Operettenbühne Wien im Wetterglück bei besuchter Vorstellung am 18.08.2018
Die Operettenbühne Wien unter Prof. Heinz Hellberg gastiert mit der spritzigen Erfolgsoperette „Gräfin Mariza“ in der wunderschönen und eindrucksvollen Felsenbühne
Inzwischen gehört die Operettenbühne Wien längst nach Wunsiedel. Die Truppe um Heinz Hellberg ist seit vielen Jahren mit großem Erfolg auf der Felsenbühne heimisch. Seit 19 Jahren in Folge spielt man hier, freuen wir uns auf nächstes Jahr, dann hat man hier 20jähriges Jubiläum und insgesamt 23 Jahre besteht dann die Operettenbühne Wien. So lange kann man sich nur halten, wenn man immer wieder Spitzenqualität abliefert und seine Zuhörer und Zuschauer begeistert und mitreißt. Und bei der Bühne Hellberg ist es so, man freut sich am Schluss der jeweiligen Aufführung immer wieder gleich auf das nächste Jahr, und Heinz Hellberg bringt im Jubiläumsjahr die wunderschöne und leider nicht sehr häufig gespielte Oscar Strauss Operette „Ein Walzertraum“ mit. Am heutigen Nachmittag begrüßt der Chef der Operettenbühne Wien auf seine unnachahmliche charmante Wiener Art das Publikum, und der Satz, der den meisten Applaus erhält ist: „Es regnet nicht!!“. Und trotz angekündigtem schweren Regen bleibt es bis zum Schluss ein Kaiserwetter, so wie auch bei den vorangegangenen Aufführungen. Nichts stört die herrliche Musik bis auf ein ständiges unangenehmes Rauschen, was mich an einen Wasserfall erinnert, was für mich äußerst unangenehm ist und vielleicht von einer Klimaanlage kommt? Auf jeden Fall sollte man hier versuchen für Abhilfe zu sorgen. Bei der Musik und den Arien bekommt es nicht so mit, aber bei den leisen Stellen, den Dialogen, ist es schon sehr störend. Aber das ist auch der einzige Wehrmutstropfen, der an diesem Nachmittag in den Wein geschüttet werden muss. Die Inszenierung, die Aufführung, die Sänger, die Tänzer, das Orchester, alles in Höchstform und alles blendend aufgelegt. Doch nun der Reihe nach.
Heinz Hellberg (Bild rechts) der für die Regie und die Bühnenfassung verantwortlich ist, macht keinerlei Experimente, er will und muss sich nicht selbst verwirklichen, stellt sein Ego nicht über die Musik, sondern will die Operette so darbieten, wie sie gedacht ist und komponiert wurde. Mitreißend, lebendig, leidenschaftlich und ohne irgendwelche Sperenzchen. Das begeisterte Publikum merkt dies, merkt, dass hier die leichte Muse mit Herzblut und Leidenschaft dargeboten wird und dass man sie so behandelt, wie sie es verdient hat. Ich hatte diesmal einige sehr junge Freunde dabei, das erste Mal in einer Operette, völlig begeistert und sie haben mir gesagt, dass sie im nächsten Jahr aus jeden Fall wieder dabei sein werden. So gewinnt man die Jugend zur Operette, wenn schon unsere Fernseh- und Rundfunkanstalten nicht in der Lage sind, die gesamte Palette der Musik anzubieten, denn die Operette in erster Linie und auch die Oper fristen hier ein jämmerliches Mauerblümchendasein. Das hat die Operette nicht verdient und ein paar jugendliche und ach so supercoole Redakteure, die nie in ihrem Leben in einer Operette waren, sollten sich einmal überlegen, ob der Kulturauftrag, den man hat, und für den man hoch bezahlt wird, nicht auch die leichte Muse umfassen sollte, nein, umfassen muss. Warum bäumt sich das Operettenpublikum nicht endlich einmal auf und bombardiert die Sender mit Leserbriefen, Anschreiben, Kommentaren und ähnlichem, um endlich dafür zu sorgen, dass diese Musikform, die so vielen zigtausend Menschen Freude Vergnügen und Spaß bringt, nicht verschwindet. Die so oft totgesagte Operette lebt nämlich – und wie – und vor allem, wenn sie so dargeboten wird wie von der Operettenbühne Wien.
