Premiere 5.11.16
Realität und Wahnvorstellung im fröhlichen Tanz
Ballett unter Ben van Cauwenbergh macht einfach Spass, was man bereits bei den Proben zu sehen bekam, die teilweise für die Mitglieder des Freundeskreises frei zugänglich sind.
"Diese Musik macht viel Spass und ist sehr lustig und auch die Proben-Atmosphäre ist dementsprechend sehr fröhlich" was der Rezensent aus vollem Herzen bestätigen kann; gibt es doch kaum eine trefflichere Ballettmusik, welche dem Können guter Solisten und Ensembles eine so perfekte Grundlage und Untermalung bietet, wie diese von Ludwig Minkus.
Charaktertanz und spanischer Tanz sind wesentliche Elemente dieses großartigen Handlungsballetts, in dem die Essener Compagnie zum wiederholten Male zeigen konnte, welch hohes Leistungsvermögen sie inne hat; und man sie unbedingt zu den besten Deutschlands zählen muss. Die technische Perfektion in Kongruenz der Sprünge und Drehungen sind eine wahre Freude, ebenso wie ein perfektes Tanzen an der Linie und schon fast akrobatische, sowie originelle Tanzeinlagen.
Pars pro toto das Pferd Rosinante, welches von Raphael Baronner und Benjamin Heil nicht nur für große Erheiterung beim normalen Publikum sorgt, sondern auch durch eine hochoriginelle sehr anspruchsvolle Choreografie die Tanzprofis im Auditorium begeisterte. Was dieses "Pferd" an tänzerischen Bewegungen, bis hin zum anspruchsvoll auschoreographierten Slapstick humorvoll darbietet, wäre alleine schon einen preiswürdigen Kurzfilm wert.
Cauwenbergh versucht die bekannte Geschichte so komisch wie möglich zu erzählen und hält dabei doch stets gekonnt die Balance zwischen allzu derbem Schwank und augenzwinkernder Ironie ein. Man merkt von Anfang bis zum Ende, gerade zwischen den üblichen allzu bekannten Ballett-Gesten, daß ihm auch das Schauspielerische neben dem hohen Tanzstandarts sehr wichtig ist: "Es soll unterhaltsam sein, sich gleichzeitig aber auf hohem tänzerischen Level bewegen."
Eine solche Choreografie braucht ausreichend Platz zum Tanzen, wobei natürlich die riesige tiefe Aalto-Bühne hier einen perfekten Theaterraum offeriert. Sicherlich eine Freude für Dorin Gal (Bühnenbild/Kostüme), der den Rahmen in beinah cinemascopisch farbenprächtigen Film-Dimensionen – besonders schön gelungen im zweiten Akt mit realem Feuerhintergrund – kreieren durfte.
Vor vielen
Jahren in Wiesbaden wirkte das alles doch noch durch die sehr kleine Bühne recht eingeengt. Das Bühnenbild erinnert an kitschig schöne Postkartenidylle, die Wärme Spaniens ist permanent spürbar. Auch die sehr traditionellen ausgesprochen liebevoll und detailreich gefertigten Kostüme harmonieren mit der Szene.
Die animierten Projektionen von Liewe Vanderschaeve sind perfekt und eindrucksvoll phantasiereich kreiertes Bühnenbild-Apercu am Ende des ersten und zweiten Aktes; Windmühlen werden zu Drachen bzw. seltsamen Sci-Fi Märchenfiguren.
Bemerkenswert ist an diesem Abend auch, daß eben nicht nur die großen Solopartien (Herausragend Yanelis Rodriguez als Kitri und Aidos Zakan als Basile) im Mittelpunkt stehen, sondern Cauwenbergh ausdrücklichen Wert darauf legt, daß auch die gesamte Compagnie glänzen kann.
Herrlich Tomas Ottych als Don Quichotte mit seinem sich schon in zirzensischen Dimensionen bewegenden Sancho Pansa (Denis Untila).
Besonders erwähnenswert in Ausdruck, Perfektion und Sprungkraft Armen Hakobyan (Espada) und Mariya Tyurina (Mercedes). Bejubelter Publikumsliebling
Liam Blair als tuntiger Gamache.
Die musikalische Leitung lag bei Yannis Pouspourikas in sicheren Händen und die Essener Philharmoniker spielten nicht nur ausgesprochen engagiert, sondern auch mit beinah perfekter rhythmischer Prägnanz und Leuchtkraft – eine hervorragende Leistung für einen "Nur"-Ballettabend, welcher aber wieder einmal die große beständige Qualität am Haus widerspiegelt, wo Ballett genau so ernst genommen wird, wie große Oper.
Natürlich großer Jubel beim enthusiasmisierten Publikum. Auch wenn es kein "Nussknacker" ist, kann dieser schöne Ballettabend als ausgesprochen gelungene Unterhaltung für die ganze Familie – gerade jetzt zur anstehenden Weihnachtszeit – nur herzlich empfohlen werden. Ebenso allen Freunden des großen klassischen Balletts, die sich an schönen Bilder, Kostümen und Petipa noch erfreuen können.
Wieder sah man, neben dem treuen und fachkundigen Essener Ballettpublikum, viele bekannte und strahlende Gesichter von Ballettliebhabern aus dem Raum der Rheinoper Düsseldorf/Duisburg, denen ja Handlungsballette jeder Art von der Direktion Schläpfer versagt sind.
Peter Bilsing 6.11.16
Bilder (c) Aalto