Dortmund: „Das Rheingold“, Richard Wagner

So unkonventionell es sich darstellte, war es ein erfrischendes und in seiner ganz und gar ungewöhnlichen Konzeption neues Rheingold, das am 9. Mai 2024 in Dortmund Premiere hatte! Regie führte Peter Konwitschny im Bühnenbild und mit den Kostümen von Jens Kilian sowie im Licht von Florian Franzen.

Im ersten Bild tobt Alberich mit den Rheintöchtern um den roten Bühnenvorhang herum, nachdem in fast völligem Dunkel Gabriel Feltz mit den Dortmunder Philharmonikern den Es-Dur-Akkord über 136 Takte spannend vorgetragen hat und viel Bühnennebel das Geschehen umwehte. Ein pelzgewandeter Alberich treibt mit anmutigen Rheintöchtern ein verständliches Spiel um erotische Zuneigung. Wenn das Goldmotiv erklingt, geht der Vorhang auf, und man sieht eine riesige Goldfläche in Form eines Goldteppichs auf der Bühne. Bei seinem Fluch auf die Liebe zieht Alberich ihn zusammen und entfliegt damit in die Höhe – eine großartige Idee – einmal etwas ganz Anderes und Originelles!

© Thomas M. Jauk

Im zweiten Bild, bei offener Verwandlung, sieht man sich auf einmal in Alt-Germanien. Man meint, die Varus-Schlacht stehe kurz bevor. Die Götter sind als Germanen verkleidet in unmöglich wirkenden rustikalen Pelz-Aufmachungen aus der Urzeit. Wotan, dem Stammesführer, dient ein Dinosaurier-Oberschenkelknochen mit den berühmten Runen anstelle des bekannten Speers. Die Riesen sind gewaltige große Kerle. So ungewöhnlich es ist, es stimmt aber im Zusammenhang mit den fellgedeckten Zelten und dem primitiven Gestühl samt Feuerstelle. Freia sitzt allerdings – etwas interkulturell gewagt – in einem Indianerzelt. Sie ist recht hübsch und auch sichtlich verliebt in Fasolt, eine menschliche Note! Typisch für Konwitschny.

Im dritten Bild in Nibelheim ist auf einmal alles verblüffend anders! Man sieht sich in den grauen Schluchten von Manhattan. Alberich hat es in kürzester Zeit geschafft, mit dem Gold und der Knechtschaft der Nibelungen eine riesige Stadt zu gründen. Er sitzt nun im schwarzen Anzug elegant wie ein Unternehmer und befiehlt in seinem Reich. Was aber nun produziert wird, ist kein Gold, sondern eine Mini-Ausgabe der deutschen V2, mit der die Nazis am Ende des II. Weltkriegs London beschossen. Es geht hier um Waffenproduktion in großem Stil, und das wirkt in der Tat beängstigend. Die Nibelungen treten kurz mit Bauteilen der Rakete in Erscheinung, bevor Alberich in seiner ersten Verwandlung, statt einen Drachen zu zeigen, einen riesigen Schatten auf Manhattan wirft. Sein Fang als Kröte, nicht sichtbar, bleibt hingegen völlig unspektakulär.

Im letzten Bild sind wir nach Lichtung des Nebels wieder bei den Germanen. Statt des Goldes wird der Nibelungenschatz in Form von etwa 50 dieser Mini-V2-Raketen hochgefahren, die auch noch radioaktiv sind. Ein klarer Bruch mit der German-Ästhetik! Erda kommt nach ihrem eleganten Auftritt im Siegfried nun als Bag-Lady mit einem Einkaufswagen voller Plastiksackerln und einem kompletten Kindergarten auf die Bühne. Vielleicht bestand hier ein besonderes Interesse der Intendanz, die sich auf diesem Gebiet in der Tat sehr engagiert, jungen Nachwuchs für die Oper zu interessieren. Sogar Babys wurden gewickelt… Es machte jedenfalls weit weniger Sinn als die Waffenproduktion statt des Goldes.

Auch das Finale hielt noch ein paar Überraschungen bereit. Erst kommen die drei Rheintöchter als Krankenschwestern mit Rollstühlen für alle Götter auf die Bühne, ziehen ihnen die Germanen-Klamotten aus und heutige Kleidung an und setzen die offenbar schon jetzt altersschwachen Götter in die Rollstühle. Freia bleibt schon gleich leblos zurück. Die übrigen rollen unter einem Regenbogen-Banner mit der Aufschrift „Falsch und feig‘ ist, was dort oben sich freut“ in die Dunkelheit hinaus – von Walhall natürlich auch gar keine Spur… Das Göttergeschlecht ist also demonstrativ dem Untergang geweiht, und der nun feuerrote Loge versinkt im Bühnenboden. Mit der dazu erklingenden Musik von Wagner hatte das freilich wenig zu tun… Auch wenn es Sinn machte, es wirkte doch ein bisschen skurril und vielleicht auch zu viel auf einmal. Weniger hätte in diesem Moment vielleicht mehr sein können.

© Thomas M. Jauk

Bei der Besetzung gab es Licht und Schatten. Michael Kupfer-Radecky war ein nicht ganz überzeugender Wotan. Ks. Morgan Moody war ein guter Donner, aber nicht mehr. Sungho Kim ließ hingegen als Froh einen klangvollen Tenor erklingen. Exzellent war wieder Matthias Wohlbecht, diesmal als raffiniert agierender und bestens singender Loge mit seinem Charaktertenor. Ruth Katharina Peeck sang eine gute Fricka ebenso wie Irina Simmes eine auch emotional engagierte Freia. Melissa Zgouridi beeindruckte trotz nahezu unmöglichen Auftritts wieder als Erda mit ihrem klangvollen Alt. Joachim Goltz war ein exzellenter Alberich, prägnant, mit kristallklarer Diktion und einer hervorragenden Phrasierung sowie starker Mimik. Mime war Fritz Steinbacher und Fasolt der wieder sehr gute Denis Velev mit expressivem prägnantem Bass. Artyom Wasnetsov gab einen guten und beängstigenden Fafner. Die Rheintöchter Sooyeon Lee, Tanja Christine Kuhn (die auch schon erfolgreich die Senta singt), sowie Marlene Gaßner waren stimmlich ebenfalls sehr gut.

Gabriel Feltz dirigierte die Dortmunder Philharmoniker sehr dynamisch und mit perfekter Harmonie zwischen Graben und Bühne. Das Publikum war sehr angetan und beklatschte die Sänger differenziert. Feltz und das Orchester bekamen besonders viel Applaus – zu Recht. Ein insgesamt starker Abend für die Oper Dortmund!

Klaus Billand, 31. Mai 2025


Das Rheingold
Richard Wagner

Oper Dortmund

Besuchte Aufführung am 24. Mai 2025
Premiere am 9. Mai 2024

Inszenierung: Peter Konwitschny
Musikalische Leitung: Gabriel Feltz
Dortmunder Philharmoniker