CD: „Dora Pejačević“, Das vollständige Klavierwerk

Das Klavier stand für Dora Pejačević im Mittelpunkt ihres kompositorischen Schaffens. Ihre Entwicklung beim Niederschreiben ihres Klavierwerks ist hoch beeindruckend und währte 25 Jahre (1896-1921). Die spätromantische Klangfärbung ist in allen Werken ein klares Erkennungsmerkmal. Pejačević und das Klavier gehörten zusammen. Mit diesem Instrument gab sie ihren musikalischen Ideen reiche Gestalt. Der nuancierte Reichtum und die hohe Sensitivität für das Instrument zeigt sich in den großen Anforderungen ihrer Kompositionen. Als Meisterin der Polyfonie verstand sie es vortrefflich, das Klavier immer wieder orchestral klingend einzusetzen. Natürlich geben ihren Kompositionen dem Vortragenden virtuose Figurationen und komplexe Akkorde, um pianistisch zu brillieren.  Manche Miniaturen sind sehr kurz geraten und bewegen sich zeitlich zwischen ein bis drei Minuten. Es spricht sehr für die Kunstfertigkeit von Pejačević, das selbst diese kurzen Augenblicke intensive musikalische Ausdrucksmomente sind. Die beiden Sonaten nehmen in ihrem Schaffen einen besonderen Platz ein, da im Gegensatz zu den vielen Miniaturen Fragen der Form und ihrer Weiterentwicklung eine wichtige Rolle spielten. Die erste Sonate in b-Moll, Op. 36 (1915) ist üblich, traditionell dreisätzig. Ganz anders und daher ungewöhnlich ihre zweite Sonate in as-Dur, Op. 57 (1921), die als eine einsätzige Sonaten-Fantasie komponiert wurde.

Ihre „Fantasiestücke“ oder auch das „Blumenleben“ klopfen stilistisch und melodisch an die Türen anderer Meister, wie z.B. Schumann oder Mendelssohn. Beeindruckend ist wiederum die melodische Kraft und die Farbigkeit ihrer Musik. Der „Blütenwirbel“ und die beiden „Nocturnes“ gehen stilistisch andere Wege. Deutlich sind Einflüsse des Impressionismus zu hören. Viel Ornamentik und die Verwendung von Ganztonleitern geben den Werken einen starken atmosphärischen Reiz. Faszinierend ist das „Impromptu“ in seiner Wirkung. Nach einem ruhigen Beginn steigert sich die Komposition zu einem beeindruckenden Höhepunkt. Der „Valse de concert“ lässt Erinnerungen an Salonmusik wach werden. Ein besonderer Schlusspunkt der ersten CD ist die „Erinnerung“. Nach einem ruhigen romantischen Beginn belebt sich das Werk. Pejačević ist hier harmonisch kühner zu erleben, was sich in einem besonders eindrücklichen Finalmoment zeigt.

Die zweite CD beginnt zunächst mit kurzen Walzer-Capricen, die virtuos und filigran im wirkungsvollen Wechselspiel sind. Neun Stücke selbst erscheinen als Mischung aus Wiener Walzer und Mazurkaweisen à la Chopin, immer in ganz eigener Gestalt, auch Witz und Ironie tauchen in charmanter Weise auf. So zart ist die „Berceuse“ und macht regen Gebrauch unterschiedlicher Tonarten, die eigene Chromatik blickt musikalisch in die Zukunft. Auch in den weiteren Werken auf der zweiten CD ist die kompositorische Weiterentwicklung spannend. Die Harmonik wirkt gewagter und häufig auch gebrochener. Am weitesten entwickelt scheinen hier die beiden „Klavierskizzen“, die reichlich Chromatik verwenden. Im Gegensatz dazu stehen die beiden „Intermezzi“, die in der Klangfärbung deutlich die französische Musikwelt beschwören. Die finalen Werke dieser Aufnahme zeigen staunenswert, z.B. bei der „Humoreske“, wie intensiv eine knappe Minute mit Musik befüllt werden kann und doch ein intensives Hörerlebnis ist.

Auf dieser erlebnisreichen Doppel-CD widmet sich die international erfolgreiche Pianistin Nataša Veljković den Klavierwerken der großen kroatischen Komponistin. Nataša Veljković ist eine wunderbare Interpretin dieser so vielschichtigen Musik. Virtuos und jederzeit souverän musiziert sie frei und losgelöst. Mit stark kantablem Ton und kluger Phrasierung nimmt sie den Zuhörer mit auf eine eindrückliche Erlebnisreise. Besonders zu rühmen ist dabei ihre Anschlagskunst, die immer treffsicher in der dynamischen Dosierung ist und sensibel auskostet.

Aufnahmetechnik und Dokumentation sind vorbildlich. Sehr empfehlenswert!

Dirk Schauß, 26. März 2023


Doppel-CD

cpo 555 003-2

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