Premiere am 2.10.16, Teatro Farnese
Nicht immer überzeugend
Am Tag nach der Eröffnung des einmonatigen Verdi-Festivals folgte im Teatro Farnese die Premiere von Verdis siebenter Oper im wunderbaren Hoftheater der Pilotta, des 1580 gegründeten und nach und nach erweiterten Herzogspalasts der Stadt. Das 1944 von Bomben der Alliierten zerstörte Theater wurde zwischen 1956 und 1960 wieder aufgebaut, durfte aber jahrzehntelang nur besichtigt werden. Dann wurden zunächst Aufführungen für maximal 200 Zuschauer erlaubt, und nun darf das Teatro Regio die Bühne vor rund 800 Zuschauern bespielen. Schon der Zugang zwischen den prachtvollen Gemälden der Galleria Nazionale ist eine Besonderheit und stimmt auf die phantastische Wirkung des ganz aus Holz bestehenden Schauplatzes ein – ein starkes Erlebnis!
Die beiden miteinander verheirateten Regisseure Saskia Boddeke und Peter Greenaway, erstere bekannt als Videokünstlerin, letzterer als Filmemacher, hatten die Anordnung im Theater umgedreht, das heißt, dass die Zuschauer dort saßen, wo normalerweise gespielt wird, während die in Stufen angeordneten Sitzreihen frei blieben, manchmal in die Projektionen einbezogen wurden und manchmal auch dem Interpreten von Giovannas Vater Raum gaben. Vor diesen Stufenreihen befand sich eine kreisfömige, drehbare Plattform (Bühnenbild: Annette Mosk), auf der sich die Handlung abspielte. Der Chor trat am Fuß der Sitzreihen auf, um sich dann wieder zurückzuziehen, links von der Plattform hatte das Orchester Platz gefunden.
Die Videoprojektionen vermochten zu beeindrucken, wenn sie zahlreiche berühmte Mariendarstellungen zeigten oder auch abstrakte Formen oder eine Königskrone. Weniger gefiel die Projektion des Gesichts der Interpretin der Giovanna, die mit ihrem (unbeabsichtigten?) Wimpernklimpern wie ein Starlet wirkte. Gar nicht überzeugten sie gegen Schluss der Oper mit den aktuellen Bildern flüchtender Kinder. Natürlich stimmt es, dass diese die ersten Opfer von Kriegen sind, aber Giovanna singt während ihres Sterbens etwas ganz anderes (und war historisch außerdem ja auch eine von religiösen Wahnideen angetriebene Kriegerin). Einer mit Claus Guth über uns hereingebrochenen Mode folgend, gab es drei Giovannas, nämlich die Sängerin und zwei Ballerinen, von denen die eine (Lara Guidetti) die kriegerische, die andere die kindliche, unschuldige Figur (Linda Vignudelli) verkörperte (Choreographie: Lara Guidetti). Alle drei sind gleich gekleidet (die weiter nicht bemerkenswerten Kostüme stammten von Cornelia Doornekamp). Der Programmzettel weist über zehn weitere technische Mitwirkende aus, angesichts eines zwar ästhetischen, von der Bühnenwirksamkeit her aber eher mageren Ergebnisses doch ein wenig viel…
In der Titelrolle hörte man die Koreanerin Vittoria Yeo, die im Besitz eines kristallen reinen Soprans ist, den sie technisch ausgezeichnet beherrscht, auch kann ihr Expressivität bestätigt werden. Allerdings hätte man sich eine vollere Stimme für die Giovanna gewünscht, und wie sie mit diesem Organ Lady Macbeth singt, ist mir ein Rätsel. Seit ich Luciano Ganci vor rund zwei Jahren zum letzten Mal (als Alfredo) hörte, hat er technisch große Fortschritte gemacht und verkörperte Karl VII. mit angenehm elastischem Material und sicheren Spitzentönen. Vittorio Vitelli gab Giovannas Vater Giacomo mit knorrigem Bariton das ihm zustehende, ebensolche Profil. In den Minirollen Delil und Talbot waren Gabriele Mangione bzw. Luciano Leoni zu hören. Neuerlich eindrucksvoll erklang der Chor des Teatro Regio unter der Leitung von Martino Faggiani. Der 1978 geborene Spanier Ramón Tebar am Pult von I Virtuosi Italiani (ein meist dem Barock verpflichtetes Ensemble) nahm angenehm frische Tempi und ließ ein größer besetztes Orchester nicht vermissen.
Der Schlussapplaus war entschieden mehr als höflich, aber ebenso entschieden nicht von Enthusiasmus getragen.
Eva Pleus 12.10.16
Bilder: Roberto Ricci