Schwarzenberg: „Schubertiade 2024“, Teil 2

© Schubertiade

Im Nachmittagskonzert des 28. August erfreuten Ilker Arcayürek und sein Begleiter Ammiel Bushakevitz mit einer gut durchdachten und eindringlich vorgetragenen Die schöne Müllerin von Franz Schubert. Mit kernigem Tenor ging Arcayürek den Liederkreis positiv gestimmt mit Das Wandern an und zeigte gleich, wie variantenreich man die Strophen vom ruhig fließenden Wasser über sich rastlos drehende Räder bis zu großen schweren Steinen und kleinen Kieseln darbieten kann. Ilker Arcayürek spielte im Laufe des Liederkreises mit seiner ausgefeilten Gesangstechnik; er überzeugte mit bruchlosen Übergängen zur Kopfstimme, wunderbarer Legato-und piano-Kultur bei durchweg textverständlicher Diktion. Besondere Akzente setzte er z.B. bei den dramatisch zugespitzen Mein! und Die böse Farbe, Dramatik pur erlebte man im Der Jäger, und mit so deutlich innerer Überzeugung habe ich Trockne Blumen bislang selten gehört.

Als hervorragender Liedbegleiter begeisterte einmal mehr Ammiel Bushakevitz, der bei durchaus eigener Akzentsetzung den Charakter der Lieder sehr gut traf, sich ganz in den Dienst des Sängers stellte, auf alle Nuancen einging und ihm die Wege bereitete, Strophen elegant verband sowie Nachspiele fein verklingen ließ; herrlich, wie er z.B. die schweren Steine in Das Wandern poltern, das Bächlein in Wohin?  dezent im piano rieseln oder Des Baches Wiegenlied ruhig abphrasiert verklingen ließ.

Das Publikum dankte dieser hervorragenden Interpretation der beiden Künstler mit überschwänglichem Applaus. (ME)

© Schubertiade

Auch am Abend konnten die Künstler des Kammerkonzerts tosenden Applaus und ernten, und das völlig berechtigt. Das nunmehr über zwanzig Jahre bestehende Quatuor Modigliani aus Paris (Amaury Coeytaux, Loic Rio, Laurent Marfaing, Francois Kieffer) gehört schon seit langem in die erste Reihe der weltweit konzertierenden Streichquartette und begeisterte jetzt gemeinsam mit dem Cellisten Clemens Hagen mit einer eindringlichen Interpretation des vielschichtigen Streichquintetts C-Dur D 956 von Franz Schubert, das wie die berühmten Liederkreise und das Forellenquintett in jeder Schubertiade ein „Muss“ ist. Im Eingangs-Allegro ma non troppo wurden die wunderschönen Kantilenen mal von den beiden Geigen, mal von Bratsche und Cello I oder auch von beiden Celli, genüsslich ausgekostet, jeweils von den anderen delikat begleitet. Das Zentrum des Quintetts, das Adagio, erhielt durch die Musiker mit unglaublich leisen Abschwüngen eine selten zu erlebende Intensität. Dass sich hierbei das wie selbstverständlich perfekte Zusammenspiel positiv auswirkte, sollte man ebenso erwähnen wie die technische Brillanz, über die alle verfügen. Auf das mit hoher Virtuosität dargebotene Presto mit dem geradezu mystischen Trio (Andante sostenuto) folgte das fast fröhliche Finale (Allegretto), in dem der Primarius noch einmal mit ausgesprochen tonschönen Kantilenen auffiel, und das mit dem fulminant servierten, Beifall herausfordernden Schluss das denkwürdige Konzert beendete.

