Vorstellung am 04.04.2019
Bryan Hymel und Olga Olga Bezsmertna
Fotos: Wiener Staatsoper / Pöhn
Eine Repertoireaufführung in Hausbesetzung mit einem internationalen Star als Gast, der aber dann auch nicht so sehr überzeugte. Im Endeffekt war für den stürmischen Schlussbeifall des Publikums für „La Bohème“ ja doch vor allem Puccini verantwortlich – auch bei Verdi stirbt’s sich schön, aber so herzzerreißend wie bei Puccini? Der spanische Dirigent Ramón Tebar heizte die Musik vor allem an, wenn sie mit den Protagonisten weint und leidet – eine mehr kraftvolle als subtil-differenzierte Interpretation, die aber eben ihre Wirkung tat.
Der gastierende Star war der Amerikaner Bryan Hymel. Man hat ihn zwar schon vor fünf Jahren (wie die Zeit vergeht!) in „Madame Butterfly“ gesehen, damals hat er keinen besonderen Eindruck hinterlassen, aber das liegt meist an der Rolle und der überbordenden Hauptdarstellerin. Ein Rodolfo hingegen kann (nicht nur Pavarotti hat es immer wieder bewiesen) unbedingt der Star des Abends sein. Und Starqualität muss Hymel haben, sonst wäre er nicht ununterbrochen zwischen Met und London, Scala und Paris, Berlin und München unterwegs.
Noch nicht 40 Jahre alt und gut aussehend – warum war man nicht schrankenlos begeistert? Hat er doch immer wieder einmal dieses herrliche Puccini-Schluchzen hören lassen, das gar nicht so einfach ist. Doch – die Stimme ist eigentlich zu hart und sie hat ziemlich oft einen unangenehm gequetschten Beiklang (vor allem zu Beginn – zu wenig eingesungen?). Und wenn dieser Liebhaber auch Dramatisches zu singen hat – bei dieser Rolle sind ja doch die Tenöre, deren Stimme mit schmilzt, am besten aufgehoben. Interessanterweise schien das Publikum, das am Ende jubelte (weil’s, wie gesagt, gar so schön ist), doch während des ganzen Abends die Defizite gespürt zu haben: Es wurde nach den Arien zwar geklatscht, aber meist kurz und nicht wirklich stürmisch oder begeistert. Dafür bestand auch kein Anlass.
Olga Bezsmertna ist fraglos eine wertvolle und viel eingesetzte „Stütze des Ensembles“, aber die begeistern ja bekanntlich selten. Diese Mimi, mit leise umflorter, in der Mittellage schwacher, in der Höhe manchmal scharfer Stimme gesungen, die dennoch immer wieder wunderschöne Piani und Phrasen hören ließ, hatte nicht nur eiskalte Händchen (so konturlos ist die große Einstiegsarie der Mimi selten vorbei geflossen), sondern war auch gewaltig blaß. Von Anfang an – und bis zum Ende. Die kleine Pariser Näherin mag eine graue Maus sein – aber sie hat eine der größten, effektvollsten Sopranrollen der Opernliteratur. Das hat man an diesem Abend nicht gemerkt.
Da kam die zweite Dame des Abends mit der Musetta besser zurecht (und das ist, wie man weiß, keine aufgelegte Partie, da hat man manche Dame scheitern gesehen). Maria Nazarova bewältigt sie mit ihrem kräftigen, technisch so bemerkenswert geführten Glocken-Sopran, und spielt in Akt 2 und 3 das mutwillige Teufelchen, das als Mimi-Kontrast unerlässlich ist. Sie wäre aber keine gescheite Sängerin, wenn sie aus der Wandlung zur liebe- und mitleidsvollen Freundin der Sterbenden im 4. Akt nicht vieles für sich herausholte. Das stimmte, und Boaz Daniel als ihr Marcello versuchte kräftig (stimmlich und darstellerisch), mit diesem Temperament Schritt zu halten.
Weniger überzeugend sind die anderen Herren des Künstlerquartetts ausgefallen, wobei Manuel Walsernicht der Erste ist, der aus dem Schaunard nichts machen konnte (es ist einfach zu wenig drin in der Rolle), Ryan Speedo Green als Colline bei seiner Mantel-Arie allerdings klang, als nähe ein stimmlicher Greis hier finalen Abschied. Wolfgang Bankl als Benoit und Alcindoro war um Komik bemüht – er kann nichts dafür, dass wir einen Kollegen nicht vergessen können, der einfach von selbst a priori bis in die Fingerspitzen komisch war.
So gab es eigentlich nichts, was diesen Repertoireabend ausreichend aufgeputzt hätte, dass man ihn in die Liste seiner großen „Bohème“Erlebnisse einreihen würde.
Renate Wagner 7.4.2019