Eine Frau zwischen Illusion und Wirklichkeit – mit »María de Buenos Aires« des argentinischen Komponisten Astor Piazzolla bringt die Opera de Genève den Tango auf die Bühne und verwirklicht das Werk mit Frauen, mit wunderschönen Bühnenbildern und traumhaften akrobatischen Einlagen.
„María de Buenos Aires“ von Ástor Piazzolla ist weder Oper, noch Oratorium oder Ballett. Es ist eine Tango Operíta – Musiktheater zu Tangomusik. Mit einer surrealen mystischen Handlung und komplexer Poesie.
Seine kleine Tango-Oper entstand 1968, als der Tango längst salonfähig war. Sie erzählt die Geschichte von Leben und Tod Marias, die glücksuchend aus einem Vorort nach Buenos Aires kam und inmitten von Bettlern, Zuhältern und Obdachlosen sterbend zur mythischen Gestalt wurde. Nach Marias Tod streift ihr Schatten durch Buenos Aires, ohne Erinnerung daran, wem er einst gehört hat. All dies fasst der Librettist Horacio Ferrer in surreal-wuchernde Sprachbilder.
Wie inszeniert man ein Werk, dass nicht durch eine Handlung vorangetrieben wird, sondern durch eine Nummernfolge zusammengehalten wird?
Der Tessiner, aus Lugano stammende Daniele Finzi Pasca und sein argentinischer Ausstatter Hugo Gargiulo lassen ein grosses Zaubertheater entstehen zwischen Zirkus, Musical, Puppenspiel und Tanz.
Die Bühnenbilder sind vielfältig, faszinierend und beindruckend. Das Anfangs- und Schlussbild ist eine riesige Wand mit Grabkammern, aus deren Luken die Protagonisten herausschauen können und Maria verschwinden kann. Tänzer und Akrobaten der Compagnia Finzi Pasca beeindrucken mit wunderbaren Performances, sei es auf dem Eis oder im drehenden Rad am Boden wie in der Luft. Es herrscht Zirkusluft auf der Genfer Bühne. Die Akkrobaten sind Francesca Lanciotti, Jess Gardolin, MIcol Veglia, Alessandro Facciolo, Andrea Cerrato und Caterina Pio die das Publikum in den Bann ziehen und mit ihren wunderbaren Bewegungen bezaubern.
Die Besetzung der Hauptrollen erfolgt ausschliesslich aus Frauen.
Daniele Finzi Pasca hat sich entschieden mehrere Marias auf die Bühne zu bringen. Maria ist ein Symbol und steht für ein Schicksal, das grösser ist als sie selbst. Sie erzählt die Geschichte vieler Frauen. Für die Sopranistin Raquel Camarinha ist dies ein wichtiger Aspekt, insbesondere, wenn sie die bekannteste Arie der Oper „Yo soy Maria“ singt. Diese Arie wird am Schluss der Oper nochmals gesungen im Duett mit Ines Cuello.
Die Titelrolle, singt die portugiesische Sopranistin Raquel Camarinha mit viel Emotionen und Verve. Sie überzeugt durch Schöngesang und verleiht der Rolle die nötige Melancholie. Die Argentinierin Inés Cuello ist eine Wucht, sie brilliert mit ihrer wunderschönen Stimme die dem Gesang des Fado ähnelt, als Voz de un Payador. Der Bandoneonspieler ist Marcelo Nisinman. Der aus Buenos Aires stammende Dirigent Facundo Agudín leitet das Orchestre et Choeur de la Haute école de musique de Genève mit viel Temperament. Hervorragend disponiert ist auch der Cercle Bach de Genève unter der Leitung von Natacha Casagrande. Das Ensemble wird ergänzt durch die beiden Schauspielerinnen Melissa Vettore und Beatrix Sayard in der Sprechrolle des Duende, also des Geistes, der die ganze Geschichte um María de Buenos Aires herbeibeschwört.
Dieser faszinierende Abend im ausverkauften Haus wird vom Publikum mit Begeisterung und Ovationen verdankt
Marcel Emil Burkhardt 5. November 2023
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María de Buenos Aires
Ástor Piazzolla
Opera de Genève
Regie: Daniele Finzi Pasca
Dirigent: Facundo Agudín
Orchestre et Choeur de la Haute école de musique de Genève