4. 2. 2017 (4. Vorstellung nach der Premiere am 27. 1. 2017)
Erstmals in Slowenien
Man glaubt es kaum: Wagners Der Ring des Nibelungen wurde noch nie in Slowenien aufgeführt! Im Jahre 1929 gab es in Ljubljana/Laibach eine Produktion der Walküre und im Jahre 2013 gastierte das Mariinsky-Theater beim Ljubljana-Festival mit konzertanten Aufführungen des Rheingolds und der Walküre – das war bisher alles.
Nun konnte also Slowenien – 148 Jahre nach der Uraufführung – erstmals Das Rheingold in einer szenischen Aufführung erleben – dem Nationaltheater Maribor ist dafür jedenfalls sehr zu danken. Die Produktion war musikalisch bemüht-ordentlich und dem gewohnten Niveau des Hauses angemessen – szenisch war es allerdings wahrlich keine dem Stück adäquate Umsetzung.
Der 35-jährige Triestiner Regisseur Igor Pison hat – wie man seiner Vita entnehmen kann – praktisch kaum Opernerfahrung. Gemeinsam mit der Bühnenbildnerin und Lichtgestalterin Petra Veber sowie mit der Kostümbildnerin Sanja Grcic hat er das Stück in die Gegenwart verssetzt und eine sterile Szenerie auf die Bühne gebracht, die so gar nichts von den mythischen Naturbildern vermittelt, die Wagner in seinem Werk zeigt. Zu Beginn sieht man – fast ist man versucht zu sagen: natürlich – nicht die „Tiefe des Rheins“, sondern einen hässlichen Raum mit einem von einem goldenen Tuch bedeckten Tisch. Die Rheintöchter hüpfen in blauen Kleidchen herum, kümmern sich weder um das goldene Tuch oder um Alberich, sondern sind nur mit ihren Teddybären beschäftigt – siehe das Bild zu Beginn des Beitrags.
Der größte dieser drei Teddybären wird dann im Verlauf des Stücks Wotan überreicht und sitzt im letzten Bild verlassen auf einem Stuhl. Was will uns der Regisseur damit sagen?? In der Traumdeutung gilt der Teddybär als Symbol für den Wunsch nach Geborgenheit oder ist es das Bild für einen verdrängten Kinderwunsch – oder ist es gar ein Symbol für Kindesmissbrauch?? Was hat das mit Rheingold zu tun??
Man könnte noch eine Reihe von weiteren unnötigen Unsinnigkeiten aufzählen: in Nibelheim werken keine Nibelungen, sondern es tanzt ein 8-köpfiges Ballettensemble und klettert auf Gitterstäben herum – Donner löst keinen Blitz aus, sondern betätigt eine Konfetti-Kanone – Wotan sind zwei Gouvernanten beigegeben, die den Göttern Getränke kredenzen – am Ende legt sich Freia auf den Boden zum erschlagenen Fasolt und ist nicht mehr Teil der Göttergesellschaft (die ohnedies nicht über die Regenbogenbrücke in Walhall einzieht)……..
Der gravierendste Einwand ist aber wohl, dass jegliche theaterwirksame Personenführung fehlt – alle Akteure wandern stets mit Standardgesten herum, Alberich gestikuliert ständig mit heftigen Armbewegungen, Loge trägt eine Aktentasche, Beziehungen zwischen den Figuren entstehen nicht – das Ganze bleibt leider ein szenischer Torso mit wenig bis keinem Bezug zu Musik und Text. Schade, da wurde eine Chance vertan – die slowenische Erstaufführung des Rheingolds hätte es verdient, von einem erfahrenen Opernregisseur gestaltet zu werden.
Überwiegend Erfreulicheres gibt es hingegen von der musikalischen Umsetzung berichten – hier hat man mit dem Hausensemble eine solide Besetzung zustande gebracht. An der Spitze der slawischen Sängerschar steht der Loge von Martin Sušnik.
