Aufführung im Felsentheater Wunsiedel 22.08.2015
Heitere Operette, die fast als Musical durchgehen kann verzaubert
Die Operettenbühne Wien unter Heinz Hellberg gastiert zum 16 Mal in der Felsenbühne Wunsiedel und bringt die Revueoperette „Maske in Blau“ zum Jubiläumsjahr. Die Luisenburg-Festspiele Wunsiedel feiern in diesem Jahr ihr 125jähriges Jubiläum. Zu Beginn der musikalischen Stücke waren bereits über 130.000 Besucher nach Wunsiedel geströmt – wieder einmal ein Rekord. Mit Rekorden kennt sich der Intendant der Felsenbühne Michael Lerchenberg aus. Der gelernte Schauspieler (unvergessen seine Auftritte in der „Lokalbahn“, „Wittiber“, „Brandner Kaspar“, dem „Bullen von Tölz“, dem unvergessenen Double von Edmund Stoiber und vieles vieles mehr) hat 2004 die Intendanz der Luisenburg-Festspiele Wunsiedel übernommen und die wunderschöne einzigartige Felsenbühne, die auch vor ihm schon ein Zuschauermagnet war, eilt unter seiner Leitung von Rekord zu Rekord. Er hat ein glückliches Händchen bei der Stückeauswahl und ist der Motor der Felsenbühne. Hoffen wir, dass er den Luisenburg-Festspielen noch lange erhalten bleibt.
Bereits seit 1999, also nunmehr 16 Jahren kommt Heinz Hellberg mit der Operettenbühne Wien nach Wunsiedel und auch mit der heutigen Vorstellung beweist er wieder, warum er Jahr für Jahr eingeladen wird und vor praktisch ausverkauftem Haus spielen kann. Er lebt die Operette und bringt sie farbenprächtig, ausgelassen mit exzellenten Singschauspielern auf die Bühne, die die Welt bedeuten. Er modernisiert die Operette nicht um dem Zeitgeist zu folgen, er passt höchstens das musikalische Arrangement der jeweiligen Operette an. Gerade bei „Maske in Blau“ die ja sehr viele Melodien enthält, die man auch den Anfängen des Musicals zuschreiben kann, ist dies von besonderer Bedeutung. Er selbst schreibt in seinem Programmheft: „Ich schreibe Operette in Anführungszeichen, da für mich die Musik von Fred Raymond der Vorläufer zum heutigen Musical ist. Ein Mix aus klassischen Liedern, heißen Rhythmen und schlagerähnlichen Melodien. Deshalb habe ich auch das Orchestermaterial neu arrangieren lassen, um den Sound der Musik der heutigen Zeit anzupassen.“ Ein schönes Bühnenbild, die Erfordernisse der Felsenbühne ausschöpfend und mit wenigen Umbauten versehen, dafür mit einer Unzahl von blauen Masken, im Rund der Bühne verteilt. Adrian Boboc hat hier das Beste aus der Möglichkeit der Bühne geschaffen und die Kostüme von Lucya Kerschbauer sind verschwenderisch, stimmig und farbenprächtig. Allein die Juliska muss vier oder fünf Kostümwechsel – vielleicht sind es auch mehr gewesen – durchstehen und eines ihrer Kostüme ist schöner als das andere. All dies macht dem Auge Freude und bringt manchen spontanen Applaus in die Aufführung. Es wird auch insgesamt nicht mit Applaus gegeizt, auch daran kann man ersehen, wie sehr es dem Publikum gefallen hat, wie sehr es mitgeht und wie die Melodien einfach ins Blut gehen. Das Orchester unter László Gyükér ist erstmals in einem groß dimensionierten Orchesterhüttchen, oder wie immer man das nennen soll, untergebracht. Natürlich ist dies bei Regen für die Musiker – und auch die Instrumente – viel besser, aber ich hatte das Gefühl, dass der Klang dadurch etwas gedämpft zum Publikum durchdringt und nicht mehr so frei und ungebunden wie in den zurückliegenden 36 Jahren, die ich bereits die musikalischen Auftritte in Wunsiedel besuche. Trotzdem hat er das Orchester im Griff, lässt auch gerne einmal die Pferde galoppieren um sich bei den Gesangsauftritten doch wohltuend und sängerfreundlich zurückzunehmen. Hellberg hat das Orchestermaterial neu arrangieren lassen, dadurch klingt alles etwas frischer, schmissiger, voller Pep, vielleicht ein ganz kleines bisschen zu jazzlastig. Aber da stehe ich mit meiner Meinung praktisch allein da, das Publikum jedenfalls geht begeistert mit und applaudiert voller Begeisterung. Wenn man es so sagen möchte, hat Hellberg versucht die Grenzen zwischen klassischer Operette und Musical zu verwischen bzw. anzugleichen. Der Chor und vor allem auch das sehr stark geforderte Ballett sind ausgezeichnet und überzeugen voll. Für die vorzügliche Choreographie zeichnet Enrico Juriano verantwortlich, bei der Maske muss man Mioara Dumitrescu lobend erwähnen.