Hinreichend bekannt sein dürfte die Geschichte des Grafen Tassilo, der all seine Güter verkauft um die Schulden der Familie zu tilgen und sich als Gutsverwalter verdingt, um seiner geliebten Schwester eine standesgemäße Aussteuer zu ermöglichen. Er verliebt sich unsterblich in Gräfin Mariza, der Gutsherrin, und seine Schwester Lisa in den Baron Koloman Zsupan. Dieser wurde als Verlobter von Mariza erfunden, ohne dass sie wusste, dass es ihn wirklich gibt, um ihre vielen Verehrer abzuhalten. Nach vielen Irrungen und Verwirrungen finden sich am Schluss alle Paare, so wie es einfach in einer guten Operette zu sein hat. Graf Tassilo, dessen Tante seine verkauften Güter zurückgekauft hat, bekommt seine Mariza und Baron Koloman Zsupan will sein Eheglück mit Lisa, der Schwester des Grafen eingehen und alle sind glücklich und zufrieden. Und all dies wird gekrönt von mitreißender Musik, mit herrlichen ins Ohr gehenden Arien und unsterblichen Duetten, die ohne Umwege direkt in die Herzen des Publikums finden. Ein Publikum, welches für ein paar Stunden seine Alltagssorgen vergessen kann, abschalten, einfach nur entspannen und sich von dem herrlichen Zauber der Musik umschließen lässt. Fröhlich, die „Schlager“ der „Gräfin Mariza“ nachpfeifend verlässt man wohlgemut die Felsenbühne und freut sich, solch ein wunderbares Erlebnis gehabt zu haben. Man ist einfach nur glücklich und auch dies ist ein Grund, warum die gute alte Operette weiterleben muss und nicht aussterben darf.
Anete Liepina, David Hojsak
Lazlo Gyüker, leitet das Orchester der Operettenbühne Wien. Er ist ein ausgesprochener Operettenkenner und Operettenkönner und ein Dirigent, der weiß, was er seinen Musikern, aber auch seinen Sängern zumuten kann. Mit leidenschaftlichem Feuer lässt er die orchestralen Wogen sich erheben und über den Zuschauer zusammenschlagen. In dem Moment jedoch, wo er merkt, dass einer der Sänger ein bisschen Unterstützung benötigt, nimmt er diese Wogen behutsam zurück, um den Sängern etwas mehr Spielraum zu gewähren. Er ist in jedem Moment darauf bedacht, das bestmögliche aus diesem seinem Orchester herauszuholen und dies auch mit zur vollsten Unterstützung der Sängerdarsteller. Man merkt ihm an, mit welcher Leidenschaft, welchem Engagement, aber auch mit welchem musikalischem Feingefühl er bei der Sache ist und sein Orchester über mögliche Klippen hinweghilft. Die wunderschöne, einfühlsame und ausdrucksvolle Musik Emmerich Kálmáns wird von ihm mit Begeisterung dem Publikum nähergebracht und er wird förmlich eins mit seinen Musikern. So und keinen Deut anders muss Operette aufgeführt werden und so geht sie auch direkt in die Herzen der Zuhörer und Zuschauer. Wenn ich mitbekomme, dass Lazlo Gyüker das Orchester leitet, weiß ich, dass mir Spitzenklasse geboten wird. Das Bühnenbild wird von Adrian Boboc eindrucksvoll auf die Felsenbühne gebracht und deren riesige größenmäßige Gegebenheiten vollkommen in die Inszenierung eingebunden. Der Spielraum, der hier auf der imposanten Felsenbühne vorhanden ist, wird aufs vortrefflichste ausgenutzt, eine reife Leistung. Eine klasse Leistung auch von Lucya Kerschbauer, die für die Kostüme zuständig ist und farbenfroh, stimmig und eindrucksvoll einige ganz prächtige Hingucker präsentiert. Für die Choreographie zeigt sich Enrico Juriano verantwortlich und der Chor und auch das schmissige Ballett der Operettenbühne Wien können voll überzeugen.
David Hojsak, Viktor Schilowsky
Sandor Domoszlai, der ungarische Tenor, gestaltet den Grafen Tassilo Endrödy-Wittenburg. Er hat einen kräftigen, aber auch weichen und warmen, stimmschönen Tenor, der in der Höhe glanzvoll schmelzend zu strahlen vermag und auch alle Höhen problemlos erklimmt und der vom Publikum entsprechend gefeiert wird. Als Mariza kann die Koloratursopranistin Kerstin Grotrian voll überzeugen. Ihre Ausstrahlung ist schon einmal der erste Pluspunkt, ihr gut geführter, natürlicher und frischer Sopran umschmeichelt die Kalmannsche Musik. Mit klarem, voluminösem, stimmsicherem und stimmschönem Sopran weiß sie ihren Grafen, aber auch das Publikum voll um den Finger zu wickeln. Sowohl in den Soli als auch in den Duetten kann sie all ihre stimmliche Leidenschaft zeigen und zu Recht großen Applaus ernten.
