Emmerich Kalmans Frühwerk „Ein Herbstmanöver“, lange noch von der berühmten „Czardasfürstin“ oder der „Gräfin Mariza“ komponiert, zeigt bereits die kompositorische Raffinesse des Komponisten auf. Musikalische Details kann man zahlreich entdecken, die er in den späteren Werken wieder aufgenommen hat. Die Mittelstimmführung neben dem Melos zum Beispiel oder die kleine Zigeunerbanda mit Primas auf der Bühne. Auch ist das melancholische 1. Aktende ein Vorgriff auf Feri Baci´s Monolog Ende des 1. Akts der Czardasfürstin. Der traurig sinnende Ton beherrscht das Liebespaar, das den Mond besingt. Für Spaß und Schwung sorgen eher die Husaren, die „in Scharen“ die Damen des Hofes der Baronin zum Tanz und mehr auffordern. Die Handlung tritt ein wenig auf der Stelle, da sich die Konstellationen kaum verschieben und die Laune der Protagonisten auch gleich bleibend mäßig bis sorgenvoll ist.
BALASZ KOVALIK bietet dennoch eine ambitionierte und ernst zu nehmende Inszenierung, die aber gerade im Schlussakt mehr Zug und vielleicht eher einige Striche aus Ausweitungen klug sinnierender Schauspieler vertragen könnte. Der Anfangsakt ist märchenhaft opulent von LUKAS NOLL ausgestattet. Warum die Gewänder dann durch die Zeiten reisen und an Charme einbüßen, wird nicht wirklich klar. Bezüge zur Titanic und zu uns heute sollen neben dem sowieso drohenden Ersten Weltkrieg auch noch hergestellt werden. Das ist zu viel. LEO MUJIC liefert witzige und hervorragend gearbeitete Choreografien, die auch den nicht hauptberuflichen Tanzenden Freude machen.
Gesungen wird in Giessen gut bis ordentlich, gespielt sehr engagiert und nicht verzappelt. Schön ist zu erleben, dass Tänzer, Sänger und Schauspieler an einem Dreispartenhaus sich in eine gelungene Melange begeben. Die Hausherrin Baronin Riza wird von CHRISTIANE BOESIGER ernsthaft und ambitioniert gespielt, stimmlich bemüht sie sich- nicht immer glücklich-, die diversen sehr unterschiedlichen Lagen der Partie ins Lot zu bekommen. Überhaupt komponiert Kalman die Stimmen gerne und langanhaltend tief. Und so macht es Sinn, den Helden Lörenthy einem Bariton anzuvertrauen, den GRGA PEROS mit phlegmatischem, runden Ton glaubhaft in Szene setzt. Der Baritonbuffo läuft hier dem Tenorbuffo etwas den Rang ab, was auch an den für die Aufführung aktualisierten Musiknummern liegt. In einem Coming- Out Duett mit dem hervorragend körper- und wortpräsentem Schauspieler RAINER HUSTEDT gibt als Wallerstein TOMI WENDT textklar und pointensicher richtig Gas. Mit gut sitzendem schlanken Tenor kontert CLEMENS KERCHBAUMER als Marosi bei den anderen Buffo- und Tanznummern. Die schönste Stimme hat vielleicht MARIE SEIDLER, die mit Mezzotimbre und attraktiver Bühnenerscheinung der Generalstochter Trezka interessante Seiten abgewinnt.
Die Schauspieler vom alten Schlag HARALD PFEIFFER und RAINER DOMKE sprechen im besten Sinne raumgreifend und deutlich. Und auch besonders der Damenchor kann sich mit vielen kleinen Dialogpassagen sehr gut in Szene setzen.
Es macht richtig Freude zu hören, dass das Philharmonische Orchester der Stadt Operette richtig ernst nimmt. MICHAEL HOFSTETTER gewinnt dem Klangkörper filigrane Seiten ab, läßt es an fetziger Polka- und Marschrhytmik andererseits nicht fehlen. Es überwiegen jedoch im Werk die dunklen, liebeskummernden Farben, die farbenprächtig umgesetzt werden.
Es ist eine lohnende Begegnung mit einem ganz abseitigem Werk, der man noch viele Folgeaufführungen wünschen möchte. Die Giessener haben es genossen und der Premiere kräftig Beifall gezollt.
Bilder (c) Stadtheater Giessen
Christian Konz 5.11.2017
Mit freundlicher Genehmigung unseres Kooperationspartners MERKER-online (Wien)