Glyndebourne: „Der Barbier von Sevilla“, Gioachino Rossini

Zündender und frischer Rossini

Zum ersten Mal war ich in Glyndebourne in der immerhin schon 91. Saison, seit John Christie das Opernfestival, nach einem Beginn im berühmten Organ Room mit seiner Frau, die als bekannte Sopranistin daran nicht unbeteiligt war, gegründet hat. In the middle of nowhere in Südengland fährt man durch Wälder und Auen. Nirgendwo ein Schild mit dem Hinweis Glyndebourne oder gar dem Festival! Dann, auf einmal, sieht man dieses Festspielhaus mitten im romantischen Grünen zwischen Weiden mit vielen Schafen und ihren Jungen, und natürlich sieht man die Leute beim Picknick, schon vor Beginn der Oper! Das ist hier vielleicht sogar das Wichtigste, vor allem in den immerhin 90minutigen Pausen. Es gehört einfach dazu, und man schätzt es sehr! Man hat also seinen Sekt oder Champagner und kommt mit einem vom Festival zur Verfügung gestellten kleinen Karren mit den Tischen, Tischtüchern und Stühlen heran, schon vor Beginn der Oper. In der Pause sitzt man dann auf dem englischen Rasen oder am Ufer des kleinen Sees über eine Stunde zusammen – es ist eine unglaubliche Atmosphäre! Es sind generell Leute, denen es finanziell etwas besser im Leben gegangen ist – eine Jeanshose war jedenfalls nicht zu sehen…

© Glyndebourne Productions Ltd. Photo: Tristram Kenton

Der „Barbier von Sevilla“ von Giacomo Rossini war eine knallige, bunte und farbenfrohe zeitlose Produktion von Annabel Arden, die bereits 2016 hier ihre Premiere hatte und zwischenzeitlich noch einmal gezeigt worden war. Aber sie ist immer noch so frisch wie am ersten Tag und hat Elemente aus dem Leben Sevillas übernommen. Man sieht die in Südspanien typischen blauweißen Fliesen, die über die Nordafrikaner einst nach Spanien gebracht worden waren. Sie sind im Hintergrund der Bühne zu sehen. Man sieht auch diese spanischen Balkons und natürlich Flamenco-Kostüme. Sie sind ebenso wie die Bühne sehr phantasievoll entworfen von Joanna Parker.

Das Ganze hatte eine solche Zündkraft, Lebendigkeit und Dynamik, dass dieser „Barbiere“ dem Publikum den ganzen Abend über intensive Unterhaltung bot und es auch sichtlich mitriss. Daran hatte sicher der Mouvement Director Toby Sedgwick und der Revival Mouvement Director Maxime Nourissat erheblichen Anteil. James Farncombe und Revival Lighting Designer Kevin Treacy steuerten eine sehr gute Lichtregie bei, die die helle Ornamentik des Bühnenbildes bestens in Szene setzte.

© Glyndebourne Productions Ltd. Photo: Tristram Kenton

Das Sängerensemble, wie offenbar immer in Glyndebourne, war exzellent. Conde Almaviva Jonah Hoskins war ein sehr guter Tenor mit eher hellem Timbre, sehr lyrisch angelegt. Germán Olivera war ein phantastischer Figaro mit einem warmen Bariton, unglaublich spielintensiv und sehr komödiantenhaft! Er hat das Geschehen vorangetrieben, mit guter Stimme und großer Wirkung, wie es sich in dieser Oper gehört. Cecilia Molinari war eine hervorragende Rosina mit einer großartigen, hochemotionalen Darstellung, einer tollen Mimik und einem wunderschönen, facettenreichen Sopran. Fabio Capitanucci war Dr. Bartolo, ein Faktotum, ebenfalls stimmlich eindrucksvoll. Alessio Cacciamani war ein skurriler Basilio und Ailish Tynan eine gute und amüsante Berta. Alle waren wirklich erstklassig

Rory Macdonald dirigierte das London Philharmonic Orchestra und den Glyndebourne Chorus in der Einstudierung von Aidan Oliver musikalisch zündend mit sehr viel Verve. Das Publikum war regelrecht begeistert. Langer Applaus. Diese Inszenierung ist auch im dritten Aufführungsjahr seit ihrer Premiere immer noch ein Hit für Glyndebourne!

Klaus Billand, 28. Mai 2025


Der Barbier von Sevilla
Gioachino Rossini

Glyndebourne Festival

Besuchte Aufführung am 16. Mai 2025
Premiere 2016

Inszenierung: Annabel Arden
Musikalische Leitung: Rory Macdonald
London Philharmonic Orchestra