Als zweites Paar wirbeln die junge in Riga in Lettland geborene Anete Liepina und ihr völlig ebenbürtiger Partner der in Ptuj in Slowenien zur Welt gekommene David Hojsak auf der Bühne herum, dass es eine wahre Freude ist. Bei beiden ist eine unheimliche Spielfreude zu erkennen, die das Publikum beeindruckt und sich auch auf dieses überträgt. Man merkt ihnen einfach die Lust am Singen, spielen und tanzen an, sie ergänzen sich auch wunderbar und sind das mit vielen Bravorufen bedachte Paar auf der Luisenburgbühne. Anete Liepina ist einfach ein Hingucker, anders ausgedrückt, sie ist reizend anzusehen und bringt das Herz so manches Besuchers etwas zum schnelleren Schlagen. Darüber hinaus besitzt sie einen vollen runden ausdrucksstarken schönen und weichen Sopran der weit über der einer Soubrette hinausgeht. Dann wirbelt sie auch noch über die Bühne, dass es eine wahre Freude ist und sie steckt mit ihrer guten Laune einfach alle an, die Mitkollegen, aber auch das Publikum, welches sich blendend unterhält. David Hojsak ist einfach ein Buffo par excellence. Er sieht gut aus, er spielt gut, er tanzt und wirbelt auf der Bühne dass es eine wahre Freude ist und er ist einfach mit Leib und Seele bei der Sache, man merkt ihm und auch seiner kongenialen Partnerin an, dass sie einfach Spaß und Freude an ihrer „Arbeit“ haben und dies überträgt sich auf das begeisterte Publikum. Stimmlich habe ich in den letzten Rezensionen immer angeführt, dass er noch ein kleines bisschen zu zurückhaltend ist, dass dies aber von Aufführung zu Aufführung besser würde. Und bei dieser Mariza merkt man, wie sehr er an sich gearbeitet hat. Seine Stimme ist wesentlich kräftiger, durchschlagender, voller und runder geworden, so wird er einer der ganz großen in diesem Metier. Die beiden sind neben dem Paar Mariza und Tassilo die Garanten für eine blendend laufende und vom Publikum überschwänglich gefeierte Operette. Wie immer, in allen Rollen nicht nur rollendeckend, sondern rollenbeherrschend, auch diesmal wieder Viktor Schilowsky als Fürst Moritz Dragomir Populescu. Man hört und schaut ihm einfach gerne zu und dazu besitzt der Wiener Bariton eine voluminöse, wohltönende volle Stimme, die er auch, selbst in dieser doch recht kleinen Rolle, voll einsetzt. Darstellerisch brauche ich nicht viele Worte zu verlieren, auch hier wieder eine Sonderklasse. Ohne Fehl und Tadel auch die Wienerin Sylvia Denk als Fürstin, die alles, was überhaupt nur machbar ist aus ihrer kleinen Rolle herausholt und zum Gesamtgelingen der Aufführung einiges beisteuern kann. Ein Komiker aus der ersten Reihe ist der aus Kärnten in Österreich stammende Gerhard Karzel der als Penizek, Kammerdiener der Fürstin, das Publikum nicht nur zum Schmunzeln, sondern auch zum schallenden Lachen bringt. Selbst in diese doch so kleine Rolle bringt er so viel Theaterleidenschaft, soviel Herzblut ein, dass man nur beeindruckt applaudieren kann. Iavor Radaovanov ist als Teschekko, der Diener von Mariza, immer präsent und bringt eine schöne Leistung auf die Bühne, ebenso wie Zornitza Gerginia die ihre Arie stimmlich tadellos anbietet.
Gerhard Karzel, Slvia Denk, Laszlo Gyüker, Kerstin Grotrian, Sandor Donmoszlai, Anete Piepina, David Hojsak
Großer, herzlicher und langanhaltender Beifall für die Operettenbühne Wien und seine Protagonisten. Meine Freunde und ich freuen uns schon heute, wenn im nächsten Jahr zum 20jährigen Jubiläum der „Walzertraum“ auf dem Programm stehen wird. Darauf freut sich das ganze Operettenpublikum, welches der Wiener Operettenbühne sehr treu ist, die wieder einmal ihr Publikum nicht nur überzeugt und fröhlich gemacht, sondern sie regelrecht begeistert und mitgerissen hat. So wollen wir Operette sehen und hören, so macht sie Spaß und so wird sie noch sehr lange leben.
Manfred Drescher, 19.08.2018
Fotos (c) Der Opernfreund, M. Descher