Im ersten Teil stellte das Quatuor Modigliani die duftige, elegante Atmosphäre der Italienischen Serenade G-Dur von Hugo Wolf meisterhaft heraus. Mit klassischer Klarheit spielte es sodann aus der Reihe der frühen Streichquartette op.18 Nummer 3 in D-Dur von Ludwig van Beethoven. Dabei war bemerkenswert, dass trotz reichlich schneller, im Presto geradezu rasanter Tempi in den Ecksätzen die Durchhörbarkeit der kompositorischen Entwicklung stets erhalten blieb. Die Mittelsätze wurden einfach schön ausmusiziert, aber besonders im Andante con moto wurden auch Emotionen durchaus zugelassen. Bereits dieser erste Konzertteil wurde mit starkem Beifall belohnt. (GE)

© Schubertiade

Schwere Lied-Kost wurde am Nachmittag des 29. August zu einer Sternstunde des Gesangs in bewegenden Interpretationen von Andrè Schuen und Daniel Heide. Zum Auftakt stellten die Künstler Vier ernste Gesänge von Johannes Brahms in den Raum, eine tief empfundene Wiedergabe der biblischen Texte. Da gelang mit die in Denn es gehet dem Menschen wie dem Vieh die Hinführung bis zur überzeugten Aussage …denn daß der Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit, denn das ist sein Teil ebenso eindrucksvoll wie die nachdenklichen Worte über erlittenes Unrecht der Menschheit in Ich wandte mich und sahe an. Besonders intensiv war O Tod, wie bitter bist du mit dem deutlich herausgestellten Kontrast ab der Zeile O Tod, wie wohl tust du… Den Höhepunkt bildete das vierte Lied, Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete, das bereits vier Jahre früher als die anderen drei Lieder komponiert wurde und hier mit großer Überzeugungskraft in der Aussage gipfelte …aber die Liebe ist die größeste unter ihnen. Daniel Heide war dem technisch und gestalterisch in den letzten Jahren enorm gereiften Bariton ein ebenbürtiger Partner, dynamisch und interpretatorisch eine sichere Stütze, der auch eigene Impulse einbrachte. Es folgten Lieder von Gustav Mahler aus „Des Knaben Wunderhorn“: Für Revelge legte der Pianist gleich einen flotten Marschschritt vor, den der Sänger in dem grausigen Lied mit den unterschiedlich ironisch-satirisch gefärbten Einwürfen Tralali, tralalei… fortführte. Im ruhigeren, Wo die schönen Trompeten blasen kam die exquisite Legato-Kultur des Sängers zum Tragen. Die Versuchung des Gefangenen durch seine Liebste im Lied des Verfolgten im Turm dagegen lässt ihn trotz zwischenzeitlicher Unsicherheit zum entschiedenen Es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei zurückkehren! Der Schildwache Nachtlied bestach nach starken Wach-Rufen mit langem Atem und pianissimo-Ausklang. Das fröhlich lockere Rheinlegendchen und das emotionale Zu Straßburg auf der Schanz leiteten über zum Urlicht, das Andrè Schuen mit perfekt beherrschtem, gestütztem piano quasi aus dem Nichts entwickelte. Mit der kleinen Kostbarkeit Geheimes startete der letzte Block mit Brahms-Liedern. Mit dem aufrauschenden Vorspiel zu Verzagen wurde elegant die Grundlage zum Auf und Ab der Wellen im Vergleich zum ungestümen Herz gelegt. Auf dem Kirchhofe, dass in den Schlusszeilen den Choral Wenn ich einmal soll scheiden zitiert, beeindruckte ebenso wie der lyrische Lerchengesang mit feiner mezza voce. Der Arpeggien-reiche Klaviersatz zu Wie bist du, meine Königin, durch sanfte Güte wonnevoll! bildete ideal den klanglichen Hintergrund zu der sehnsuchtsvollen Gesangsmelodie, die Brahms später zu den Schlussworten des vierten ernsten Gesangs noch einmal verwendete. Mit dem ruhig fließenden Mondenschein und der kurzen, frisch dargebotenen schottischen Ballade Entführung wurde das spannende Programm abgerundet. Die beiden Künstler bedankten sich ihrerseits hoch motiviert für den enthusiastischen Applaus des Publikums mit Brahms‘ Da unten im Tale sowie Richard Strauss‘ Morgen. (ME)

