Wien: „Elektra“

Aufführung am 06.02.2020

Nach einer durchaus durchwachsenen Aufführung von „Leonore“ am Vortag, zu der meine Vorrezensenten alles gesagt haben, was es zu sagen gibt, konnte die erste Aufführung der aktuellen Elektra-Serie wieder versöhnen.

Eines hat diese Produktion mit der vorher erwähnten aber gemeinsam – das, was Regisseur Uwe Eric Laufenberg gemeinsam mit Bühnenbildner Rolf Glittenberg und Kostümbildnerin Marianne Glittenberg auf die Bühne stellen, ist – um es mit den Worten des Philosophen Edwin Neugebauer zu sagen (und bitte die Lautsprecher einschalten) –

https://www.youtube.com/watch?v=B2DQ651FtK0

Weitere Worte dafür zu verlieren wäre verlorene Liebesmüh, daher gleich zum Musikalischen, und das entschädigte für das, was auf der Bühne geboten wurde.

Michael Volle, der sein Rollendebüt an der Wiener Staatsoper feierte, gilt zu Recht als einer der aktuell hervorragendsten Vertreter seines Faches. Ich kann mich nicht erinnern in den letzten 15 Jahren einen derart überzeugenden Darsteller des Orest erlebt zu haben. Eine perfekte Diktion, toll geführte Stimme – er ließ an diesem Abend keinen Wunsch offen.

An zweiter Stelle der „Hall of Fame“ möchte ich ex aequo das Orchester der Wiener Staatsoper und deren Dirigenten Semyon Bychkov nennen. 105 Minuten lang war Dramatik pur aus dem Orchestergraben zu hören – es gelang Bychkov aber auch, die kleinen Zwischentöne, die man in der Partitur auch findet, zum Erklingen zu bringen. Das war Spielkultur vom Feinsten!

Simone Schneider (ebenfalls zum ersten Mal am Ring als Chrysothemis zu erleben) war ebenfalls umwerfend – da fand man eine der Elektra gleichwertige und starke Tochter des Agamemnon auf der Bühne, die allerdings – im Gegensatz zu der ihr verbliebenen Schwester – andere Vorstellungen von ihrer Zukunft hat. Schneider legte die Rolle dramatischer als viele ihrer Rollenvorgängerinnen an und überzeugte mit sicheren Höhen und präziser Aussprache. Auch sie erhielt den ihr zustehenden Applaus (den meisten heimste zu Recht Michael Volle ein).

Ihr Debüt an der Staatsoper feierte die amerikanische Sopranistin Christine Goerke – und das mit einer durchaus beeindruckenden Leistung. Sie hat genug Kraft für die Rolle (immerhin steht sie fast ununterbrochen auf der Bühne) und überzeugte besonders in den tiefer gelegenen Passagen, während sie manchmal in der Höhe ein wenig schrill klang – ob gewollt oder ungewollt sei jetzt dahingestellt.

Was soll man zur Leistung von Waltraud Meier sagen? Die Wagner-Ikone erinnerte zu Beginn ihres Auftrittes an vergangene Zeiten, aber mit Fortlauf der Aufführung konnte sie die Tatsache, dass ihre Karriere schon sehr lang dauert, nicht verleugnen. Aber wieder – für die Klytämnestra ist das absolut akzeptabel.

Etwas enttäuscht war ich vom Aegisth des Abends, Norbert Ernst. Ich habe von ihm schon bessere Abende erlebt, an denen seine Stimmer in der Höhe nicht flackerte.

Die Comprimarii seien auch genannt – Thomas Ebenstein ließ als junger Diener aufhorchen, unauffällig Simina Ivan (Vertraute), Zoryana Kuspler (Schleppträgerin), Dan Paul Dumitrescu (alter Diener), Donna Ellen (Aufseherin), die Dienerinnen (Jung Won Han, Maria Isabel Segarra, Kaya Maria Last, Jozefina Monarcha, Sabine Kogler, Zsuzsanna Szabó). Die Mägde (die aktuell viel beschäftigte Monika Bohinec, Martrita Gritskova, Ulrike Helzel, Lydia Rathkolb und Ildikó Raimondi) konnten sängerisch und schauspielerisch überzeugen, von ihnen stach – dank ihrer Rolle als 5.Magd – Raimondi hervor.

Nach dem Leonore-Desaster des Vortags versöhnte diese Vorstellung – ich hoffe, dass die Gerüchte stimmen und diese Laufenberg-Produktion gekübelt wird und die Vorproduktion wieder auf die Bühne kommt.

Kurt Vlach, 7.2.2020