WA am 12.10.13
Uraufführung: Staatstheater Wiesbaden 2004
Premiere Essen 2009
"Nichts ist schöner für Tänzerinnen und Tänzer als vor vollem Haus zu tanzen und ein glückliches Publikum zu erleben. Wenn die Menschen auf der Bühne und im Zuschauerraum zusammen harmonieren, ist das auch mein Erfolg."(BvC)
Ach würden alle Choreografen nur so an ihr Publikum denken! Ben van Cauwenberghs wirklich tolle und mitreißende Choreografie – mittlerweile in die halbe Welt verkauft – ist zeitloser Kult. Man wird sie noch in 20 Jahren bringen können, ohne das irgendetwas langweilig, überholt, staubig vermottet oder deja vue wirkt. Dazu ist die Musik zu großartig und die Bildgewalt zu mächtig. Es wird Zeit das Ballett für die Ewigkeit auf DVD zu dokumentieren; vielleicht jetzt, wo die Essener-Ballett-Compagnie sich in einem fabelhaften Zustand befindet. Sehr glaubwürdig und hoch-engagiert realisieren sie in begnadeter Qualität sowohl modernen Tanz, als auch klassisches Ballett, Artistik und das alles noch höchst humorvoll ergänzt mit prachtvollen 50-er Jahre Standart-Tanznummern.
Eine geniale Choreografie, die sich dem Phänomen Queen und ihrem superben und gleichzeitig oft auch skurril outrierenden charismatischen Sänger Freddie Mercury nicht nur auf höchst sensible Weise nähert, sondern ihm geradezu ein Denkmal in Musik und Tanz mit großer Empathie setzt. Die 31 Nummern vergehen, wie im Flug und man könnte nach den knapp zwei Stunden das Ganze gleich nochmals, höchst euphorisch, sich zu Gemüte führen.
Bei "Who wants to live forever" – ein quasi memento mori – bekommen nicht nur sensible Fans feuchte Augen angesichts Mercurys tragischen Endes. Auf geradezu wunderbare Art und Weise skizziert Cauwenbergh die Lebenslinie dieses Mannes, in Liebe, Leid, Trauer, Aufbegehren, Verrücktheit, Groteske und musikalischer Genialität. Da bricht der Good Old Rock´n Roll heraus aus den bürgerlichen Szenarien der Spießergesellschaft, ironisch wird die Krimi-Atmosphäre alter Edgar-Wallace-Filme zitiert oder der Teeni-Weenie-Tanzsalon im Schleuder-Rock´n Roll der Elvis-Zeit; und immer wieder wird auch das Thema der Homosexualität, wie z.B. in einem grandiosen Männer-Pas-de-deux liebevoll ausgetanzt – in hoch-ergreifenden sensiblen Bildern.
Am Ende ragt der Sänger in typischer Pose als gigantisches steinernes Monument aus dem Bühnenboden, als könne der Rocksuperstar die Erdoberfläche noch einmal durchbrechen und aus dem Grabe wieder auferstehen. Was für eine grandiose Bühne hat Bühne Dmitrij Simkin da geschaffen…
Freddie Mercury war ein Idol und ist es geblieben. Idole sterben nicht; vor allem wenn ihnen in dieser Form die Ehre zukommt, zumindest musikalisch, neu zu erwachen.
Was für ein Ballett-Abend! Grandios und sicher mehr als zählbare Sterne wert…
Peter Bilsing / 13.10.13
Bilder: Aalto Theater