Wien: „Voice Killer“, Miroslav Srnka

Die Oper beginnt am 13.6.2025 in einem Museum in Melbourne, in dem drei Frauen zu dem „Fall“ des Serienmörders Private Edward Joseph Leonski recherchieren. Dieser in Melbourne stationierte US-Soldat hatte im Mai 1942 innerhalb von drei Wochen drei Femizide begangen. Dann wurde er festgenommen, abgeurteilt und nach amerikanischem Militärrecht im November 1942 – 24jährig – hingerichtet. Als Tatmotiv dieser drei Morde, gab der Private immer wieder an, von deren Stimmen derart angetan gewesen zu sein, weil sie ihn an die Stimme seiner Mutter erinnerten und er sich diese Stimme „aneignen“ wollte, also ein „Voice Killer“. Ein spannungsgeladener Plot – für Australien vielleicht – aber was fängt ein Publikum mit diesem Auftragswerk des MusikTheaters an der Wien an?

@ Karl Forster

Im Wesentlichen werden drei Morde in der Oper linear erzählt, wobei der dritte Mord fließend in die Hinrichtung des lächelnden Psychopathen übergeht. Um die Handlung halbwegs verständlich zu machen, sehen wir Rückblenden in die zerrüttete Kindheit des Täters in Brooklyn, seinen tyrannischen Vater und die starke Beziehung zu seiner alkoholkranken Mutter, die ihm Lieder vorgesungen hatte. Den Komponisten Srnka wie seinem, in Tasmanien geborenen, Librettisten Tom Holloway (14.3.1978*), deren Opern South Pole, Singularity und Make No Noise an der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt wurden, interessieren in erster Linie jene drei Frauen, die in den Fokus des Serienkillers allein wegen ihrer außergewöhnlichen Stimme geraten sind. Der negative Held der Oper, der Private, wird auf Grund seiner Schizophrenie immer wieder zwischen dem idealisierenden Bild seiner Mutter und dem seiner Opfer, deren Stimmklang ihm mütterliche Geborgenheit vergegenwärtigen, hin- und hergerissen. Die Situation eskaliert von Mord zu Mord und das nicht nur auf der darstellerischen Ebene. Während der Name des Mörders im Libretto ausgespart bleibt, will die Oper die anonymen Opfer individuell charakterisieren. Am Beginn zählt der Täter – in Anspielung an seine 40 tägige Haft als Soldat – von rückwärts und kichert dabei wie wahnsinnig vor sich hin. Sodann sehen wir die drei Mordopfer in einer roten Telefonzelle im Gespräch, bevor sie ermordet werden. Am Ende der Oper kommt die Mutter des Mörders prophetisch zu Wort, die getöteten Frauen würden – im Gegensatz zu ihrem Mörder – in Vergessenheit geraten. Cordula Däuper zeigt in ihrer Inszenierung eine Vielzahl von dokumentarischen Hinweisen und Ausschnitten aus alten Tageszeitungen. Bühnenbildner Friedrich Eggert beließ Teile des Museums im Vordergrund, während sich andere Teile rasch mit einfachen Versatzstücken an die jeweilige Szene (Telefonzelle, Haltestelle, Feldbett, Hausportal) anpassten und so einen fließenden Szenenwechsel ermöglichten. Sophie du Vinage kreierte die jeweils zeitgemäßen Kostüme der 40er Jahre bzw. der Gegenwart, während Franz Tscheck die Szenen eindrücklich beleuchtete.  

@ Karl Forster

Der Komponist Miroslav Srnka ließ die Protagonisten alle stimmlichen Mittel zur Steigerung der Spannung ausreizen. Klänge und Geräusche, erzeugt von Flöte, Piccolo- wie Bassflöte, Klarinetten, Bassklarinetten, Horn, Trompeten, Posaunen, Akkordeons, Vibraphonen, Marimbas, einem Klavier, Violinen und Violas sowie Violoncelli und Kontrabässen zeugen von der hohen intellektuellen Handschrift des Komponisten zu Lasten eines mehr emotionalen Zuschnitts. Es ertönt dann eine sich steigernde, repetierende Melodie, die mich an die 40 Peitschenhiebe erinnern, die Pilatus über Jesus in der Rockoper Jesus Christ Superstar von Andrew Lloyd Webber verhängt. Und ein weiteres déjà-entendu war der Song „You Look like an Angel“ von Elvis Presley aus „You’re the Devil in Disguise“, 1968, der kurz zitiert  wurde.  Von der Stimmlage her konnten die drei Soprane den Opfern kaum individualisierende Charaktere zuweisen. Caroline Wettergreen als Ivy McLeod und Holly Flack als Pauline Thomson drangen zu teils koloraturgespickten atmosphärischen Höhen bis zur akustischen Schmerzgrenze vor, während sich Nadja Stefanoff als Gladys Hosking zu weniger extremen Höhen verstieg. Der Private wurde von Bassbariton Seth Carico sehr expressiv gesungen. Ihm haftet der Odem des Muttersöhnchens an. Julian Hubbard gestaltete Gallo, den einzigen Freund des Mörders, warmherzig mit seinem einfühlsamen Tenor. Der deutsch-britische Bassbariton Stephan Loges war in der Doppelrolle des Provost und als herrischer Pappa zu bewundern. Die Momma wurde von der Schauspielerin Jacqueline Macaulay ergreifend gespielt. Finnegan Downie Dear leitete das Klangforum Wien äußerst engagiert, wie den von Erwin Ortner bestens einstudierten 24-köpfigen Arnold Schönberg Chor, der zu Beginn in einer reinen Vokalise reüssierte. Einige Besucher verließen die Vorstellung vorzeitig, dennoch spendete der verbliebene Rest des Publikums allen Mitwirkenden einen warmen Applaus.

Harald Lacina, 17. Juni 2025


Voice Killer
Miroslav Srnka

MusikTheater an der Wien

16. Juni 2025
Premiere: 13. Juni 2025

InszenierungCordula Däuper
Musikalische Leitung: Finnegan Downie Dear
Klangforum Wien