Markus Lamers, 04.10.2020 Bilder: © Matthias Stutte
Am 14. Juni 2020 fand nun doch, man möchte sagen endlich, mein erster echter Theaterbesuch nach gut drei Monaten statt, mal abgesehen von einem wunderbaren Open-Air-Konzert zu Pfingsten. Wie bereits berichtet spielt das Theater Krefeld – Mönchengladbach derzeit an den Wochenenden bis zu den Sommerferien einen ganz besonderen Spielplan, bei dem zu den Vorstellungen im großen Saal nur maximal 70 Zuschauer zugelassen sind. Diese fanden sich am Sonntag in Krefeld zu „Heute Abend: Lola Blau“ auch komplett ein, bereits einen Abend zuvor lief das Musical im Theater Mönchengladbach. In ungewöhnlichen Zeiten will ich diesen Bericht auch ausnahmsweise ungewöhnlich beginnen, und zwar mit dem sonst doch allgemein bekannten Prozedere vor der eigentlichen Vorstellung. Direkt am Eingang wird man als Zuschauer persönlich begrüßt und auf die bereitstehenden Desinfektionsmittel hingewiesen. Im nächsten Schritt werden die gebuchten Plätze von einer freundlichen Mitarbeiterin des Hauses auf ihrem internen Saalplan abgehakt und es wird sichergestellt, dass zusammenhängende Plätze auch nur von einem Haushalt erworben wurden. An einem Pult werden anschließend Name, Adresse und Kontaktdaten aufgenommen, eine Garderobe steht derzeit nur in der Form zur Verfügung, dass zwei separate Ständer für Jacken bereitgehalten werden. Nach einer weiteren kurzen Erklärung des Einbahnstraßen-Wegesystems hoch zur Bar und auf der anderen Seite wieder herunter, darf man sich aber frei im Haus bewegen. Auch wenn dies nun vielleicht für den ein oder anderen abschreckend klingen mag, das Theater hat sich hier wirklich Gedanken gemacht und diese auch durch Einsatz von sehr viel Personal ganz hervorragend entsprechend umgesetzt, hierfür ein ganz großes Lob an die Verantwortlichen des Hauses. Dies geht sogar so weit, dass man vor der Treppe zu den Toilettenräumen von einer weiteren Mitarbeiterin gebeten wird kurz zu warten, wenn sich bereits zwei Leute im Untergeschoss befinden.
Doch nun zur eigentlichen Aufführung: Vor einigen Jahren lief das leider viel zu selten gespielte Musical „Heute Abend: Lola Blau“ von Georg Kreisler bereits einmal als vollständige Inszenierung am Gemeinschaftstheater. Gabriela Kuhn stellte sich mit dieser Produktion quasi dem Publikum am Niederrhein vor, nachdem sie ins Ensemble des Theaters gewechselt war. Es handelt von der jüdischen Sängerin Lola Blau die das Theater von ganzem Herzen liebt und gerade eine Anstellung am Landestheater Linz übernehmen will, als der Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland verkündet wird. In Basel will sie sich mit ihrem Freund am Hauptbahnhof treffen, doch dieser erscheint nicht zur Verabredung. Später stellt sich heraus, dass er kurz vor dem Treffen verhaftet und in Konzentrationslager Dachau gebracht wurde. Auch die anfangs noch sehr naive Lola Blau erhält kurz darauf die staatliche Anweisung, die Schweiz verlassen zu müssen. Ihr gelingt die Reise nach Amerika, wo sie schnell in Bars und Nachtclubs als Sexsymbol gefeiert wird. Die Härte und die Unerbittlichkeit des Showgeschäftes drängen sie aber in die Vereinsamung und zur Flucht in den Alkohol. Nach dem Krieg kehrt sie zurück nach Österreich, sieht aber das Land und die Menschen dort in einem ganz anderen Licht, denn fast alles ist nicht mehr so, wie es einst war. Der österreichische Autor und Komponist Georg Kreisler schrieb dieses Stück für eine Sängerin und einen Pianisten Anfang der 70er-Jahre und ließ einige autobiografische Aspekte ins Werk einfließen, denn auch er flüchtete während der nationalsozialistischen Diktatur in die Vereinigten Staaten.
Für diese zwei Aufführungen am niederrheinischen Gemeinschaftstheater erarbeitete die junge Regisseurin Helena Jackson zusammen mit Sopranistin Gabriela Kuhn und dem Pianisten Karsten Seefing, der den Abend wunderbar am Klavier begleitete, eine eigene Kurzfassung des Musicals, die das Werk auf ca. 65 Minuten verkürzt. Insbesondere Fräulein Blaus Leben in Amerika wurde hier fast komplett entfernt, so dass ihr dortiger Niedergang leider nur etwas bruchstückhaft zu erahnen ist. Auch auf Kulissen wurde weitestgehend verzichet, die verwendeten Bilder stammen aus der der ursprünglichen Inszenierung im Jahr 2010. Dennoch ist das Stück derart stark, dass es auch trotz dieser den Umständen geschuldeten Bearbeitungen noch nachhaltig beeindruckt. Hierzu reichen auch die wenigen Requisiten wie ein Telefon, ein Stuhl, eine Weinflasche und ein altes Mikrophon schon aus. Den Einbau eines aktuellen Bezuges hat man auch nicht gescheut, denn im Lied von „Frau Schmidt“ ist auch der Virus nicht mehr so wie er mal war. Insgesamt durfte der Zuschauer hier eine gute Stunde bei Liedern wie beispielsweise „Sie ist ein herrliches Weib“ mitlachen und ebenso bei der tragischen Lebensgeschichte der Titelfigur mitleiden. Ein bewegender Theaterabend, der dem Zuschauer hier präsentiert wurde. Und unter den allseits bekannten Umständen bekommt die in dieser Version gewählte Eröffnung mit „Im Theater ist was los“ gleich eine passende zweite Bedeutung.
Markus Lamers, 15.06.2020
Bilder der ursprünglichen Inszenierung: © Matthias Stutte