Im November begann der Reigen der Liederabende der neuen Saison mit einem Auftritt von Ludovic Tézier, der ein wunderbar zusammengestelltes Programm ebenso wunderbar interpretierte. Der erste Teil des Abends brachte Schumanns „Dichterliebe“ in einer Auslegung von geradezu bestürzender Intensität, in der die prachtvolle Baritonstimme zu genießen war, ohne dass die Wort- und Klangbedeutung in den Hintergrund getreten wäre, akzentfreie deutsche Aussprache inklusive. Hoffnung, Verzweiflung und am Ende Anpassung an die Realität – jede Nuance hatte das ihr zustehende Gewicht. Ein Ereignis! Das verpflichtet zur sofortigen Nennung von Julius Drake am Klavier, der mit Tézier und seiner Kunst auf Augenhöhe kommunizierte.
Nach der Pause Henri Duparc mit drei melancholischen mélodies, gefolgt von Wagners „Wesendonck-Liedern“, die meiner Ansicht nach besser zu einer weiblichen Stimme passen, von Tézier aber mit dem ganzen diesen Kompositionen zustehenden Gewicht interpretiert wurden, unter Erfassung der immer wieder auf „Tristan“ verweisenden Komponente.
Die vom begeisterten Publikum geforderten Zugaben bestanden glücklicherweise nicht aus Opernarien, die zum vorhergehenden Programm nicht gepasst hätten, und so hörten wir die meisterliche Interpretation zweier canzoni von Tosti („Non t’amo più“ und „Sogno“), Schuberts „Du holde Kunst“ und zum Abschluss dieses nicht so bald zu vergessenden Abends das bekannte „Partir c’est mourir un peu“ des französischen Schauspielers und Sängers André Baugé (1893-1966).
Eva Pleus, 27. November 2024
Liederabend
Schumann, Duparc, Wagner
Teatro alla Scala
24. November 2024
Klavier: Julius Drake