Premiere am 05.10.2018
Vom Premierenpublikum euphorisch gefeiert
AIDA, ein Auftragswerk anlässlich der Eröffnung des Suez-Kanals im Jahre 1869 hatte seine Uraufführung am Heilig Abend des Jahres 1871 in Kairo. Giuseppe Verdi vertonte darin die Geschichte um die äthiopische Königstochter Aida, die in ägyptische Kriegsgefangenschaft gerät und sich dort in einen der Krieger des Heeres verliebt. Radames, so sein Name, ist nahezu unerreichbar für die Sklavin Aida, denn Amneris, die Tochter des ägyptischen Königs hat ebenfalls mehr als ein Auge auf ihn geworfen. Hier setzen nun die Macht- und Intrigenspiele ein, die immer dann beginnen, wenn Liebe, Eifersucht und Verlustängste das Denken von Menschen zunehmend beherrschen. Und die sich dann verschlimmern, wenn scheinbare Abhängigkeitsverhältnisse bestehen, wie es im Falle von Aida und Amneris – dort die Pharaonentochter, da die Sklavin aus Äthiopien – der Fall ist.
Gleichzeitig ist Verdis wohl populärstes Werk ein psychologisches, ja geradezu intimes, Kammerspiel, gespickt mit einigen Massenszenen, die dem damaligen Zeitgeist der Entstehung der Oper entsprachen und es ist ein Werk, dass auch die ganz große Bühne füllen kann. Verdi verlangt schon fast einen gedanklichen Spagat um diese Liebesgeschichte, die sie im besten Sinne ist, überzeugend auf die Bühne zu stellen. Also zum einen die Erwartungen des Publikums an die großen und bekannten Szenen der Oper zu befriedigen und zum anderen auch die innigen, die höchst emotionalen Momente, die wahren Seelenspiegel dieses Werkes, überzeugend darzustellen.
Der italienische Regisseur Jacopo Spirei entschied sich dafür „seiner“ Aida auch einen Bezug in die reale, heutige, Welt und Zeit zu geben und ihr aber gleichzeitig auch einen ägyptischen Erwartungsanstrich zu verpassen. Besonders im so bekannten „Triumphmarsch“ lässt Spirei alle möglichen Bezüge, um die es ihm bei seiner Arbeit geht, auf der Bühne umsetzen. Erinnerungen an Fantasyfilme kommen in den Sinn des Betrachters, ein Radames der auch StarWars entsprungen sein könnte, Elbenhaft-anmutende Priester laufen auf und ein Popstar ähnlicher König, der wie seine Tochter Amneris, irgendwie völlig aus der Zeit der Pharaonen herausgefallen zu sein scheint.
Und in allem dann eine Aida, in orangefarbenen und schlichten Gewand, die doch allen noch so bunten Bühnenvögeln immer dann, wenn sie auftritt, jede Farbe, jede Action nimmt und die Aufmerksamkeit aller auf sich zieht.
Im ersten Teil der Inszenierung spielt Spirei mit all diesen Figuren, Zeitsprüngen und Bezügen um dann nach der Pause in wesentlich ruhigeres Fahrwasser zu geraten. Und das im wahrsten Sinne. Die großartige „Nilszene“ lässt er größtenteils im Wasser spielen. Mit 1600 Liter lässt Spirei die Bühne der Oper Dortmund zu einer Nachbildung des Nils werden und nutzt dieses Element dann im weiteren Verlauf der Handlung zunehmend. Die Spannung, die beim Aufeinandertreffen von Aida und ihrem Vater Amonasro, der mittlerweile auch Gefangener der Ägypter wurde, entsteht, ist mit Händen zu greifen. Hier gelingt Jacopo Spirei das, was ich als „Große Opernmomente“ bezeichnen möchte. Zu diesen zählen dann auch noch der gefühlsmäßige Ausbruch von Amneris bei der Verurteilung ihres geliebten Radames und das Finale der Oper mit seiner fast schon überirdisch schön zu nennenden Musik.
Hierzu lässt die Regie beeindruckende Bilder erschaffen. Die geradlinigen Bühnenbilder und Aufbauten von Nikolaus Webern ergänzen und unterstreichen die Intentionen der Inszenierung und nutzen dabei die Größe der Dortmunder Bühne optimal. Insbesondere im Finale der Oper ist das geschaffene Bühnenbild von größter Eindringlichkeit und damit ein besonderer Einfall zur Lösung der Darstellung der Grabesszene. Sarah Rolke kann als Kostümbildnerin förmlich aus dem Vollen schöpfen; bietet ihr doch diese Regie geradezu ein Füllhorn an Möglichkeiten ihrer künstlerischen Arbeit nachzukommen.
