Besuchte Vorstellung: 22. Juni 2014, (Premiere: 12. April 2014)
Giuseppe Verdis „Macbeth“ bietet viele Möglichkeiten der Aktualisierungen und kann in jeden beliebigen aktuellen Krieg verlegt werden. Sebastian Welker verortet das Stück in Saarbrücken jetzt im Mafia-Milieu und macht aus dem Kampf um den schottischen Thron einen internen Bandenkonflikt. Welkers Regie ist weitgehend schlüssig und stilsicher. Gleich während des Vorspiels wird ein Mafiaboss beerdigt und seine Mörder kondolieren der Witwe am Grab. Hauptschauplatz der Inszenierung ist der große Salon in Macbeths Villa. Hier wird der neue Boss Duncan von Macbeth erstochen, und das Bankett, bei dem sonst der gerade ermordete Banco erscheint, ist die Trauerfeier für Duncan.
Ein Hauptproblem jeder Macbeth-Inszenierung ist die Frage, wer oder was die Hexen sind? Welker macht aus ihnen die Geistererscheinung dreier Mädchen in weißen Kleidchen und Schleife im Haar. Diese Idee erinnert an die zwei Mädchen, die Regisseur Stanley Kubrick immer wieder in seinem Klassiker „Shining“ erscheinen lässt.
Von diesen scheinbar niedlichen Kindern geht in dieser Inszenierung tatsächlich eine latente Bedrohung aus. Dafür nimmt Welker in Kauf, dass die Frauenchöre aus dem Off erschallen. Unlogisch ist jedoch, dass der Regisseur dann zu den Geisterscheinungen des dritten Aktes doch den ganzen Frauenchor im Kleinmädchenkostüm auf die Bühne holt. Sehr schön und mehrdeutig gelingt der Übergang vom dritten zum vierten Akt: Macbeth und seine Lady nehmen die drei Mädchen als Kinder an und spielen mit ihnen. Dann läuft den Kindern Blut aus dem Mund und sie sterben, worauf Macduff in seiner großen Arie den Tod seiner eigenen Kinder betrauert. Eine logische Schwäche der Inszenierung betrifft die Titelfigur: Wie könnte ein Macbeth, der so stark von Gewissenbissen und moralischen Skrupeln geprägt ist, in der Mafia solch eine wichtige Rolle spielen? Macbeth wird im Original erst durch die Prophezeiung der Hexen und die Beeinflussung durch seine Frau zum Mörder. Ein Mafia-Macbeth darf aber kein Gewissen haben.
Der englische Bariton James Bobby singt den Macbeth so, als sei die Rolle für ihn komponiert worden. Die Stimme lässt er in den Arien frei strömen und setzt dabei kluge Höhepunkte. Die Zerrissenheit der Figur zwischen Machthunger und schlechtem Gewissen spielt und singt er auf den Punkt genau. Besonders eindringlich gelingen ihm die Hexenszene des dritten Aktes und seine große Arie vor der finalen Niederlage.
Die Lady Macbeth wird von Melba Ramos mit großem dramatischem Impetus gesungen. Ihr würde man auch hochdramatische Wagner-Partien wie Isolde und Brünnhilde zutrauen. Hiroshi Matsui singt einen sonoren Banco. Das Saarländische Staatsorchester wird von Marzio Conti zu einer starken musikalischen Leistung angespornt. Die lyrischen Passagen werden leicht ausmusziert, aber die Dramatik und permanente Bedrohung stehen im Zentrum der Aufführung.
Rudolf Hermes 24.6.14
Bilder Thomas M. Jauk