Vorstellung am 16.12.2019
Uraufführung aus Anlass der Staffelübergabe Offenbach 2019 zu Beethoven 2020
Im Jahr 2019 ehrte Köln das Genie der Leichtigkeit – Jacques Offenbach wurde 200 Jahre alt. Die Musikwelt feierte den Geburtstag des deutsch-französischen Komponisten, dessen Musik bis heute Bestand hat. Jeder kennt den schmissigen Cancan aus Orpheus in der Unterwelt oder die Barcarole aus Hoffmanns Erzählungen – Welthits bis heute. Seine Welterfolge feierte der Erfinder der Operette in Paris, doch seine Wurzeln finden sich in Köln. Jacques Offenbach war ein Wanderer zwischen den Welten, vergöttert und verschmäht, als Jude, als Deutscher, als Franzose.
Das Offenbach-Jahr 2019 bündelte fast 400 Veranstaltungen der Sparten Musik, Theater, Tanz, Kunst und Literatur mit denen der berühmte Komponist gefeiert wurde. Höhepunkt bildete das Kölner Offenbach-Fest Piff Paff Puff um den Geburtstag des Künstlers am 20. Juni 2019. Neben Opernaufführungen, Theaterpremieren, großen und kleinen Konzerten und Musikpicknicks, lockten viele unterhaltsame und ungewöhnliche Events in Köln und Region.
Am 16. Dezember ging der musikalische Staffelstab mit einer Neuinszenierung Die zwei Tauben, beruhend auf Offenbachs Die zwei Blinden, nach Bonn zu 250 Jahre Ludwig van Beethoven. Das Offenbach-Jahr in Köln und Region verabschiedete sich damit augenzwinkernd mit dem Motto: YES, WE CAN CAN. An Bord der MS RheinEnergie wurde der Staffelstab der rheinischen Komponistenjubiläen hochoffiziell und musikalisch durch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker an den Bonner Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan im Beisein von Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen Armin Laschet übergeben.
Ludwig van Beethoven gilt als der meistgespielte klassische Komponist – und er war ein radikaler Künstler, der sich immer wieder neu erfunden hat, der die Grenzen der Musik erweiterte und die Gesellschaft in Frage stellte. Weltweit inspiriert er uns bis heute. Ziele des Beethoven Jubiläums sind zum einen die Vermittlung von Beethovens Werk sowie die Stärkung und Förderung innovativer Projekte, zum anderen die Steigerung der Bekanntheit Bonns als Beethoven-Stadt. Die Veranstaltungsvielfalt im Jubiläumsjahr 2020 bietet ganzjährig großartige Musikerlebnisse in unterschiedlichen Projektformen. In Konzerten, Ausstellungen, Opern, Tanz-, oder Theaterproduktionen, aber auch in Symposien und Bildungsprogrammen werden Beethovens Werke aus verschiedenster Perspektive beleuchtet: Von historisch-kritischen Aufführungen bis zu zeitgenössisch-künstlerischen Aktivitäten.
Zur Feier des Tages wurde an Bord die Uraufführung einer Adaption von Offenbachs Einakter Die zwei Blinden von Moritz Eggert und Patrick Hahn als erste und einzige Inszenierung dieses Stücks gegeben.Unter dem Titel Die zwei Tauben kommt es dabei zu einer imaginären Begegnung zwischen Jacques Offenbach und Ludwig van Beethoven, mitten auf dem Rhein.
Moritz Eggert (* 1965 in Heidelberg) ist ein deutscher Komponist und Pianist. Zu Eggerts bekanntesten Werken gehört der Klavierzyklus Hämmerklavier. Bisher schrieb er 7 abendfüllende Opern und mehrere Werke für Tanztheater und Ballett. Eggert ist seit 2010 Professor für Komposition an der Münchener Hochschule für Musik und Theater.
Die zwei Blinden
Szene 1. CO2
Monolog der Jackie O. aus dem verdunkelten Zuschauerraum heraus, durch den sie mit einer leuchtenden Taschenlampe den Weg durch die Zuschauerreihen zur Bühne sucht. Assoziativ bringt sie den Veranstaltungsort, dass Schiff RheinEnergie, mit Greta Thunberg, der CO2-Bilanz und dem Beethoven-Zitat Gibt es ein Leben vor dem Tode, oder danach? Ich wüsste nicht es klar zu sagen, welch eine Schmach … in Zusammenhang. Anschließend bescheinigt sie die Publikum einen Zustand des Scheintodes.
Szene 2. Prämortales Leben
Hinter dem Vorhang ertönt Musik. Der Beginn der Mondscheinsonate. O. öffnet den Vorhang. Dahinter zum Vorschein kommt ein Klavier. Am Klavier hängt ein Schild, worauf zu lesen ist: [Den] Tauben nicht füttern stören. Dahinter B. Er spielt und summt dazu. Weitere Instrumente auf der Bühne. Die zugehörigen Musiker schlafen.
