Bremen: „Otello“, Giuseppe Verdi

© Jörg Landsberg

Weiße, kahle Wände und ein kreisrundes, schwarzes Loch im Hintergrund sowie eine mit Leuchtröhren bestückte Scheibe in gleicher Größe, die in verschiedenen Positionen über der Szene schwebt und die handelnden Personen wie unter einem Brennglas in gleißendes Licht taucht. Mehr gibt es im Bühnenbild von Sebastian Hannak nicht zu sehen. Das ist nicht grade spezifisch für Verdis Otello, man könnte in dieser Szenerie eigentlich fast jede Oper spielen. Der Verzicht auf eine konkrete, opulente Bebilderung ist aber kein Verlust, denn die konsequente Schwarz-Weiß-Ästhetik, die sich auch in den Kostümen von Lara Duymus wiederfindet, ist von hohem Reiz. Und Regisseur Frank Hilbrich gelingt es, die tragische Geschichte dank einer bis ins letzte Detail ausgefeilten Personenführung durchgehend fesselnd zu entwickeln. Wie Jago seine teuflische Intrige entwickelt und das Gift der Eifersucht subtil in Otellos Seele träufelt, wird hier spannungsvoll und nachvollziehbar entwickelt. Es ist ein psychologisches Kammerspiel auf höchstem Niveau, das Hilbrich hier aufblättert. Dass bei Shakespeare und Verdi Otello eigentlich ein Schwarzer ist, spielt in dieser Inszenierung keine Rolle. Otello kommt wie Otto Normalverbraucher daher und erinnert etwas an Frank Thiel aus dem Münsteraner Tatort. Sein Selbstbewusstsein ist allerdings eingeschränkt, denn er braucht für die Stärkung seines Egos einen schneeweißen, pelzbesetzten Mantel als äußeres Zeichen seiner Bedeutung. Seine Gattin Desdemona hingegen strahlt natürliche Anmut aus und nimmt huldvoll wie eine Prinzessin die Zuneigung des Volkes entgegen.

Im Hintergrund sieht man wiederholt ein älteres Ehepaar am Küchentisch sitzen. Sollen das Otellos Eltern sein? Hilbrich gibt keine eindeutige Antwort. Jedenfalls verlässt der Mann die Frau – vielleicht liegt darin Otellos Anfälligkeit für Misstrauen und Zweifel begründet. Es ist jedenfalls ein Regieeinfall, der nicht unbedingt zwingend ist.

© Jörg Landsberg

Die Idee, den Chor zeitweilig in den ersten beiden Reihen des Zuschauerraums zu platzieren, sichert den Szenen eine überraschende Wirkung. Wenn sich die Choristen erheben und frontal ins Publikum singen, entsteht ein Klang von überwältigender Wucht (Einstudierung Karl Bernewitz). Der vordere Zuschauerraum wird öfters als Spielfläche mit einbezogen. So stirbt Desdemona nicht auf einem Bett, sondern der Tod ereilt sie in der 1. Reihe.

Bei den Sängern kann sich Michal Partyka als Jago an vorderste Stelle setzen. Er verkörpert mit unglaublicher Intensität das Hinterhältige und das Böse schlechthin. Seine sehr markante Stimme prädestiniert ihn für viele verschiede Rollen, auch wenn nicht unbedingt ein typischer Verdi-Bariton ist. Aber seine ausgeprägte Kunst der Charakterisierung macht seinen Jago zum Ereignis. Allein das „Credo“ ist von schauerlicher Wirkung und sehr hörenswert. Wirklich überzeugende Sänger des Otello sind nicht allzu häufig. Aldo di Toro verfügt über das notwendige stimmliche Fundament und macht seine Sache überdurchschnittlich gut. Er führt seinen Tenor mit kultivierter Kraft und berührendem Ausdruck. Adèle Lorenzi war als Desdemona für spätere Aufführungen vorgesehen, musste aber kurzfristig die Premiere übernehmen. Mit ihrem schlanken und höhensicheren Sopran überzeugt sie uneingeschränkt und gestaltet das „Ave-Maria“ mit inniger Wärme. Der burschikose Cassio ist mit Ian Spinetti ebenso gut besetzt wie die Emilia mit Nathalie Mittelbach. Am Pult der Bremer Philharmoniker sorgt Sascha Yankevych für eine dramatische und gleichzeitig fein austarierte Wiedergabe.

Wolfgang Denker, 14. April 2025


Otello
Giuseppe Verdi

Theater Bremen

Premiere am 13. April 2025

Inszenierung: Frank Hilbrich
Musikalische Leitung: Sascha Yankevych
Bremer Philharmoniker

Weitere Vorstellungen: 16., 21., 26. April, 4., 8., 16. Mai, 9., 17. Juni 2025