Diese Neuinszenierung von Monteverdi „Die Krönung der Poppea“ hat einen ungewöhnlichen Weg hinter sich: Ursprünglich sollten Immo Karaman und Fabian Posca im Oktober 2021 Händels „Giulio Cesare“ auf die Bühne bringen, was dann allerdings durch das Hochwasser vom 14. Juli, bei dem auch das Wuppertaler Opernhaus überschwemmt wurde, verhindert wurde. Anstatt den ursprünglich geplanten „Cäsar“ auf die Bühne zu bringen, begab man sich dann aber auf die Suche nach einem neuen Stück für das bereits gebaute Bühnenbild und entschied sich für die „Poppea“.
Diese Bühne, die von Regisseur Immo Karaman entworfen wurde, ist eine graue rechteckige Spielfläche, die nach hinten durch immer neue Fassaden und Wände, die sich aus dem Schnürboden herabsenken, begrenzt wird, wodurch sich eine Vielzahl von Räumen ergeben. Diese durchweg grauen Räume lassen die Akteure stärker in den Mittelpunkt rücken.
Das Regieduo Immo Karaman (Regie und Bühne) und Fabian Posca (Kostüme und Choreographie) ist für anspielungsreich-doppeldeutige Inszenierungen bekannt, in denen eine Vielzahl Spuren gelegt werden, in denen sich das Publikum auf die Suche nach der Wahrheit der Geschichte begeben muss. Beispiele dafür sind Prokofjews „Der feurige Engel“ in Düsseldorf oder Verdis „Otello“ in Hannover. Nun konzentrieren sie sich darauf die Geschichte um Liebe und Macht im Stile einer 80er-Jahre Seifenoper zu erzählen.
Kostüme und Frisuren wecken Erinnerungen an „Dallas“ und den „Denver-Clan“. Poppea wird zum Starlet, das eine Wiedergängerin von Lady Gaga als Patrizia Gucci in dem Film „House of Gucci“ ist. Nero sieht aus wie Paolo Gucci im gleichen Film, könnte aber auch ein Öl-Millionär, ein Hollywood-Mogul, ein dekadenter Politiker oder auch nur ein alternder Playboy sein. Die Regie bringt die Figuren als alte Bekannte aus Film und Fernsehen auf die Bühne. Für besonders viel Heiterkeit sorgt die Szene im Fitnessstudio, wenn Ottavia beim Aerobic Ottone anstachelt Poppea zu ermorden.
Bei barocken Opern entsteht oft ein großer Kontrast zwischen Musik und Regie, weil man sich zwar einem historischen Originalklang annähern will, gleichzeitig eine moderne Inszenierung zeigt. In Wuppertal ist dies nicht der Fall, denn man spielt die Orchestrierung des belgischen Komponisten Philippe Boesmans, die 2012 in Madrid uraufgeführt wurde: Dies hat auch den Vorteil, dass man keine historischen Instrumente einkaufen muss, sondern das Sinfonieorchester Wuppertal im Graben sitzt. Dirigent Matthew Toogood lässt diese Version mit viel Schlagwerk und Synthesizer funkeln und schillern. Manchmal könnte die Musik aber einen flotteren und dramatischen Fluss vertragen.
Auf der Bühne des Wuppertaler Opernhauses erlebt man ein ebenso spielfreudiges wie stimmlich bestens aufgelegtes Ensemble. Ralitsa Ralinova singt mit ihrem schönen und warmen Sopran eine kokett-kecke Poppea. Catriona Morison gibt mit vollem Mezzo einen machtbewussten Nero, der dank der perfekten Maske schon ziemlich gealtert aussieht, aber trotzdem noch das Singen und Sagen hat.
Countertenor Franko Klisovic verkörpert den Ottone mit sehr kraftvoller, fast männlicher Stimme. Johanna Rosa Falkinger lässt ihren lyrischen Sopran in der Rolle der Drusilla schön leuchten. Sebastian Campione klingt als Seneca meist warm, manchmal aber auch brüchig. Als intelligente Intrigantin gestaltet Mezzosopranistin Anna Alàs I Jove die abgeschobene Kaiserin Ottavia. Sehr berührend singt sie ihr „Addio, Roma“. Ein grell überzeichnete Arnalta spielt John Heuzenroeder. In kleineren Rollen gefällt Hyeujun Kwon mit federleichtem Gesang.
Rudolf Hermes, 5. Mai 2023
Claudio Monteverdi:
„Die Krönung der Poppea“
Oper Wuppertal
Premiere: 30. April 2023
Musikalische Leitung: Matthew Toogood
Regie und Bühne: Immo Karaman
Kostüme und Choreographie: Fabian Posca
Sinfonieorchester Wuppertal