Wiesbaden: „Spielzeit 2025/26“

Der, dessen Name nicht genannt werden darf

Beim Blättern in der neuen Saisonbroschüre fällt eine Lücke auf: Bei der Wiederaufnahme der Zauberflöte wird anders als bei allen anderen Produktionen der Regisseur nicht genannt. Die Bilder dazu verraten aber: Es ist die Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg, die im Dezember 2023 kurz vor dessen vorzeitigem Ausscheiden als Intendant Premiere hatte. Nun fällt er wie ein abgesetzter römischer Kaiser einer damnatio memoriae anheim.

Immerhin bei der ebenfalls zur Wiederaufnahme anstehenden Carmen ist vermerkt: „Inszenierung nach Uwe Eric Laufenberg“.

Weitere Regiearbeiten Laufenbergs werden ersetzt, so Tristan und Isolde durch die Übernahme einer Produktion der Opéra national de Lorraine und Così fan tutte durch die Übernahme einer Produktion der Opéra national de Lyon.

Immerhin um die Così ist es schade. Laufenberg hatte hier ebenso wie in Mozarts Tito einen bereits anderenorts erprobten Regieansatz recycelt und dabei geschickt die Kulissenhaftigkeit des Wiesbadener Zuschauerraums mit einer lockeren Personenregie bespielt.

Daß die Zauberflöte nun nicht einmal „nach Laufenberg“ gegeben werden soll, deutet darauf hin, daß in den durchaus ansehnlichen Kulissen von Rolf Glittenberg der namentlich ausgewiesene „Spielleiter“ freie Hand für ein Neuarrangement hat.

Das Rad nicht überall neu erfinden

Apropos „Übernahme“: Es scheint Methode zu haben, daß die neue Intendanz anderenorts bewährte Produktionen dem heimischen Publikum präsentiert. Dagegen ist nichts einzuwenden. Man muß das Rad nicht immerzu neu erfinden. Zumal hier offenbar mit Bedacht solche Fremdproduktionen ausgewählt werden, die einen besonderen Regieansatz aufweisen. Das ist zuletzt glänzend gelungen mit der Übernahme des Barbier von Sevilla vom Theater Basel. Auch zu den für die Eröffnung der Maifestspiel in der nächsten Woche vorgesehenen Perlenfischern war unser Kritiker bei der Premiere in Antwerpen voll des Lobes.

In der kommenden Spielzeit gibt es neben den genannten Übernahmen von Tristan und Così noch zwei Koproduktionen: mit Opera Ballet Vlaanderen bei La Traviata und mit der Münchener Biennale bei Isithunzi.

Mit den Übernahmen und Kooperationen kann dem Wiesbadener Publikum unter Schonung des Budgets die beeindruckende Zahl von zehn Premieren geboten werden.

Pressekonferenz zur Vorstellung der neuen Spielzeit: Leo McFall (Generalmusikdirektor), Gert-Uwe Mende (Oberbürgermeister Wiesbaden), Beate Heine und Dorothea Hartmann (Intendantinnen), Christoph Degen (Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur), Emel Aydoğdu (Junges Theater) / © Lukas Anton

Experimentierlust

Dabei wird das Studio als Aufführungsort neben dem Großen Haus gleich dreimal für Experimente genutzt: Im Oktober wird dort die Kammeroper The Telephone von Gian Carlo Menotti mit dem dramatischen Madrigal Il combattimento von Claudio Monteverdi kombiniert, im Dezember hat Kafkas letzte Kurzgeschichte Josefine als „Musikalisches Theater“ Premiere und im Rahmen der Maifestspiele 2026 erlebt Isithunzi der südafrikanischen Komponistin Monthati Masebe die Uraufführung.

Die Uraufführung eines Auftragswerks gibt es im Dezember: Mit Alles Liebe! hat man sich von Misha Cvijović und Philipp Amelungsen eine „queere Landoperette“ schreiben lassen.

Klassiker und Raritäten

Zu den Experimenten kommen Produktionen von Raritäten wie dem Schneeflöckchen von Nikolai Rimski-Korsakow im Januar und Die Vögel von Walter Braunfels im März. Auch Donizettis La Mamma! im Februar zählt nicht zu dessen bekanntesten Werken.

Für die Balance zwischen dem spannenden Angebot an Experimenten und Raritäten einerseits und sicheren Publikumsmagneten andererseits sorgen neben den Koproduktionen bzw. Übernahmen von Traviata, Tristan und Così die Wiederaufnahmen von Turandot, Freischütz, Barbier von Sevilla, Zauberflöte, Hänsel und Gretel sowie Carmen.

Die Planung wirkt insgesamt kreativ und ausgewogen. Die in der laufenden Spielzeit demonstrierte Qualität des jungen Ensembles sorgt für Vorfreude auf die Hausbesetzungen. Das Staatstheater Wiesbaden hat seine Krise nun endgültig hinter sich gelassen.

Michael Demel, 24. April 2025


Premieren:

The Telephone /
Il combattimento

Oper von Gian Carlo Menotti (1945) /
Madrigal von Claudio Monteverdi (1624)
Studio
Premiere: Sa 18. Oktober 2025

La traviata
Oper von Giuseppe Verdi (1853)
Großes Haus
Premiere: Sa 1. November 2025

Alles Liebe!
Uraufführung
Eine queere Landoperette von Misha Cvijović
und Philipp Amelungsen (2025)
Großes Haus
Premiere: Sa 6. Dezember 2025

Josefine
Musikalisches Theater nach Franz Kafka
Studio
Premiere: Sa 13. Dezember 2025

Schneeflöckchen
Oper von Nikolai Rimski-Korsakow (1882 /1896)
Großes Haus
Premiere: Sa 24. Januar 2026

La Mamma!
Convenienze ed inconvenienze teatrali
Komische Oper von Gaetano Donizetti
(1827/1831)
Großes Haus
Premiere: Sa 7. Februar 2026

Die Vögel
Oper von Walter Braunfels (1920)
Großes Haus
Premiere: Sa 21. März 2026

Tristan und Isolde
Eröffnungspremiere der
Internationalen Maifestspiele
Musikdrama von Richard Wagner (1865)
Großes Haus
Premiere: Fr 1. Mai 2026

Isithunzi
Uraufführung
Musiktheater
von Monthati Masebe (2026)
Studio
Premiere: Do 22. Mai 2026

Così fan tutte
Oper von Wolfgang Amadeus Mozart (1790)
Großes Haus
Premiere: Mi 17. Juni 2026

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