Köln: „Manon Lescaut“, Giacomo Puccini (2. Besprechung)

Zu Beginn der neuen Spielzeit setzt die Kölner Oper ein echtes Ausrufzeichen und präsentiert eine „Manon Lescaut“ der Spitzenklasse. Die Koproduktion mit Madrid zeigt, auf welch internationalem Niveau die Kölner Oper sich in Zukunft bewegen will und das gelingt bei diesem Opernabend außerordentlich. Regisseur Carlos Wagner bleibt dem Werk treu, öffnet aber immer wieder in assoziativen Bildern tiefergehende Blicke auf die Figuren. Dabei spielt er immer wieder mit Motiven, die Manon mal als Zirkusdirektorin mit der Peitsche, mal als im Käfig gehaltenes Tier zeigen. Nie wird es plakativ, aber auch in der Abstraktion bleibt alles schlüssig und dank einer exzellenten Personenführung absolut spannend. Dabei besticht der Abend durch eine leichte, feine Ästhetik für die Frank Schlößmann ein raffiniertes Bühnenbild geschaffen hat, das in seiner Atmosphäre und seiner changierenden Eleganz einen mehr als stimmigen Rahmen bietet. Die fein nuanciert abgestimmten Kostüme von Jon Morell (gerade im Chor bemerkenswert!) runden die Eleganz dieses Opernabends ab.

Besonders waren die Kölner auf den ersten Einsatz des neuen GMD Andres Orozco-Estrada gespannt. Dieser gelang mehr als fulminant, denn was der gebürtige Kolumbianer im Graben entfesselt, ist sensationell: Farbigkeit, fein abgestimmte Dynamik, ein lupenreiner Puccini-Klang in den Streichern, eine – so es im Staatenhaus möglich ist – sehr gute Balance zwischen Bühne und Graben und eine ansteckende Freude an der Musik, die am Ende des Abends das Publikum jubeln lässt.

Was diesen Abend neben einer exzellenten Inszenierung auch so bemerkenswert macht, ist die Besetzung: Angela Nisi möchte man wahrlich nicht als Zweitbesetzung bezeichnen, denn ihre Manon ist einer Premiere würdig und von höchster gesanglicher Qualität und überzeugt im Spiel nicht minder. Nisi lotet mit wunderbarer Stimme all die so verschiedenen Facetten ihrer Figur aus, lässt sich nicht zu Übertreibungen hinreißen, aber überrascht mit enormer Power, wenn es die Partitur erfordert. Mit Gaston Rivero als Des Grieuxan ihrer Seite hat sie einen gesanglich ebenbürtigen Partner und gerade in den Duetten klingen beide zusammen exzellent. Rivero zeigt sich im Spiel emotional, ja, manchmal etwas zu viel des Guten, aber das macht sein feiner, strahlender Tenor wieder wett. Ohne jegliche Kraftmeierei schafft er es sicher in die Höhen und vermag auch in intimen Piani zu überzeugen. Insik Choi als Lescaut gibt ein treffliches Rollenportrait ab und auch Christian Saitta als Geronte vermag zu überzeugen. In den kleinen Rollen ist vor allen Dingen Adriana Bastidas-Gamboa als Musiker zu nennen, denn diese Personalie ist eine wahre Luxusbesetzung. Die weiteren kleinen Rollen sind aber ebenso vortrefflich besetzt und fügen sich bestens in ein exzellentes musikalisches Gesamtbild ein.

Der von Rustan Samedov einstudierte Chor präsentiert sich mit großer Spielfreude und singt gewohnt homogen und klangschön. Am Ende des Abends jubelt das Kölner Publikum im nahezu ausverkauften Staatenhaus und das zu Recht. Wenn diese Qualität der neue Standard in Köln ist, dann spielt das Haus nun wirklich wieder ganz vorne mit, denn bei diesem Abend überzeugt alles und jedes „Bravo!“ war mehr als verdient.

Sebastian Jacobs, 5. Oktober 2025


Manon Lescaut
Giacomo Puccini
Oper Köln

Premiere: 28.September 2025
Besuchte Vorstellung: 4. September 2025

Inszenierung: Carlos Wagner
Musikalische Leitung: Andres Orozco-Estrada
Gürzenich Orchester Köln

Erste Besprechung