© Schubertiade

Ein großer Vorzug der Schubertiaden ist die Möglichkeit, immer wieder auch extra zusammengestellte Vokal-Ensembles zu erleben. So hörte man zum Abendkonzert am 29. August ein wahrlich exquisites Gesangsquartett, bestehend aus den profilierten Solisten Katharina Konradi (eingesprungen für die erkrankte LouiseAlder), Sophie Rennert, Patrick Grahl und Konstantin Krimmel.Gemeinsam mit dem Doyen der Liedbegleiter Helmut Deutsch und der aufstrebenden italienischen Pianistin Michela Sara De Nuccio musiziertensiealle Liebeslieder-Walzer von Johannes Brahms. Dieser hat bekanntlich bedauert, nicht so schöne Walzer wie Johann Strauß komponiert zu haben. Das hat er dann allerdings auf seine Weise mit den Liebeslieder-Walzern nachgeholt. Durchgehend im beschwingten Dreivierteltakt erklangen zunächst die berühmten ersten Liebeslieder nach der Polydora-Sammlung von Georg Friedrich Daumer. Hier gefiel besonders, wie gut die Stimmen zueinander passten, wenn es auch im ersten Teil ein kleines Übergewicht des klaren Soprans von Katharina Konradi gab. Gemeinsam schwelgten die noch jungen Solisten in den jeweiligen, meist heiteren Stimmungen, was sich sofort ins Publikum übertrug. Vereinzelte Soli sorgten für Abwechslung, wie das humorige Männer-Duett O die Frauen, das die Frauen schelmisch mit Wie des Abends schöne Rose erwiderten. Besonders tonschön auf Linie führte Patrick Grahl seinen lyrischen Tenor durch Nicht wandle, mein Licht. Gestaltungsvielfalt zeichneten die Lieder Am Donaustrande, da steht ein Haus und O wie sanft die Quelle aus, wobei letzteres im Wortsinn „sanft“ erklang. Anschließend sang das Quartett, von den beiden Pianisten vierhändig trotz gehobener technischer Ansprüche virtuos begleitet, Liebesgedichte aus Goethes West-östlichem Divan von Hans Huber (1852-1921), dem schweizerischen romantischen Komponisten und Leiter des Konservatoriums Basel. Hier wie auch in den nach der Pause erklingenden, kunstvollen Brahms-Quartetten op. 92, von Helmut Deutsch prägend am Klavier begleitet, waren die Gesangsstimmen noch stärker ineinander verschränkt als in den Liebesliedern, was üppigen Wohlklang ergab. Die Neuen Liebeslieder-Walzer, wieder vierhändig begleitet, gaben neben unterschiedlichen Quartetten die Gelegenheit zu mehreren Soli: Katharina Konradi ließ in Rosen steckt mir an die Mutter die „Rose“ wahrhaft „aufblühen“, während Sophie Rennert ihren charaktervollen, in allen Lagen abgerundeten Mezzo in Wahre, wahre deinen Sohn akzentreicheinzusetzen wusste. Auch die Soli der Männer gefielen durch ansprechenden Interpretationen von Ich kose süß mit der und der (Grahl) und Ihr schwarzen Augen (Krimmel), bis alle sich mit Goethes Gedicht Zum Schluss: Nun, ihr Musen, genug! bei den Musen bedankten und sich verabschiedeten, allerdings nicht ohne Zugaben für das begeisterte Publikum: Wie schon am Nachmittag gab es nun als Chorsatz das bekannte Brahms-Volkslied Da unten im Tale und die Wiederholung von Wenn so lind dein Auge. (GE)

