Wien: „Psyche“, Matthew Locke

Foto vom Kritiker

Matthew Locke, ein englischer Komponist, Organist, Sänger und Musikschriftsteller, wurde 1621 in Exeter geboren und starb 1677 in London. Er wurde als Chorknabe ausgebildet und studierte bei William Wake. Nach einem Aufenthalt in Den Haag kehrte er 1651 nach England zurück. In London widmete er sich zunehmend den Musikdramen, der einzigen unter Oliver Cromwell erlaubten Theaterform. Ab 1661 war er unter Charles II. Composer in the Private Music und Composer for the Violins und ab 1662 Organist an der katholischen Kapelle. Lockes „Psyche“ ist eine „Semi-Opera“ in fünf Akten, in der gesprochenes Drama mit gesungenen, getanzten und instrumentalen musikalischen Szenen verknüpft werden. Sie ging aus der masque und der Bühnenmusik hervor. Es lassen sich auch Parallelen zum französischen Vaudeville feststellen. Thomas Betterton (ca. 1635-1710), Schauspieler und Manager des Dorset Garden Theatre, brachte die Idee zu „Psyche“ sowie den Text und die Musik der französischen Vorlage von einer Reise nach Paris mit nach London. Das Libretto stammte von dem britischen Dichter Thomas Shadwell (1642-92), der sich dabei an der wenige Jahre zuvor entstandenen französischen tragédie-ballet von Moliere, Pierre Corneille und Philippe Quinault, orientierte, zu der Jean-Baptiste Lully musikalische Zwischenspiele komponierte. Uraufgeführt wurde Psyche am 27. Februar 1675 im Dorset Garden Theatre in London. Die verworrene Handlung erzählt von der Liebesbeziehung zwischen der sterblichen Prinzessin Psyche und dem Gott der Liebe Cupido/Amor. Vor dem Happy End dieses ungleichen Paares begegnen sie rivalisierenden Prinzen, neidischen Schwestern, einer eifersüchtigen Schwiegermutter und einer Reise vom Himmel in die Unterwelt. Den meisten dieser Figuren kommen jedoch nur die gesprochenen Stellen zu, denn die Gesangsteile waren allein für die mythologischen und allegorischen Figuren vorgesehen. Ausgefallen sind bei Locke die Instrumentierung: schon der Beginn ist mit einem Trommelwirbel äußerst eindrucksvoll. Das Klangbild bestimmen, neben den gewohnten Streich-, Holzblas- und Tasteninstrumenten, vor allem Kornett, Harfe, Posaunen und Schlagzeug. Eine Vielzahl der musikalischen Formen, wie Arien, Balladen, Chansons, Fugen, Kanons und Rezitativen, sind Lockes Markenzeichen. Die ursprüngliche Musik zu den Tänzen von Giovanni Battista Draghi (1640-1708), einem Kollegen von Locke am englischen Königshof, ist nicht erhalten geblieben. Daher hat der Dirigent Sébastien Daucé passende Sätze aus anderen Werken von Locke und Auszüge aus Lullys Psyché verwendet. Die konzertante Aufführung der Psyche in der Zusammenstellung von Sébastien Daucés Ensemble Correspondances verzichtet neben dem Szenenbild auch auf die gesprochenen Dialoge, wodurch sich die Gesamtaufführungszeit von rund fünf Stunden auf 2 Stunden und 15 Minuten reduzierte. Matthew Locke experimentierte mit neuen ästhetischen Ansätzen und Harmonien, die von seinen Zeitgenossen als ungewöhnlich empfunden wurden. Während des Puritanismus konvertierte er zum Katholizismus und schrieb Theatermusik trotz Bestrebungen, Aufführungen zu verbieten. Seine Semi-Opera „Psyche“ kombiniert Dialoge, Arien und Tanzmusik gleichberechtigt für Schauspieler und Sänger. Lucile Richardot beeindruckte als Oberpriesterin, Élodie Fonnard strahlte als Venus, Tristan Hambleton überzeugte als Pan, und Etienne Bazola als Vulcanus. Zudem begeisterten Caroline Weynants, Blandine De Sansal, Eugénie Lefebvre, Paul-Antoine Benos-Dijan, Vojtech Semerad, Oscar Golden Lee, Randol Rodriguez, Ryan Veillet und Ilia Mazurov. Zum Abschluss gab es eine Tanzmusik von Locke. Langanhaltender Applaus beendete einen Abend, der das Publikum mit einem unbekannten Werk eines vergessenen englischen Barockkomponisten bekannt machte.

Harald Lacina, 9. März 2025


Psyche
Matthew Locke

MusikTheater an der Wien

3. März 2025

Musikalische Leitung: Sébastien Daucé
Ensemble Correspondances