Premiere am 16. November 2019
Es swingt und walzert
Valentina Inzko Fink/Ensemble
Auch die Staatsoper Hannover schwimmt nun auf der Paul-Abraham-Wiederentdeckungswelle mit, die die Komische Oper Berlin vor einigen Jahren in Gang gesetzt hat. Die Lustspieloperette „Märchen im Grand Hotel“ war nach der Wiener Uraufführung 1934 schnell von deutschen Bühnen verschwunden, weil die Stücke des Juden Paul Abraham (1892-1960) verboten waren. Nach der Mainzer Inszenierung im Vorjahr ist die in Hannover erst die zweite Komplettinszenierung des Werkes in Deutschland. Nun swingt und walzert es im Opernhaus, was das Zeug hält – und das macht richtig Spaß!
Es beginnt in einem der großen Filmstudios Hollywoods, wo der Filmproduzent Sam Macintosh (Ansgar Schäfer) verzweifelt nach einem Sujet für einen neuen Film sucht. Hier ebenso wie im Nachspiel ist Kulisse (Bühne: Timo Dentler und Okarina Peter) ein riesiger Vorhang, auf dem in bekannter Machart das Logo der „Universal Star Picture Ltd.“ prangt. Tochter Marylou Macintosh hat ihre eigenen Vorstellungen von einem neuen Stoff und findet in einer Klatschspalte Nachrichten über die im
Grand Hotel in Cannes abgestiegene spanische Infantin Isabella samt Gefolge. Marylou will nach Europa reisen, um diese echten europäischen Adeligen als Protagonisten für einen neuen Film zu gewinnen. Szenenwechsel zum Grand Hotel: Eine Palme deutet Cannes an, ein Tresen das Hotel. Auf der viel in Bewegung befindlichen großen Drehbühne gibt es drei kleinere mit Drehtüren versehene Spielorte, wo dann ein Schlafzimmer, das Foyer und andere Räume zu sehen sind. Hier trifft Marylou auf den Kellner Albert, der sich Hals über Kopf in die Infantin verliebt hat. Er ist natürlich kein heiratsfähiger Kandidat für sie, auch wenn schließlich herauskommt, dass er in Wahrheit der Sohn des reichen Hotelbesitzers Chamoix (bewährt Frank Schneiders) ist. Im Gefolge der Infantin Isabella befinden sich Großfürst Paul (Daniel Eggert), die Gräfin Inez de Ramirez (Carmen Fuggiss) und der für die Etikette zuständige Baron Don Lossas (witzig: Ansgar Schäfer). Der Verlobte der Infantin, der Wiener Prinz Alfred, ist dabei, der sich aber auch deutlich zu Marylou hingezogen fühlt. Nun geht es hin und her, bis sich die Paare „über Kreuz“ finden. Das ersehnte Happyend für den Film, zu dem sich letztlich die Protagonisten auch aus akuter Geldknappheit bereitgefunden haben mitzuwirken, wird erst im Nachspiel – wieder in Hollywood – gefunden. Jetzt stellt sich heraus, dass Albert inzwischen heiratsfähig geworden ist, weil sein Vater einen Adelstitel gekauft hat, während aus der Infantin der „normale“ Filmstar Isabella del Rio geworden ist.
Daniel Eggert/Philipp Kapeller/Ansgar Schäfer/Mercedes Arcuri/Carmen Fuggiss
Aus dieser Mischung von Hollywood, Hochadel und Hotelambiente, die gekonnt mit den Klischees des Genres spielt, haben der Schweizer Regisseur Stefan Huber und der Arrangeur Kai Tietje in Hannover ein flottes Lustspiel mit viel Musik und Tanz gemacht. Der Originalfassung mit einem bunten Mix aus Swing, Walzer, Tango, Charleston, Jazz und ungarischem Kolorit haben sie je ein tanzendes und singendes Damen- und Herren-Quartett hinzugefügt, die dafür sorgen, dass die Solo-Nummern fast unmerklich in flotte Tanzszenen und vor allem auch in mitreißende Steptanz-Nummern übergehen, wofür die australische Choreographin Andrea Danae Kingston verantwortlich war. Zu der stimmungsvollen Atmosphäre trugen ganz entscheidend die fantasiereichen, farbenfrohen Kostüme im Stil der 1930er-Jahre (Heike Seidler) und die sich unauffällig verändernde Licht-und Farbregie von Sascha Zauner bei.
Carmen Fuggiss/Alexander von Hugo/Mercedes Arcuri
Unter der temperamentvollen Leitung von Carlos Vázquez, der ein gutes Gespür für Schwung und Sentiment hatte, zeigte sich das Niedersächsisches Staatsorchester Hannover in glänzender Verfassung, das das Ensemble zuverlässig unterstützte. Gut gemacht war die dezente Verstärkung, die dafür sorgte, dass die amüsanten Dialoge mit ihren treffenden Pointen stets verständlich waren. Nun zu den weiteren Darstellern, die alle mit sichtlicher Spielfreude bei der Sache waren: Da gefiel mit rundem, tragfähigem Sopran als elegante und ein bisschen arrogante Infantin Isabella ein neues Ensemble-Mitglied, die Argentinierin Mercedes Arcuri. Isabella zugetan war der angebliche Kellner Albert, den Alexander von Hugo, inzwischen in der Musical-Szene zuhause, mit viel Spielwitz, einer schönen Singstimme und vor allem durch begeisternden Steptanz gab. Sein Widerpart, der Wiener Prinz Andreas Stephan, war bei Philipp Kapeller und seinem klaren Tenor gut aufgehoben. Valentina Inzko Fink war eine quirlige, manchmal etwas schrille, aber äußerst bewegliche, tanzfreudige Marylou.
Valentina Inzko Fink/Ensemble
Dann gab es da noch in kleineren Rollen, teilweise wie Carmen Fugiss und Frank Schneiders in Doppelfunktionen Andreas Zaron als Hoteldirektor und Henrike Starck als Mabel. Die tanzenden und singenden Dramaturgen, Sekretärinnen, Hotelangestellten und –gäste sollen wegen ihrer tollen Leistungen ebenfalls genannt werden; es waren Katrin Merkl, Miriam Neumaier, Shari Lynn Stewen, Julia Waldmayer, Kevin Arand, Christopher Bolam, Stephen Dole und Konstantin Zander.
Das Publikum im nicht voll besetzten Haus war zu Recht begeistert und bedankte sich bei allen Mitwirkenden mit starkem lang anhaltendem Applaus.
Fotos: © Ralf Mohr
Gerhard Eckels 28. November 2019
Nächste Vorstellungen: 7.,23.,29.,31.12.2019 und weiter im neuen Jahr