Der 40-jährige Haustenor deckt wahrhaft ein breites Repertoire ab – und man schätzt ihn in Maribor sehr. Mit seiner schlanken, sicher geführten Stimme bietet er als Loge eine durchaus solide Interpretation. In der sprachlichen Artikulation könnte man sich noch mehr textliche Schärfung wünschen. Die Rheintöchter werden von der erfahrenen Andreja Zakonjšek Krt angeführt. Valentina Čuden und Jadranka Juras (beide auch in der Unterhaltungsmusik präsent!) ergänzen sicher. Sabina Cvilak (zuletzt Sieglinde in Wiesbaden) ist eine sehr gute Freia – sie sollte aber nicht unnötig forcieren. Der erst 32-jährige Jure Počkaj fiel schon mehrmals mit seinem reichen Stimmmaterial auf – er bewältigte die stimmlich exponierte Partie des Alberich absolut sicher. Allerdings wird er an der nötigen Prägnanz des deutschen Textes und der von Wagner angestrebten Phrasierung noch zu arbeiten haben. Jeder Wagner-Sänger muss sich stets an Wagners Forderung orientieren: „In meiner Oper besteht kein Unterschied zwischen sogenannten ‚deklamieren‘ und ‚gesungenen Phrasen‘, sondern meine Deklamation ist zugleich Gesang und mein Gesang Deklamation!“
Die Bulgarin Zlatomira Nikolova war im Sinne dieses Zitats eine überzeugende Erda . Ihr Auftritt am Bühnenrand – gleichsam außerhalb der Handlung – war szenisch gut gelöst. Sie trug ihre Mahnung an Wotan mit hoheitsvoller Würde überzeugend vor. Anstelle der Premierenbesetzung war diesmal die Fricka mit Amanda Stojović besetzt – sie blieb allerdings stimmlich und darstellerisch nur blass. Sicher waren der Mime von Dušan Topolovec , der Donner von Jaki Jurgec und der Froh von Bogdan Stopar. Für drei zentrale Rollen hatte man Gäste aus Deutschland eingeladen.
Thomas Gazheli ist ein routinierter und an vielen großen Häusern tätiger Heldenbariton. In seiner ersten Szene mit Fricka ließ er aufhorchen – hehrer, herrlicher Bau – das gelang großartig. Im späteren Verlauf gab es aber an diesem Abend auch so manche Passage, die weniger gut gelang. Da wurde wiederholt zu gaumig-verschwommen die Stimme abgedunkelt. Das Regiekonzept zwang Gazheli zu hektischem, unheldischem Spiel. Das war – offenbar von der Regie gewünscht – eine recht miese Götterfigur. Ausgezeichnetes ließ der erst 33-jährige Tobias Peschanel als Fasolt hören – das war absolut höhensicher, blendend phrasiert und überzeugend interpretiert. Dem Programm entnimmt man, dass Peschanel auch als Korrepetitor an der Marburger Einstudierung mitwirkte – wenig erstaunlich, wenn man auf seiner Homepage liest, dass er nicht nur Sänger, sondern auch Komponist ist. Neben ihm blieb Thomas Stimmel als Fafner recht unprofiliert.
Eine der wenigen positiven Aspekte der Inszenierung war übrigens die Gestaltung der beiden Riesen-Brüder: sie traten gleichsam als Bau-Mafiosi auf und brachten etwas bühnenwirksames Leben auf die Bühne.
Das Sinfonieorchester Marburg unter der Leitung ihre Chefs Simon Krečič stellte sich tapfer den Anforderungen der Riesenpartitur. Natürlich kann man schon auf Grund der Beengtheit des Orchestergrabens nicht erwarten, dass die im Original vorgegebene Besetzung (u.a. 6 Harfen, 16 1.Geigen, 16 2.Geigen, 8 Kontrabässe….) geboten werden kann. Für solche Fälle gibt es ja die durchaus üblichen und vertretbaren Orchesterbearbeitungen. Der Dirigent wählte durchgehend ein sehr zügiges Tempo, da kamen die Ruhepunkte ein wenig zu kurz und man registrierte, dass speziell die Hörner eine Einspielzeit brauchten. Simon Krečič dirigierte sehr sängerfreundlich und nahm das Orchester stets rücksichtsvoll zurück, um die Stimmen zur Geltung kommen zu lassen. Wagners großartigen Übergangsmusiken blieben allerdings recht eindimensional – die Farbenpracht der Instrumentierung kann da zu wenig zur Geltung. Aber es sei gerne bestätigt, dass der Dirigent und sein Orchester mit großem Einsatz durchaus Beachtliches geleistet haben.
Am Ende gab es im sehr gut besuchten Haus viel Beifall.
Hermann Becke, 5. 2. 2017
Szenenfotos: SNG Maribor, Matija Lukič (leider gab es keine Fotos von Wotan und Fricka in der besprochenen Aufführung)