Baden-Baden: „London Symphony Orchestra“, Sir Antonio Pappano

Sir Antonio Pappano musizierte mit seinem London Symphony Orchestra (LSO) die großartigen Komponisten Berlioz und Boulez mit Perfektion, mit zueinander passenden Stimmfarben und Harmonie, um das Ganze zu einem Kunstwerk werden lassen. Pappanos Dirigat wirkt so, als würde er jede Note gerade selbst zum Klingen zu bringen. Das Konzert mit über hundert Musikern ist gelungen, weil Sir Pappano jeden Einzelnen zu einem Gesamtkunstwerk einfängt.

© Michael Gregonowits

Auch wenn der Dirigent mit dem Rücken zum Publikum steht: er hat keinen Stab, aber seine Körpersprache sagt alles aus. Wie schon im Märchen: „Der Rattenfänger von Hameln“ die Menschen seiner Flöte folgen, können wir Zuhörer es ebenso tun.

Ab und zu stehen die Streicher mit ihren Bögen senkrecht in der Luft und sind ein wogendes Meer, so dass sich optisch eine wogende Wellenbewegung ergibt. Es wird mit allen Schönheiten musiziert, vom fast unhörbaren Pianissimo zum Fortissimo.

Sir Pappano packt die beiden Kompositionen von Boulez in die Mitte und Berlioz gibt dem Ganzen einen Rahmen. So erreicht er, dass das Publikum auch Boulez brav zuhören muss und ihn später vielleicht auch mögen wird.

Berlioz (1803 – 1869) ist einer der großen Künstler der französischen Romantik. Er war aber auch eine tragische Erscheinung. Seine Ideen wurden verspottet, über seine Musik wurde gelacht. Aber dennoch: er ist der eigentliche Schöpfer der Programmmusik, d.h. einer Musik, die ihre Anregung von außermusikalischen Dingen, der Dichtung, der Malerei, der Natur empfängt.

1844 komponierte Berlioz „Der Korsar“, eine Charakterouvertüre, deren finaler Name auf einem Gedicht von Lord Byron beruht. Die Instrumentation ist überwältigend: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 4 Hörner, 2 Trompeten… und Streicher ohne Zahl.

Mit Pierre Boulez (1925 – 2016) „Mémoriale“ beginnt der Mittelteil des Programms: Flöten solo als Stimmführer. Für unsere Ohren, d.h. unsere Hörgewohnheit immer noch ungewohnt.

Am Abend folgt danach „Livre pour cordes“: große Stimmen und Streicher: Streicher,  Bläser und vieles mehr. Wie schön: sanfte und meditierende Musik, die sich die Musiker selbst und damit auch uns gönnen dürfen. Und wie schon zu Beginn bei der „Mémoriale“ hatte man den „Verdacht“, hier wird bei den Zwölftönern angeklopft, mit der ihnen eigenen Wucht des Neuen.

© Michael Gregonowits

Berlioz „Symphonie fantastique“ op. 14 kam 1830 zur Uraufführung. Sie beinhaltet das „Fantastische“ und gibt ihm im musikalischen Sinn mehr Freiheit. Die Symphonie hat fünf Sätze mit bildhaften Titeln und benötigt ein sehr großes Orchester. Berlioz nutzt einen musikalischen Trick, die „Idee fixe“, die in allen fünf Sätzen in abgewandelter Form zum Leitthema wird. Dazu schrieb 1830 die Wiener Allgemeine Musik-Zeitung: „Berlioz Musik „sei ein Gemisch von forcierten Knalleffekten und mühsam combinierten Partien, ein unverständliches Tongewirr mit einzelnen lichten Stellen …“

Der erste Satz „Träume – Leidenschaften“ und weiter: „Ein Ball“. Die Idee fixe wird hier in einen Walzer gebettet. Die Themen kommen auch in jedem weiteren Satz wieder vor – so in „Szene auf dem Lande“, „Der Gang zum Richtplatz“ und letztlich in „Der Traum einer Sabbatnacht“, der der verrückteste Satz ist und schockieren sollte. Die Klangfarben, die Berlioz in dieser Symphonie mit dem Orchester erzeugt, wirkten damals wirklich verstörend auf die Zuhörer.

Schade um das Programmheft. Es wird gegenüber einer digital angeboten Version deutlich im Umfang geschrumpft. Aber lassen wir uns nicht verdrießen.

Das LSO und sein Chefdirigent Sir Antonio Pappano haben alles gebracht und brachten dem begeisterten Publikum noch eine Zugabe als Geschenk: Gabriel Fauré, „Pavane“. Ein Bravo den Künstlern, die bald wiederkommen mögen. Dank an Sir Antonio Pappano, der alles mit fester Hand geleitet hat. Er ist der Zauberer dieses Abends.

Inga Dönges, 11. Juni 2025


Baden-Baden Pfingstfestspiele
London Symphonic Orchestra
Festspielhaus Baden-Baden

6. Juni 2025

Hector Berloz Le Corsaire op. 21 Konzertouvertüre
Pierre Boulez Mémoriale
Pierre Boulez Livre pour cordes
Hector Berlioz Symphonie fantastique op 14

Dirigent: Sir Antonio Pappano
London Symphonic Orchestra