei so mancher Inszenierung, wurde umarmt und gekniet, waren Gestik und Mimik beredt und verdeutlichten wie die englischen und deutschen Übertitel das Geschehen.
Anlass zu Fragen gab die Besetzung, denn während man mit hervorragenden Bässen im Ensemble wahrlich so gesegnet ist, dass man die beiden Partien des Cecil und des Talbot mit Leichtigkeit gebührend hätte besetzen können, vertraute man die große Mezzopartie der Elisabetta Jana Kuruková aus dem Ensemble an. Die hatte für die englische Königin das angemessen herbe Timbre, konnte aber an Bühnenpräsenz und an Raffinesse des Singens nicht mit dem Star mithalten.
Die Stimme ist sopranlastig, was für die Partie kein Nachteil sein muss, aber den Cabaletten fehlte der Nachdruck, während die Sanftheit der Stimme beim Unterschreiben des Todesurteils oder die verstohlene Tücke bei der Begegnung der beiden Königinnen beeindruckend waren. Würde nicht Joyce Di Donato sich der Maria angenommen haben, würde man sie sich als Gegenspielerin der Damrau gewünscht haben.
Das Rollendebüt von Diana Damrau ist frisch, erst im April sang sie ihre erste Maria. Ihre Stimme hat nun auch die tiefen Töne, die Mittellage ist präsent, wenn die Höhen manchmal scharf geraten, kann das auch interpretatorische Absicht sein. Das Verspielte wie das Wehmütige, die sanften Intervallsprünge wie die überaus reiche Agogik, die wundervollen Pianissimi wie die leichte Emission machen ihre Darbietung zu einem Hochgenuss. Man bewundert die Kunst der Diana Damrau, und vergisst dabei nie, im Theater zu sein, sondern freut sich darüber, den Weg dorthin gefunden zu haben.
Als ein Glücksfall erwies sich das Engagement des Tenors Javier Camarena, der anders als ein berühmterer Kollege den Sprung von Rossini zum Belcanto erfolgreich vollzogen hat, dessen Stimme von perfektem Sitz ist, deshalb gut trägt, der die dolcezza eines tenore di grazia und dazu noch den notwendigen Peng und natürlich eine sensationelle Höhe hat. Strahlend klang sein „liberarla“, raffiniert das Diminuendo auf dem letzten derselben.
Einen Rollentausch zwischen Nicolas Testé und Dong-Hwan Lee hätte man sich gut vorstellen können, denn der als positiv wahrnehmbare Talbot hätte wesentlich besser zu der runden, farbigen Bassstimme des Asiaten gepasst als die raue, dröhnende des Damrau-Gatten, dem der zur Hinrichtung treibende Cecil besser angestanden hätte. Amira Elmadfa sang eine warm- und rundstimmige Kennedy.
Mit dem Schlussgebet verdiente sich der Chor der DO unter Jeremy Hymes sogar den Applaus des Dirigenten. Dieser, Francesco Ivan Ciampa, versuchte nie, dem Orchester mehr Präsenz zu verliehen, als der Belcanto erlaubt, und war verantwortlich für außerordentlich stimmungsvolle Vorspiele.
Innerhalb einer Woche hatte man an der DO die beiden deutschen Prime Donne erleben und mit der Elisabetta von Anja Harteros mitleiden sowie Diana Damrau als Maria Stuarda bewundern dürfen. Auch wenn es natürlich an der sehr unterschiedlichen Musik liegt, dass beide Rollenportraits eine so unterschiedliche Wirkung auf den Zuschauer ausüben, so ebenso daran, dass die Harteros ganz in der Figur aufzugehen scheint, während die Damrau die ihre zelebriert, so dass man ihre große Kunst des Singens stets noch als solche wahrnimmt, was nicht weniger, aber eine andere Art des Vergnügens bereitet.
Fotos von der Premiere Bettina Stöß
1.6.2018 Ingrid Wanja