Teatro Regio, 28.3.21
Claude Debussys einzige Oper hätte im Vorjahr auf die Bühne des Teatro Regio gelangen sollen, als Hommage Parmas an die Welt, war es doch Kulturhauptstadt. Die Pandemie hatte das verhindert, aber das Opernhaus wollte es sich nicht nehmen lassen, in diesem Jahr die Produktion eines Titels nachzuholen, den man in seiner Raffinesse nicht unbedingt in der von Verdis Melodien erfüllten Emilia erwarten würde.
Wie viele italienische Häuser lud auch das Teatro Regio eine kleine Journalistengruppe ein, der Aufnahme für ein späteres Streaming beizuwohnen. Wir wurden in zentral gelegenen Logen des 2. Rangs untergebracht (und man hatte sogar an Mineralwasser in Flaschen gedacht, da die Cafeteria des Hauses natürlich geschlossen war); das Orchester befand sich in Bühnennähe im ausgeräumten Parkett, das damit zur Hälfte besetzt war.
Das für Regie, Bühnenbild und Kostüme verantwortliche Duo Barbe & Doucet (in dem André Barbe für die Ausstattung verantwortlich ist und der von der Choreographie kommende Renaud Doucet für die Regie) sorgte für ein überaus stimmungsvolles Ambiente, in welchem herabhängende Wurzeln, Moos, ein flockig blühender Baum oder eine Insel in einem See die Atmosphäre ebenso charakterisierten wie im Hintergrund ein Schloss in Spielzeuggröße. Die das Werk kennzeichnende traumähnliche Stimmung war überzeugend getroffen und bezog auch eine gewisse charakteristische Rätselhaftigkeit mit ein, wenn wiederholt in weiße Schleier gehüllte junge Frauen die Bühne bevölkerten oder eine Figur, die sich später als der Arzt herausstellte, die Rampe querte.
Dennoch war das Ergebnis letztlich „physischer“, weniger zerbrechlich, als man es gewohnt ist. Für den Zuschauer stellte sich neuerlich die Schwierigkeit heraus, in dieser Konstellation das Gleichgewicht zwischen dem von Marco Angius geleiteten Orchester und der Bühne zu beurteilen, denn die Stimmen wurden zwar nicht zugedeckt, aber ihr Klang erwies sich einfach als dramatischer als in diesem Werk üblich. Ich möchte das aber nicht als negativ gemeint wissen, denn es war sehr interessant, eine dramatischere und damit sozusagen menschlichere Realisierung zu erleben.
Pelléas wurde von dem kanadischen Bariton Phillip Addis interpretiert, der auch nicht so sehr der gewohnte Tagträumer war, aber doch eine durchaus romantische Gestaltung der Figur bot. Damit passte er zu Monica Bacelli, die eine intensive Mélisande war, deren Mezzo aber nicht das berühmte „keusche“ Timbre besitzt. Der Georgier Michael Bachtadze war ein den genannten Voraussetzungen entsprechendes Rauhbein als Golaud, mit dem man bei seinem Zusammenbruch dennoch Mitleid haben konnte. Vincent Le Texier (an den ich mich noch als Ford in einem viele Jahre zurückliegenden „Falstaff“ in Lyon erinnere), scheint ins Bassfach gewechselt zu sein und sang einen sehr nachdrücklichen Arkel. Bei der ausgezeichneten Geneviève des albanischen Mezzos Enkelejda Shkoza bedauerte man die Kürze ihrer Rolle. Ein überzeugender Yniold war die Sopranistin Silvia Frigato, die üblicherweise im Barockfach unterwegs ist. Vielversprechend klang der Arzt des jungen italienischen Basses Andrea Pellegrini. Mit Ausnahme von Bachtadze sind alle Interpreten für ihre idiomatisches Französisch zu loben.
Man kann nur hoffen, dass dieser starke Einsatz des Hauses, um ein künstlerisch hochwertiges Ergebnis zu erzielen, in nicht zu ferner Zukunft auch von einem breiteren Publikum beurteilt werden kann.
Eva Pleus 1.4.21
Bilder: Roberto Ricci