Musikalisch ist AIDA immer eine Herausforderung für ein Opernhaus. Höchst anspruchsvolle Partien hat Verdi erschaffen und auch das Orchester reich bedacht, welches lokalen Kolorit, Gefühle und Dramatik dieser Partitur so reich widerspiegeln soll. Das die Dortmunder Philharmoniker diesem Anspruch wieder einmal voll gerecht wurden, mag hier als erstes erwähnt werden. Zusammen mit dem glänzend einstudierten Chor der Oper Dortmund (Leitung Fabio Mancini) bildeten sie einmal mehr zwei sehr tragende Säulen einer Operninszenierung. Dortmunds GMD Gabriel Feltz leitete höchst souverän, und hier besonders auf die dramatischen Höhepunkte der Oper eingehend, die Philharmoniker und das gesamte sängerische Ensemble auf der Bühne. Er dirigierte im wahrsten Sinne italienische Oper!
Sängerisch wurden die Premierenbesucher ebenfalls verwöhnt!
Fritz Steinbacher, auch noch aus dem bisherigen Ensemble dem Dortmunder Opernfreunden bekannt, sang den Boten. Die Oberpriesterin sang und spielte Natascha Valentin. Beide gewohnt überzeugend.
Dem König von Ägypten, jenem ausgeflippten Typen vom Nil, gab der Dortmunder Neuzugang Denis Velev starkes persönliches und gesangliches Profil. Dies gilt ebenso auch für Shavleg Armasi, der einen kraftvollen und raumfüllenden Ramfis sang und ebenfalls großen Applaus erhielt.
Der Partie des Radames verlieh der mexikanische Tenor Hector Sandoval viel Gefühl und Ausdruck, wirkte aber stimmlich an diesem Abend nicht ganz so kraftvoll wie seine gesanglichen Mitstreiter auf der Bühne. Nichtsdestotrotz gelangen ihm schön und zart gesungene Passagen, insbesondere in der schwierigen Eingangsarie „Celeste Aida„.
Besonderer Jubel und Bravochöre für die folgenden Sängerinnen und Sänger: Ich beginne mit Amonasro, gesungen von Mandla Mndebele . Er war ab dem ersten Moment an überzeugend. Er verlieh dieser Partie eine enorme körperliche Ausstrahlung und sang diese anspruchsvolle Baritonpartie auf höchstem Niveau. Das Duett im Nil mit Aida ist einer der Höhepunkte dieser Dortmunder Inszenierung. Bravo Mandla Mndebele für diesen Einstand in Dortmund und für einen der besten Amonasro, den ich in den letzten Jahren erleben durfte!
Und ähnliches gilt auch für die Sängerin der Amneris, die südkoreanische Mezzosopranistin Hyona Kim. Sie war mir schon bei ihrem ersten Dortmunder Auftritt im Rahmen der Dortmunder Sommerkonzerte 2018 sehr positiv aufgefallen und meine Erwartung an sie war dementsprechend. Und sie enttäuschte nicht. Ganz im Gegenteil: sie sang eine Amneris die das Publikum begeisterte. Allein ihr phantastisch emotional herausgeschleudertes „Empia Razza! Anatema su voi!“ im vorletzten Bild war schon die Anreise nach Dortmund wert und riss mich förmlich vom Stuhl.
Tja, und dann war da noch die Aida von Elena O’Connor eine Sopranistin von Anmut und stimmlicher Schönheit. Ein ganz besonderes Timbre in der Stimme, welches für die Gestaltung einer solchen Partie von so großer Bedeutung ist. Ein Glücksfall für jedes Opernhaus welches diese Oper auf dem Spielplan hat. Sie, die fast immer auf der Bühne zu sehen ist, die schwierigste Arien und Duette zu singen hat, die Gefühle und inneren Zwiespalt wie keine andere Handlungsperson darstellen muss – mit Elena O’Connor hat die Oper Dortmund eine großartige Besetzung für diese überaus anspruchsvolle Opernpartie gefunden. Bereits nach ihrer ersten großen Szene „Ritorna vincitor“ war der Eindruck überwältigend. Und das steigerte sich im Verlauf der Oper minütlich. Verdienter Jubel für die amerikanische Sopranistin, an der auch sicher Verdi selbst seine Freude gehabt hätte.
Heribert Germeshausen ist seit diesem Wochenende nun offiziell neuer Chef der Oper Dortmund. Wo andere ihren beruflichen Einstand mit Canapés und Sekt geben, tat er es mit Stimmen. Und seine Auswahl war exzellent. Da will man mehr, da geht man wieder hin. Die Oper Dortmund ist eben die Oper Dortmund! Und Verdi geht sowieso immer!
Detlef Obens 7.10.2018