© Schubertiade

Das für uns letzte Konzert der diesjährigen Schubertiade in Schwarzenberg bestritten am 31. August Konstantin Krimmel und Ammiel Bushakevitz mit einem programmatisch gemischten Liederabend. Der ausdrucksstarke Sänger mit steiler Karriere vor allem im Liedbereich, aber auch mit klassischen Opern-Partien eines lyrischen Baritons (Papageno, Harlekin, Guglielmo und demnächst sogar Don Giovanni) interpretierte zunächst den hochromantischen Eichendorff-Liederkreis  von Robert Schumann. Sein zurückhaltendes, fast introvertiertes Auftreten wollte nicht so recht zu der Gestaltungsintensität passen, die man dann erlebte, sobald er mit der ausgefeilten Ausdeutung der Lieder begann. Da stellte man schnell fest, dass er seinen angenehm timbrierten Bariton bei guter Textverständlichkeit sicher durch alle Lagen zu führen wusste. Auch hörte man gutes Legato und beste Intonation. Die Interpretation allerdings dürfte teilweise Geschmackssache sein: Für meine Begriffe wählte er in den Liedern In der Fremde, Auf einer Burg, Wehmut und besonders in der bekannten Mondnacht sehr gedehnte Tempi, was er durch lang gezogene Vokale erreichte und was trotz des „langen Atems“, über den er wie selbstverständlich verfügt, jeweils zu einem Spannungsabfall führte. Ganz anders kamen dagegen Waldesgespräch sowie die drei letzten Lieder des Liederkreises daher, wenn hier die unterschiedlichen Stimmungen dem Inhalt entsprechend gut gestaltet wurden. Warum dem ausgesprochen hoffnungsvoll endenden Liederkreis („Sie ist deine, sie ist dein!“) noch die Vertonung des melancholischen Eichendorff-Gedichts Der Einsiedler hinzugefügt wurde, hat sich nicht recht erschlossen. Nicht vergessen darf man den ausgezeichneten Pianisten, der mit nun wirklich einfühlsamer Begleitung die Gestaltungsvielfalt des Sängers unauffällig, aber wirkungsvoll unterstützte.

Nach der Pause gab es zunächst Fünf Rumänische Lieder von Eusebius Mandyczewski (1857-1929); der ukrainische Musikwissenschaftler war zeitlebens in Wien tätig, u.a. als Leiter der Wiener Singakademie. Eng mit Johannes Brahms befreundet, spielte er vor allem durch die Herausgabe von Schubert-, Haydn- und Brahms-Gesamtausgaben eine bedeutende Rolle. Bei diesen im rumänischen Original gesungenen Liedern zeigte Krimmel erstaunliche Flexibilität und sogar Leichtigkeit in der Stimmführung, sodass die ersten drei eher gefälligen Lieder ebenso angemessen zur Geltung kamen wie die letzten beiden sehr ernsten. Eine Reihe ebenfalls hochromantischer Lieder von Johannes Brahms beschlossen den Liederabend. Schön schlicht und wieder mit kunstvollem Legato erklangen Meerfahrt und Feldeinsamkeit ; die Kontraste in Auf dem Kirchhofe wurden gut herausgestellt; auch hinterließen die  gewaltigen Steigerungen in Die Mainacht tiefen Eindruck. Mit der hochdramatischen Heine-Ballade Belsazar von Robert Schumann bedankten sich die beiden hochkarätigen Künstler bei dem wieder begeistert applaudierenden Publikum. (GE)

Marion und Gerhard Eckels, 1. September 2024


Schubertiade Teil 2
Angelika-Kaufmann-Saal
Schwarzenberg (Vorarlberg)

Schubertiade 24. August bis 1. September 2024
Künstlerische Leitung: Gert Nachbauer

Weitere Schubertiaden: 2. – 6. Oktober 2024 + 26. April – 4. Mai + 10. – 14. Juli + 1. – 5. Oktober 2025 in Hohenems und 21. – 29. Juni + 23. – 31. August 2025 in Schwarzenberg