15. Juni 2017
Flach und schwach…
Nach nur wenigen Vorstellungen ist die Neuproduktion von Regisseur Amir Reza Koohestani abgespielt. Welche Voraussetzungen muss ein Regisseur erfüllen, um sich den Herausforderungen an ein solches Werk zu stellen? Koohestani hat in seinem bisherigen Leben erst eine Oper gesehen, nie eine Oper inszeniert und spricht kein deutsch. Aber er kommt vom Schauspiel……! Nun ja, wer glaubte, dass sich dies in einer spannenden Personenführung kennzeichnen würde, sah sich getäuscht. Zudem wurde dann noch als „Co-Regisseur“ Dirk Schmeding angeheuert. Wer weiß, wie diese vergessenswerte Inszenierung sonst geraten wäre?
Koohestani erzählt letztlich eher flach die Geschichte. Dabei setzt er sehr viele Videoeffekte ein und verortet die Handlung in einer muslimischen Welt. Ein Zierat, mehr nicht. Der Leerlauf dieser Inszenierung ist sehr ausgeprägt.
Die Welt von Venus wird auf ein Himmelbett reduziert. Ein Paar streitet sich und bewirft sich mit Kissen. Aha! Sinnlichkeit, Erotik, Völlerei…..nichts davon! Warum also „zu viel, zu viel!“ Richtiger hätte Tannhäuser singen müssen „zu wenig!“
Ein derbe Pointe ist Tannhäusers Kleidung im 1. Aufzug: ein hässlicher gestreifter, unkleidsamer Morgenrock! Klar: „nach seiner Tracht ein Ritter!“ Oder die Romerzählung: Tannhäuser steht fidel an der Rampe und singt seine zehn Minuten konzertant. Wolfram darf indes abgehen!
Musikalisch war es ein guter Abend für das Staatstheater! Edith Haller war eine sehr engagierte, leuchtkräftige Elisabeth. Ihre innere Beteiligung und ihre Textverständlichkeit waren ausgezeichnet. Lediglich das „h“ am Ende der „Hallenarie“ geriet ihr etwas kehlig, angestrengt. Bedauerlich auch, dass sie, eine schlechte Tradition nahezu aller Elisabeth Sängerinnen, bei ihrem Einschreiten lediglich „ein“ und nicht „Haltet ein“ sang.
Katrin Gerstenberger war eine vollstimmige Venus, die vor allem im 1. Aufzug (gespielt wurde die Pariser Fassung) überzeugte. David Pichlmaier (Wolfram) stand im Zentrum der Gunst des Publikums. Sein heller, kultivierter Bariton erfreute durch Schattierungen im Ausdruck und war auch den Ausbrüchen im 3. Aufzug gut gewachsen. Martin Snell agierte als Landgraf mit hoher Stimmkultur und feiner Noblesse. Sein Textausdruck war beispielgebend. Auch die übrigen Minnesänger gefielen, wie z.B. Nicolas Legoux als grimmiger Biterolf oder Minseok Kim als lyrisch tönender Walther.
Bleibt Deniz Yilmaz als Tannhäuser. Kaum eine Tenorpartie Wagners ist derart schwer zu besetzen. Die ungewohnt hohe Tessitura erfordert einen ausdauernden Tenor mit belastbarer Höhe und mit ausgeprägter deklamatorischer Begabung. Einen idealen Interpreten gibt es heute nicht. Yilmaz sang die Titelpartie im Rahmen seiner Möglichkeiten hoch anständig. Bei ihm gab es keine stimmlichen Einbrüche. Selbst in den Ensembles sang er alles aus (auch die gerne nicht gesungenen „zu ihr!“-Rufe) und konnte in den „Erbarm dich mein“-Rufen gut bestehen. Allerdings ist die Stimme in ihrer Strahlkraft deutlich begrenzt. Schwerer wog jedoch die fehlende Textgestaltung. Lediglich bei Tannhäusers Reblik auf Biterolf blitzte ein Hauch von Textausdruck durch. Ansonsten blieb Yilmaz weitgehend ausdruckslos, so dass er nicht das notwendige Zentrum bildete.
Chordirektor Thomas Etler – de Lint sorgte für eine gelungene Choreinstudierung, so dass Chor- und Extrachor sich völlig zu Recht über viel Jubel freuen konnten.
Herausragend war für mich jedoch einmal mehr das überragende Dirigat durch GMD Will Humburg! Mit Feuereifer durchlebte er mit dem famos aufspielenden Staatsorchester alle Farben der Partitur. Hingebungsvoll waren die Ruhepunkte in den Holzbläsern. Perfekt die Balance zwischen Bühne und Graben. Und die drei Finali waren in der dynamischen Entwicklung derart überrumpelnd in ihrer Überwältigung, so dass spätestens am Ende des Werkes der musikalische Himmel erreicht war. Großartig!
Sehr langer, ausdauernder Jubel eines hoch konzentrierten Publikums.
Dirk Schauß 17.6.2017
Bilder siehe Premierenbesprechung weiter unten !