Tanz-Gala am 6.5.15
Schönheit, Eleganz, Botschaft
Choreographie: Maša Kolar, Pascal Schmidt, John Neumeier, Natalia Horecna
Künstlerischer Leiter: Kevin Haigen
Mit: Giaorgia Giani, Nicolas Gläsmann, Maria del Mar Hernández, Yehor Hordiyenko, Minju Kang, Pascal Schmidt, Teresa Silva Dias, Hélias Tur-Dorvault
Am Keyboard: Aike Errenst
Musik: Aike Errenst, Cole Porter, Georges Krier, Vincent Scotto, Ludwig van Beethoven, Max Richter, Georges Crumb, Kronos Quartett, Arvo Pärt
Acht junge Tänzerinnen und Tänzer zwischen 19 und 22 Jahren und aus acht Nationen bilden in dieser Spielzeit das Ensemble des von John Neumeier geleiteten Bundesjugendballetts. Mit vier Choreographien trat die Truppe am vergangenen Mittwoch im Remscheider Teo Otto Theater an – und verzauberte das Publikum im leider nur schwach besetzten Saal vom ersten Schritt und Ton an mit tänzerischer Grazie, der Faszination jugendlicher Schönheit, natürlicher Eleganz und aufblitzendem Humor – schließlich mit hoher reifer Dramatik.
Maša Kolars „Französische Chansons“ eröffnete den tänzerischen Reigen in heiterer Stimmung, zeigte durchaus von Pina Bausch beeinflußte Elemente zeitgenössischen Tanztheaters, verbunden mit populärer Musik bekannter Komponisten und stellte das Ensemble in gelöster, wenn auch virtuoser Performance vor. Augenzwinkernd wird Cole Porters „Let´s Do It (Let´s Fall in Love)“ als Synonym für das ewige Spiel der Liebe ein- und umgesetzt.
Pascal Schmidt, selbst Ensemblemitglied und erst 22 Jahre alt, hat zur Musik von Aike Errenst, die an den Keyboards begleitete, eine unerhört mitnehmende, rhythmisch gegliederte wuchtige Choreographie entwickelt. Ein faszinierendes Spiel auch mit Licht und Schatten.
Ludwig van Beethovens Streichquartett in B-Dur op. 130 diente John Neumeier zu einer zwar bereits 2012 konzipierten, aber als „Work in Progress“ sich fortentwickelnden Choreographie, die den Irrtum aufgreift, daß tatsächlich Kommunikation und Interaktion stattfinden. Gesten, Körpersprache, Blicke führen die Tänzer zueinander, aneinander vorbei und voneinander weg. Neumeiers klassisch geprägte Handschrift war unverkennbar – das stärkste, mit einer wichtigen Botschaft ausgestattete Stück des ersten Teils dieses kostbaren Abends.
Französische Chansons – Foto © Silvano Ballone
The Swirl of Snow Remains
Dem erschütternden seelischen Tribut derer, welche die Tragödien des Krieges miterleben mussten, der schmerzlichen Erinnerung von Opfern und Überlebenden gehörte nach einer angemessenen Pause der zweite, noch packendere Teil des Abends. Natalia Horecna hat den Verlust des Himmels, die sich ankündigende Apokalypse zu Musik von Max Richter, dem Kronos Quartet und Arvo Pärt für ihr Stück „The Swirl of Snow Remains“ in starke, fast Bruegelsche Szenen übersetzt. Vier „schwarze Engel“, von der Verwüstung des Krieges gezeichnet (Minju Kang, Nicolas Gläsmann, Hélias Tur-Dorvault, Pascal Schmidt), verlieren mit ihren Flügeln ihre letzte Unschuld, werden in die Hölle gestürzt. Nun Verkörperung des Bösen im Aufeninanderprallen der geschundenen Körper, rauben Sie in kraftvollen dramatischen Bildern der in weißer Unschuld das düstere Bild durchflatternden, Hoffnung tragenden Seele (Giorgia Giani) auch ihre himmlischen Flügel. Giani verkörpert das angstvolle flügellose Zucken beinahe zu Tränen rührend.Das Leichentuch wirbelnden Schnees scheint alles zu verhüllen. Neue Hoffnung kommt dennoch auf, als ein erst mutloses Kind (Yehor Hordiyenko) der Seele ihre Flügel wiedergibt, der verzweifelt klagenden Mutter (Maria del Mar Hernández) Trost spendet. Die Botschaft kam an. Ein bewegendes Erlebnis für das atemlose Publikum, das die Tänzer begeistert feierte.
The Swirl of Snow Remains – Foto © Silvano Ballone
Solch rare Tanzabende wie diesen findet man dank der seit Helga Müller-Serre in vielen Jahren bewährten hervorragenden Auswahl seiner Intendanz, jetzt unter Christian Henkelmann, in weiterer Umgebung nur im Remscheider Teo Otto Theater.
Frank Becker 15.5.15