B singt zur Melodie von Beethovens Mondscheinsonate Zitate aus dem Brief an die ferne Geliebte.
Von O. angesprochen erinnert sich B. an seine vorgebliche Taubheit und sucht mit einem Trichter, den er sich in der Funktion eines Hörrohrs an das Ohr hält, diesen Eindruck weiterhin aufrecht zu erhalten.
O. singt auf die Melodie von Fortunios Lied, von B. auf dem Klavier begleitet, weitere Textpassagen aus dem Brief an die ferne Geliebte.
B jedoch ist der Meinung, der Text müsse zeitgenössischer werden, worauf er eine Eggert-Version des Textes vorträgt.
Szene 3. Hörrohr
B trägt einen Bossa nova vor, dessen Inhalt schwer wiederzugeben ist. Einige Textzeilen sollen einen Eindruck vermitteln: Ja ich bin ein toller Tönesetzer, ein Regelbuchverletzer, ein Fugenmaschinator, ein Rhythmusterminator, ein harmonischer Wandler, ein handschriftlicher Sandler, ein handwerklicher Meister, Beschwörer ferner Geister, ein Neue-Form-Erfinder, Entlegenes-Verbinder, ein echter Überflieger, ein Genie, Akademie, fick dich ins Knie!
Es folgt ein Tango mit dem Titel Offenbachs Publikumsbeschimpfung, dessen Text bei Karl Kraus gestohlen wurde, getreu dem Kraus Motto: Ein Original ist heute, wer zuerst gestohlen hat.
Szene 4. Zukunftsmusik
O und B zocken über die Größe ihrer Leistungen.
B. So stellen Sie sich die Liebe vor? Meine Leonore hat Florestan aus dem Gefängnis befreit. Das ist Liebe. Das ist Gattenliebe!
O. Mein Orpheus hat seine Eurydike aus der Unterwelt zurückgeholt.
Ohne jedoch einen Gewinner des Wettstreites ausmachen zu können, entscheiden sie sich schließlich, gemeinsam zu musizieren und Zukunftsmusik zu machen. Es folgt ein gemeinsam vorgetragener Walzer mit dem Titel Wer liebt denn heute noch die Vergangenheit
Szene 5. Tatütata
In den Applaus der vorangegangenen Musik hinein mischt sich der Lärm einer Sirene (von einem Megaphon), die vom Harfen-Engel betätigt wird. Er kommt nach vorne, setzt sich einen Zylinder auf, und holt aus seinem Kostüm eine Schriftrolle. Der Harfen-Engel verliest einen Bescheid vom Ministerium für Kinder, Frauen, Bunte, Andersbegabte, Gedöns und Künstler. Abgekürzt: Kifbagk.
Anschließend singen B und O einen Can can mit neuem Text, wobei der Can can mit halbem Tempo vorgetragen wird.
Es klingt falsch. Es klingt billig. Es klingt ungekonnt. Aber auch der große Richard Wagner hatte sich mit dem Diktum auseinander zu setzen, seine Musik sei besser, als sie klinge. Was uns daher wieder veranlassen könnte, den Komponisten zu den ganz Großen zu zählen. Er selbst jedenfalls gibt an, den Bereich des atonalen weit hinter sich gelassen zu haben und deutlich in die Sphären des betonalen, sowie des cetonalen vorgedrungen zu sein.
Dass Eggert singen könnte, muss er sich kaum nachsagen lassen. Die Leidenschaft und spürbare Freude daran, es trotzdem zu tun, hat jedoch etwas ansteckendes.
Großartig ist Marlene Goksch, eine 22-jährige Schauspielerin, die in ihrer Partie mit höchster Anmut und Präzision eine äußerst lobenswerte Leistung zeigt.
In der Gesamtwirkung seiner Wort und Kompositionsbeiträge zum Gelingen der Feierlichkeit entsteht insgesamt der Eindruck, Moritz Eggert habe einen Gutteil seiner Ernährung auf Kryptonid umgestellt. Eine Vermutung, die ich jedoch nicht weiter überprüfen konnte, da Eggert, auch wenn sich unsere Wege an diesem Abend mehrfach gekreuzt haben, immer wir ein Dschinn davon geeilt ist, und für ein Gespräch nicht zu fassen war.
Insgesamt kann man das Werk Die zwei Tauben als kurz, trivial und heiter beschreiben. Und, das haben wir nun alle aus dem gelungenen Kölner Aufführunsmaraton zum 200. Geburtstag des großen Komponisten Jaques Offenbach gelernt, ist eines der größten Komplimente, die auch dem gefeierten Kölner Komponisten zur Ehre gereichen. Eggert hat sich vor Jaques Offenbach verneigt. Jaques Offenbach würde vermutlich antworten: Chapeau!!!
Die beiden Tauben, ein Anlasswerk von Moritz Eggert, das zur Repertoiretauglichkeit vielleicht noch einer kleinen Überarbeitung bedarf.
Herzlicher Applaus.
Ingo Hamacher, 18.12.2019
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