Hamburg: „Eugen Onegin“, Peter Tschaikowsky

Seit der Premiere im Februar 1979 läuft an der Staatsoper die in sich schlüssige, im Ganzen stimmige Inszenierung von Adolf Dresen mit dem praktischen und passend lokalisierenden Bühnenbild von Karl-Ernst Herrmann und den trefflichen Kostümen von Margit Bárdy. Ich erinnere mich an wunderbare Gesangssolisten in einer Vorstellung Anfang der 1990er-Jahre wie Bernd Weikl, Karita Mattila oder Jan-Hendrik Rootering.

Die nun wohl endgültig letzte Vorstellung verfestigte den positiven Eindruck der  sehenswerten Inszenierung, die Tschaikowskis Lyrische Szenen ohne regieliche Mätzchen oder Übertreibungen erzählt.

© Hans Jörg Michel 

Und wenn dann noch so eindrucksvoll gestaltet und im Ganzen ordentlich musiziert und gesungen wird, kann man fast ungetrübt seine Freude haben. Die Spielleiterin Maike Schuster hatte ganze Arbeit geleistet, um das Ensemble dazu zu bringen, die unterschiedlichen und auch widersprüchlichen Gefühle durchgehend glaubhaft offen zu legen. Christoph Pohl trat in der Titelrolle anfangs angemessen herablassend auf und machte in den beiden Schlussbildern überzeugend deutlich, dass ihn nun leidenschaftliche Gefühle zu Tatjana übermannten. Dabei half ihm sein farbenreicher Bariton, den er mit schönem Legato durch alle Lagen führte und der auch bei den dramatischen Ausbrüchen des Schlusses stets kultiviert blieb. Die britische Opernsängerin Sally Matthews gefiel besonders durch ihr temperamentvolles Spiel, sei es als schwärmerische Jugendliche, sei es später als gereifte, trotz ihrer fortdauernden Liebe zu Onegin treue Ehefrau. Ihr großvolumiger, fülliger Sopran konnte nicht durchgehend gefallen; dazu war die Tongebung mit recht starkem Tremolo zu unklar, und vor allem im Schlussbild litt darunter leider auch die Intonation in den höheren Lagen. Als Lenski erlebte man den Ukrainer Bogdan Volkov, dessenstrahlkräftiger Tenor positiven Eindruck hinterließ; geradezu ergreifend gestaltete er den schmerzlichen Abschied von Olga am Schluss des in großem Streit zu Ende gehenden Festes und mit bestens gestützten lyrischen piani die ans Herz gehende Arie vor dem Duell. Seine Olga war Kristina Stanek aus dem Hamburger Opernensemble, deren munteres Spiel und vor allem ihr volltimbrierter Mezzosoprangefielen.

© Hans Jörg Michel 

Ebenfalls aus dem Hamburger Opernensemble stammt der Belarusse Alexander Roslavets, der einen recht jugendlichen Fürsten Gremin gab. Sein profunder, auch in den tiefen Lagen klangvoller Bass passte aufs Beste zu dessen berühmter Arie, die zu Recht begeisterten Szenenapplaus erhielt. Eine wahre Säule im Hamburger Ensemble ist nach wie vor Katja Pieweck, die die Gutsherrin Larina mit ihrem charaktervollen Mezzosopran überzeugend ausfüllte. Mit auffallend klarer, jung klingender Stimme war die Engländerin Carole Wilson aus Wien die besorgte Filipjewna. Ein wahres Kabinettstückchen lieferte das Hamburger Urgestein Peter Galliard mit dem schönstimmig und witzig dargebotenen Couplet des Monsieur Triquet. Sicher ergänzten aus dem internationalen Opernstudio  der Us-Amerikaner Keith Klein als Hauptmann und der Kanadier William Desbiens als Saretzki.

Von besonderer Güte war wieder der von Christian Günther einstudierte Chor der Staatsoper, der ausgewogenen, mächtigen Chorklang ablieferte, wobei der Vorsänger Andre Nevans ebenso gefiel wie die nicht wenigen choreografischen Szenen (Rolf Warter).

Der an der Staatsoper in dieser „Eugen-Onegin“-Serie debütierende finnisch-amerikanischer Dirigent Ari Pelto hielt den ganzen Apparat recht ordentlich zusammen, wenn er sich auch meist vorrangig um das Philharmonische Staatsorchester kümmerte, das er oft zu Lasten der Sängerinnen und Sänger allzu sehr schwelgen ließ. Dass es im Graben manche Unaufmerksamkeiten gab, ist ihm allerdings nicht anzulasten.

Mit starkem Beifall bedankte sich das Publikum bei allen Mitwirkenden.

Gerhard Eckels, 10. März 2025


Eugen Onegin
Peter Tschaikowsky

Staatsoper Hamburg

Premiere am 11. Februar 1979 
Besuchte Vorstellung am 9. März 2025 (100. nach der Premiere)

Inszenierung: nach Adolf Dresen
Musikalische Leitung: Ari Pelto
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg