Aufführung am 5. Juli 2016
In musikalischer Kooperation mit Hagen
Auch in Städten mit kleinerem Orchester möchten Konzertbesucher gern einmal Werke für ganz grosses Orchester live erleben, also etwa Symphonien von Gustav Mahler. Auch möchten dort die örtlichen Dirigenten gern zeigen, wie sie mit ganz grossem Orchester, dann noch mit Solisten und Chor, ihre musikalische Ideen verwirklichen können. So wurde etwa in einer Aufführung der 2. Symphonie von Gustav Mahler im Jahre 1993 unter dem damaligen GMD Will Humburg das Orchester aus Münster durch die Neubrandenburger Philharmonie verstärkt. Längerfristig vereinbart wurde eine solche musikalische Zusammenarbeit unter abwechselnder Leitung durch die beiden jeweiligen Chefs zwischen den Orchestern von Münster und Hagen, damals noch ohne Kenntnis der heutigen finanziellen Schwierigkeiten beim Theater Hagen. Musiker aus Münster halfen in Hagen vor einiger Zeit bei der „Alpensinfonie“ von Richard Strauss mit.
Im Gegenzug entstand jetzt wiederum eine Aufführung der 2., der „Auferstehungs – Symphonie“, von Mahler in c-moll für Sopran, Alt, gemischten Chor und Orchester durch das Sinfonieorchester Münster in Kooperation mit dem Sinfonieorchester Hagen unter Leitung des Münsteraner GMD Fabrizio Ventura. Das Alt-Solo im vierten und fünften Satz sang Lisa Wedekind, im fünften Satz kamen sängerisch hinzu Eva Bauchmüller mit dem Sopran-Solo und der Konzertchor Münster (früher Chor des Musikvereins) einstudiert von Boris Cepeda und die Capella Vocale Münster einstudiert von Daniel Lembeck.
Eine abendliche und eine ganztägige Probe mußten genügen, um die beiden Orchester wieder zu einem Klangkörper verschmelzen zu lassen. Das Ergebnis konnte sich hören lassen!
Das zeigten die vereinten Spieler von Celli und Contrabässen im Zusammenspiel gleich im 1. Satz – Allegro maestoso – mit dem schroffen Beginn, aber auch später bei kontrapunktischer Begleitung anderer Instrumentengruppen etwa in Triolen oder punktierten Sechzehnteln. Auch die vereinigten Bläser überzeugten, so mit dem marschähnlichen Hauptthema – passend zur Bezeichnung des Satzes „Totenfeier“ . Die gewaltigen Gegensätze zwischen den oft dissonanten Tutti-Akkorden, besonders dem vor Einsetzen der Reprise, den lyrischen Zwischenspielen und verklingendem pppp der Streicher (bis zum gänzlichen Aufhören)wurden großartig hörbar. Nach dem wild gespielten chromatischen Absteigen aller Instrumente über zwei Oktaven vom ff bis pp zu Ende des ersten Satzes dauerte gefühlsmässig die Pause nicht die von Mahler vorgeschriebenen fünf Minuten.
Dafür hat man den Ländler des zweiten Satzes schon langsamer gehört, „sehr gemächlich“ oder „Ja“ nicht eilen“ schreibt Mahler vor. Ganz delikat klang bei der dritten Wiederkehr das Ländler-Thema gespielt vom Pizzicato der Streicher begleitet von Flöten und Harfen, mit deren Glissando der Satz fast abschloß.
Grossen Spaß bereitete dem Hörer der dritte Satz auf die Melodie eines von Mahler vertonten Gedichts .“Des Antonius von Padua Fischpredigt“ Er begann mit einem Paukenschlag – hier und den ganzen Abend hindurch war das vielfältige Schlagzeug zu bewundern. Dann hörte man das Thema in dauernder ziemlich rascher Bewegung durch alle Instrumente hindurch wie ununterbrochenes Fliessen des Wassers und der darin schwimmenden Fische. Mahlers witzige bis ins Groteske gesteigerte Instrumentation einschließlich etwa Schläge einer Rute wurde deutlich musikalisch dargestellt, Ob gepredigt zu Fischen, die nicht hören können, oder zu Menschen, die nicht hören wollen, hat denselben Erfolg, sollte der Satz wohl bedeuten.
Entstammte schon der hier nicht gesungene Text zur „Fischpredigt“ der Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“, so wurde aus derselben Sammlung das Gedicht „Urlicht“ (O Röschen rot) nun von Lisa Wedekind gesungen. Weitgehend textverständlich traf sie die für ihre Mezzo-Stimme tiefen Töne der Alt-Partie und auch der Sprung über eine Oktave im pp bereitete ihr keine Schwierigkeiten. Für ihre Begleitung verdiente die Solo-Geigerin besonderes Lob. .
In Entsprechung zum ersten Satz „Totenfeier“ war nun der letzte Satz „Auferstehung“ auf eine von Mahler textlich veränderte Ode von Klopstock der gewaltige Schlußpunkt des Abends. Auch hier schafften Celli und Contrabässe „wild herausfahrend“ exakt den schroffen Beginn. Auch hier wurden wieder stark akzentuiert chaotische dissonante Tutti-Akkorde, dann aufgelöst durch das „Auferstehungs-Thema“ Wehklagend klang die Solo-Posaune, intervallgenau die Hörner des „Rufers in der Wüste“ choralartig feierlich die Trompeten und Hörner des Fernorchesters, dazwischen Vogelgezwitscher der Flöten, um den folgenden A-capella Einsatz des Chors und der Solo Sopranistin „Auferstehn ja auferstehn“ vorzubereiten. Die Chöre schafften dies ganz p, waren aber noch verständlich. Mit leuchtender Kantilene sang Eva Bauchmüller ihr Solo, ihr Duett mit der Altistin war dann ein Höhepunkt des Abends. Die Herren von Tenor und Bass meisterten im pp ihr schwieriges „Misterioso“ „Was entstanden ist“ Die gewaltige Steigerung der Coda bis zum Höhepunkt von gesamtem Chor und Orchester „Zu Gott wird es dich (gemeint ist das Herz) tragen“ gelang ergreifend. Gerade weil dieser nicht direkt auf christlichem Gedankengut beruhende Glaube an die Auferstehung mit so mächtig – musikalischem Pathos angestrebt aber irgendwie doch angezweifelt wird, ist der Eindruck um so stärker. Man versteht, warum diese Symphonie für manche die beliebteste von Mahler ist. Dieser Meinung war auch das Publikum im ausverkauften Theater, das lange und kräftig auch mit Bravos vor allem der engagierten Leitung durch Fabrizio Ventura, aber auch den Gesangssolisten, Chören und mit Recht einzelnen Instrumentalsolisten innerhalb des Orchesters applaudierte, zum Schluß auch stehend.
Sigi Brockmann 6. Juli 2016
Foto Gunnar Pier/WN