Evelyn Valera, die schöne Plantagenbesitzern wird von Judit Bellai gesungen und gespielt. Und beides macht sie hervorragend. Mit schönem, leicht ansprechendem, in der Höhe leuchtendem Sopran verzaubert Judit Bellai nicht nur Armando sondern auch das Publikum. Als Armando Cellini kann der Tenor Thomas Markus brillieren. Sein durchschlagskräftiger, vollmundiger, strahlender und vor allen Dingen auch höhensicherer Tenor beeindruckt das Publikum und Signora Valera. Bei seinem Tenorschlager „Schau einer schönen Frau nicht zu tief in die Augen“, welches er Gott sei Dank nicht nur einmal singen muss, werden etliche Damen im Publikum schwach und würden sich selbst gerne von Thomas Markus nicht nur in die Augen schauen lassen. Beide exzellenten Singschauspieler harmonieren auch in ihren Duetten auf das vortrefflichste, was man gerade bei dem „Schlager“ „In dir hab ich mein Glück gefunden“ sehen und hören kann. Operettenseligkeit in Vollendung bei diesen beiden Ausnahmekünstlern. Ja und dann ist ja auch noch die Stütze der Operettenbühne. „Ja, das Temperament, ja, das Temperament, das liegt mir so im Blut“, dies scheint das Lebensmotto der Juliska in der Interpretation von Susanne Hellberg zu sein. Es ist nicht zu fassen, wie Susanne in immer wieder neuen und farbenprächtigeren Kostümen über die Bühne wirbelt. Gesanglich besticht sie mit Leidenschaft und Feuer und es ist fast nicht zu glauben, dass diese Ausnahmekünstlerin schon seit so vielen Jahren als Aushängeschild und Stütze der Wiener Operettenbühne agiert und all dies ohne scheinbar auch nur ein bisschen zu altern. Mit Alexander M. Helmer hat sie einen Partner, den man gerne einmal in größeren Rollen (auch im Bereich der Oper) sehen und hören möchte. Sie mit ungarischem Paprika, er mit spitzbübischem und leidenschaftlichem Feuer, dessen weicher und warmer Bariton aufhorchen lässt und dies auch schon seit geraumer Zeit bei dieser Bühne. Als Franz Kilian tritt David Hojsak auf, er bringt die Zuschauer mit seinem fröhlichen frischen Spiel auf seine Seite, vom gesanglichen her müsste er meiner Meinung nach noch etwas zulegen, da ist die Stimme momentan noch etwas zu klein. Der ergebene treusorgende Diener von Evelyn Valera wird überzeugend von Urs Mühlenthaler dargestellt. Präsent ist auch der Chef der Wiener Operettenbühne Heinz Hellberg, der den durchtriebenen und schmierigen Pedro dal Vargas darstellt. Er hat sich ein kleines Couplet in die „Maske in Blau“ geschmuggelt, bei welchem die Frauen der Schöpfung nicht so gut wegkommen. Tosender Applaus zeigt, dass auch dies gut ankommt, wenn es nur entsprechend vorgetragen wird. Mario Penev vervollständigt als Marchese Cavalotti das Ensemble.
Die Wiener Operettenbühne hat das Publikum wieder einmal über zwei Stunden begeistert, sie die Alltagssorgen vergessen lassen und sie mitgerissen. Die Operette wird, trotz aller Unkenrufe, nicht untergehen, solange es solche Aufführungen gibt und so freue ich mich schon heute auf das nächste Jahr in Wunsiedel, wenn „Der Bettelstudent“ auf dem Programm steht.
Kritik und Bilder von Manfred Drescher, 29.08.2015