Freiburg: „Hänsel und Gretel“, Engelbert Humperdink

„In einer Theatervorstellung werden die erwachsenen Hänsel und Gretel schmerzlich daran erinnert, dass sie als Kinder von der Mutter aus dem Haus gejagt wurden. Sie werden ins Bühnengeschehen hineingezogen und durchleben das kindliche Unglück aufs Neue, um sich von der traumatischen Erfahrung ihrer Kindheit zu lösen“ (Theater Freiburg)

©  Laura Nickel

Die Regisseurin Kateryna Sokolova hat Humperdinks Oper ausgezeichnet auf die Bühne gebracht. Es wird Kinder- und Jugendgerecht agiert und gesungen. So bleibt die Handlung für Kinder auch ohne lange Einführung verständlich.

Das soziale Umfeld, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der im Werk dargestellten Familie, machen dieses Werk auch für die heutige Zeit, unserer zwischen arm und weniger arm geteilten Gesellschaft, aktuell.

Es mag sein, dass für moderne Inszenierungen das Bühnenbild von Nikolaus Webern etwas überladen daherkommt. Diese plakative Dekoration hilft aber dem Verständnis, was das Werk aussagen möchte. Ebenso werkgerecht sind die Kostüme von Constanza Meza-Lopehandia.

©  Laura Nickel

Die Personenführung der ukrainischen Regisseurin ist makellos. Sie vermeidet hektische Tätigkeit auf der Bühne, sie achtet auf Körpersprache, Mimik und Gestik. Sie vermeidet Gesang im hintersten Winkel der Bühne ebenso wie das Rampensingen. All diese Eigenschaften der Regie machen die Oper aus der Hand Engelbert Humperdink’s zu einem reinen Vergnügen.

Zu diesem Vergnügen tragen auch alle Sängerinnen und Sänger bei. Als der Besenbinder Peter steht Juan Orozco auf der Bühne. Perfekt in Intonation und Diktion unterstreicht er seine Auftritte mit ausgezeichneter Körpersprache und Gestik. Seine Frau Gertrud wird gesungen von Anja Jung, welche auch eine wunderbar dargestellte Knusperhexe singt und spielt. Ihren hervorragenden Gesang speziell zu loben, ist überflüssig. Sie ist einfach Spitze!

©  Laura Nickel

Inga Schäfer als (Hänsel) und Maeve Höglund (Gretel) geben ein perfektes Geschwisterpaar. Ihre Körpersprache und Gestik kommen in jeder Szene glaubhaft daher. Man spürt ihre Angst, man fühlt aber auch die Kraft, welche die Beiden ausstrahlen. Ihre Intonation und Diktion sind jeder Lage ohne jegliche Einschränkung gewachsen.

Als Führerinnen durchs Spiel sehen und hören wir als Sandmännchen Alina Kirchgässner und als Taumännchen Janina Staub. Auch diese beiden Künstlerinnen singen und spielen mit Freude und viel Einsatz.

Das Philharmonische Orchester Freiburg unter der Stabführung von André de Ridder spielte die Komposition mit viel Gefühl und Präzision, ohne zu bombastisch zu werden. Eine Gefahr, welche in einigen wenigen Akkorden durchaus vorhanden wäre.

Ein rauschender, langanhaltender Applaus des zahlreich erschienen Publikums belohnt die Leistung auf, hinter und unter der Bühne

Peter Heuberger, 10. Oktober 2023


Hänsel und Gretel
Engelbert Humperdink
Theater Freiburg

Besuchte Premiere: 1. Oktober 2023

Musikalische Leitung: André de Ridder
Philharmonisches Orchester Freiburg