Es ist ja so einfach, das Vorspiel zu den Meistersingern zu dirigieren. Einfach mit der rechten Hand einen Viervierteltakt schlagen und durchhalten und mit der linken ein paar interpretierende Schlenker markieren. Fertig ist die Dirigierausbildung.

Scherz beiseite, auch wenn die Bayreuther Neuinszenierung der Meistersinger von Nürnberg heuer betont humoristisch daherkommt und noch einige Zeit eine Ausstellung mit historischen Wagner-Karikaturen im Neubau des Wagner-Museums besichtigt werden kann. Natürlich lernt man nicht in fünf Minuten das Handwerk, obwohl es manchen Dirigenten gibt, der genau das behauptet – wobei er stets anzufügen pflegt, das sich das Wesentliche nicht lernen lasse. In einer digitalen Dirigierstation kann der Besucher resp. die Besucherin sich „in einer Art Videospiel“, eine nicht ganz leichte VR-Brille auf der Nase, in einer Dirigenten-Galerie vor einem aus virtuellen Musikerattrappen bestehenden Orchester positioniert, nun am Meistersinger-Vorspiel üben: 1 – 2 – 3 – 4, und links ein paar Schlenker geschlagen. Man soll, heißt es, die Grundlagen des Taktschlags sowie die Basiselemente des musikalischen Ausdrucks wie Tempo, Rhythmus und Artikulation erproben, aber man ist schon dankbar, wenn man als Anfänger vom System die hineinblitzenden und durchaus motivierenden Hinweise bekommt, dass man das Tempo getroffen hat. „Das Orchester macht meine Ritardandi nicht mit“, sagte der das Dirigierhandwerk beherrschende Kirchenmusiker und Regierungspräsident Florian Luderschmid bei der Einweihung der Dirigierstation – man darf also gerne weiterüben.
In dieser Hinsicht folgt die neue Einrichtung den Dirigierstationen im Wiener Haus der Musik, wo man, wenn man den Takt mal wieder verschlägt, von einem konsternierten Orchestermusiker aus der letzten Reihe den Hinweis bekommt, dass man „das Stück wohl nicht kenne“ – gemeint ist der weltberühmte Radetzkymarsch… Im Leipziger Mendelssohn-Haus darf man die Ouvertüre zum Sommernachtstraum dirigieren, indem man selbst das Tempo festlegen kann, wobei sich die Tonhöhe der dirigierten Phrasen, egal ob im Adagio oder Vivace-Tempo angegeben, nicht ändert. Als Einführung in die ersten skills eines angehenden Hügel- und Wagnerdirigenten aber tut die Bayreuther Dirigierstation, weit unterhalb des Hügel, schon mal gute Dienste.
Frank Piontek, 22. August 2025
Richard-Wagner-Museum Bayreuth
Richard-Wagner-Straße 48
95444 Bayreuth