Premiere am 28.1.15 und 2. Reprise am 1.2.15
Wer Interesse am italienischen Operngeschehen hat, wird sich bei der Ortsangabe „Opera di Firenze“ wohl ein wenig wundern, denn als Opernhaus der toskanischen Hauptstadt galt bisher das Teatro Comunale. Doch dieses ist nun endgültig geschlossen (und angesichts seiner schlechten Akustik wird ihm auch keine Träne nachgeweint), und nach durch viele Schwierigkeiten (nicht zuletzt finanzieller Natur) immer wieder unterbrochener Bautätigkeit hat die Oper mit der Saison 2014/15 ihre laufende Tätigkeit aufgenommen. (Eine sogenannte Eröffnung im Dezember 2011 mit Beethovens „Neunter“ unter Zubin Mehta entsprach einem in Italien häufig geübten Schema, denn das Haus schloss gleich wieder, um die Arbeiten an der Bühnentechnik fortzusetzen). Gern hätte ich noch mehr über das Gebäude, die Bühne und den ästhetisch sehr gelungenen Zuschauerraum (1800 Plätze und ein Rang über dem Parterre) und vor allem die ausgezeichnete Akustik berichtet, aber der Text, auf den das Haus verweist, ist leider in „architettese“=Architektensprech geschrieben, sodass ich mir kein entsprechendes Bild machen konnte.
Nach Wolf-Ferraris „Il campiello“ und Verdis „Falstaff“ wurde die Opernsaison also mit einer Neuproduktion von Bellinis letzter Oper fortgesetzt. Deren hanebüchenem Libretto des Grafen Pepoli ist von Seiten der Regie nicht so leicht etwas entgegenzusetzen. Der junge Fabio Ceresa hatte den grundsätzlich guten Einfall, seine Auslegung an der Textstelle im 3. Akt festzumachen, wenn Arturo sagt, er sei ja nur drei Monate weg gewesen, und Elvira antwortet, es seien drei Jahrhunderte gewesen. Daraus lässt er eine Geschichte erstehen,in der Elvira und ihr Gefolge bereits tot sind und das Mädchen von Riccardo beweint wird. Wieso aber lebt er, wieso Arturo? Am Ende werden alle leblos zu Boden sinken – Logik wird also nicht unbedingt groß geschrieben. Das Bühnenbild von Tiziano Santi zeigt im 1. Akt in verzerrter Perspektive eine Kirchenkuppel, die im 2. schon im Zerfallen begriffen und im 3. ganz verschwunden ist. Eindrucksvoll und für den Herrenchor auch martialisch die Kostüme (Giuseppe Palella), die zum ästhetisch gerundeten Gesamteindruck beitragen. Noch stärker tut dies das light design von Marco Filibeck, dem mit dem Blick auf die betenden Chöre ganz großartige Bilder gelingen. Verzichtbar wie (fast) immer der Einsatz von fünf (diesmal den Gräbern entsteigenden) Mimen. Da die Produktion im TV übertragen wird und auch eine DVD herauskommt, wird sich zeigen, wie stark die szenische Wirkung bei weiter nicht ausgeprägter Personenregie sein wird.
Am Pult des Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino stand Matteo Beltrami, der uns ein intensives Bild von Bellinis musikalischen Qualitäten vermittelte, denn er ließ die berühmten langen, langen Bögen zwar voll ausschwingen (wobei er jeden Anschein von Süßlichkeit vermied), verlieh aber – in beidem unterstützt vom bestens disponierten Orchester – auch den bedrohlichen Farben der kriegerischen Chöre viel martialisches Gewicht. Hier muss auch der Coro del Maggio Musicale Fiorentino unter seinem Leiter Lorenzo Fratini wegen seiner differenzierten, aber stimmlich kompakten Gesangsleistung besonders gelobt werden.
Werden die „Puritani“ angesetzt, fragt sich jeder, wer wohl als Arturo auftreten wird, trotz der relativ kleinen Rolle, handelt es sich doch um eine mit sovracuti gespickte Partie, die von Giambattista Rubini bei der Uraufführung nonchalant ins Publikum verteilt wurden, aber, seit Gilbert Duprez die Töne des hohen Registers mit Bruststimme produzierte, zu einem besonderen Prüfstein für heutige Tenöre wurden. Mit Antonino Siragusa hatte man den Mann mit der bombensicheren Höhe, dem die hohen D’s weiter keine Schwierigkeiten machten. Leider ist sein Timbre von ausnehmender Hässlichkeit und die Stimme im Laufe der Jahre nicht obertonreicher geworden. Jessica Pratt als vorübergehend wahnsinnig gewordene Elvira führte vor, was in diesem Repertoire bombensichere Technik und glasklare Intonation bedeuten. Mit ihrer großen Landsfrau Joan Sutherland hat sie eine gewisse Distanz zur Rolle und nicht eben vorbildliche Sprachbehandlung gemeinsam. Als hoffnungslos liebender Riccardo versuchte Massimo Cavalletti zunächst, seine Stimme zu drosseln und sang seine schwierige Einstiegsarie passabel. Nach und nach fiel er aber wieder in seine schlechten Gewohnheiten zurück und forcierte, was das Zeug hielt. Giorgio, Elviras guter Geist, wurde von Gianluca Buratto mit viel Bemühen um den Belcantostil gesungen, doch liegt diesem jungen Mann (à propos: wo blieb die Maske? Die diversen Untoten waren doch auch toll geschminkt!) ein dramatischeres Repertoire wohl mehr. Rossana Rinaldi zog sich als Enrichetta (mit schwarzem Brautschleier!) recht gut aus der Affäre. Etwas grob klang der Gualtiero von Gianluca Margheri, präzise der Sir Bruno von Saverio Fiore.
In der Nachmittagsvorstellung am 1.2. war erstmals die Alternativbesetzung zu hören, aus der sich vor allem der junge Koreaner Julian Kim als Riccardo empfahl. Mit seinem weichen lyrischen Bariton ließ er eine vorbildliche Gesangslinie hören und zeigte, im Gegensatz zum Großteil seiner Landsleute, auch szenisch und mimisch große Teilnahme am Geschehen. Bravo! Der Mexikaner Jesús León hielt sich mit relativ kleiner Stimme recht wacker, „hatte“ auch die hohen D’s, die er aber nicht mit der Sicherheit von Siragusa sang. Die Venezolanerin Maria Almeida sang mit kleiner Stimme eine saubere Elvira, ohne bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Als Giorgio war Riccardo Zanellato stilistisch besser am Platz als sein Vorgänger, hätte aber mehr Empathie in seinen Gesang legen dürfen. Als Enrichetta ließ Martina Belli mit schönem Mezzo aufhorchen. Unverändert Gianluca Margheri und Saverio Fiore, und vor allem der Chor, der neuerlich eine große Leistung bot, und das Orchester, das Matteo Beltramis Zeichengebung hingebungsvoll folgte.
Eva Pleus 15.2.15
Bilder: Pietro Paolini / Terra Project