Trier: „The Fly“, Howard Shore

Als Komponist berühmter Filmmusiken wie zu „Der Hobbit“ oder „Der Herr der Ringe“ ist Howard Shore eine internationale Größe, ist schon drei Oscars, drei Grammys und vier Golden Globes ausgezeichnet worden. Auch zu David Cronenbergs „Die Fliege“ aus dem Jahr 1985 schrieb Shore den Soundtrack. Dabei blieb es aber nicht, denn Shore machte schließlich aus „The Fly“ eine Oper, die 2008 am Pariser Theater Chatelet unter der musikalischen Leitung von Placido Domingo uraufgeführt wurde. Dass erst sechs Jahre später die Deutsche Erstaufführung dieses Werkes herauskommt, erstaunt. Am Theater Trier erlebte „The Fly“ ihre deutsche Premiere.

Das Libretto von Henry David Hwang folgt der Geschichte des Filmes, rückt aber die Beziehung der Figuren und ihre Psychologie stärker in den Mittelpunkt. Außerdem wird das Geschehen als Rückblick aus der Perspektive der weiblichen Hauptfigur erzählt: Auf einer Party lernt die Journalistin Veronica Quayle den Wissenschaftler Seth Brundle kennen, der sie zu sich nach Hause einlädt, um ihr seine Erfindung zu präsentieren.

Brundle hat eine Maschine erfunden, die Gegenstände in der Sendekapsel in ihre Moleküle zerlegt und in der Empfangskapsel neu zusammen setzt. Nach mehreren Fehlversuchen gelingt ihm diese Teleportation auch mit Lebewesen. Als er das Experiment auch an sich selbst wagt, wird Brundles DNA mit der einer Fliege vermischt, die sich im Teleporter befindet. Brundle verfügt nun über gewaltige Kräfte und will schon eine neue Menschenrasse heranzüchten, doch bemerkt er das Scheitern des Versuches, als die Gene die Fliege immer mehr überhand nehmen.

Im Film kennt man Howard Shore als Meister epischer Melodien und der stimmungsvollen und dramatischen Umsetzung des Filmgeschehens in Musik. In „The Fly“, die komplett neu vertont wurde und von der Filmmusik nur wenige Takte übernimmt, versucht Shore eine permanente Atmosphäre der Bedrohung und Spannung zu erzeugen. Die Musik befindet sich stets in polyphonen und atonalen Bewegungen und kommt kaum zur Ruhe, was dazu führt, dass sich die Spannungskurve bald totläuft.

Auch fehlen hier Leitmotive, die dem Hörer eine Orientierung ermöglichen könnten, oder Shore versteckt sie so gut, dass man sie nicht wahrnimmt. Erst im zweiten Teil der Oper, wenn Veronica bemerkt, dass sie schwanger ist und sie befürchtet ein mutiertes Wesen zu gebären, gönnt Shore seinen Figuren etwas Ruhe. Das Philharmonische Orchester der Stadt Trier spielt unter Joongbae Jee mit großem Einsatz und man kann nur ahnen, dass die Proben sehr anstrengend gewesen sein müssen. Insgesamt jedoch enttäuscht die kompositorische Umsetzung, da man eine abwechslungsreichere und genauere Zeichnung von Personen und Situationen gewünscht hätte.

Von den Sängern verlangt Shore immense Leistung, denn trotz vieler tonaler Einklänge, scheinen sich die Gesangslinien immer weiter zu entwickeln, ohne auf vorher eingeführtes Material zurückzugreifen. Sehr beeindruckend gelingt Kristina Staneks Interpretation der Veroncia. Die junge Mezzosopranistin singt ihre Rolle mit großer stimmlicher Energie und gestaltet sie abwechslungsreich. Zudem spielt sie ihre Rolle sehr authentisch.

Alexander Trauth als Seth Brundle wirkt hingegen stimmlich und darstellerisch sehr hölzern. Das mag den Anforderungen der Rolle geschuldet sein, aber diese Figur hätte man gerne charismatischer erlebt. Wesentlich agiler präsentiert sich da Tenor Luis Lay als Veronicas Chef Stathis Borans. Lay gefällt mit seinem leicht geführten und schlanken Tenor. Der Chor des Theaters Trier klingt dann am besten, wenn er auf der Bühne als Partygäste oder Menge aktiv sein kann. Wenn der Chor die Stimme der Teleporter-Maschine singt, was ein gelungener Kunstgriff des Komponisten ist, klingt er matt und unpräzise.

Die Inszenierung von Sebastian Welker versucht keine Kopie des Filmes, sondern versucht die Geschichte klar und verständlich mit authentischen Charakteren zu erzählen, was durch die darstellerische Leistung von Kristina Stanek und Luis Lay auch meist gelingt. Das Bühnenbild von Gerd Hoffmann und Arlette Schwanenberg ist einfach gehalten und wird von der Teleport-Maschine dominiert. Lediglich am Ende der Aufführung verzettelt sich Sebastian Welker, wenn der zur Fliege mutierte Brundle mit einem Flak-Geschütz erlegt wird. Das löst unfreiwillige Komik aus, die nicht zur generellen Ernsthaftigkeit der Inszenierung passt.

Der große musikdramatische Wurf, den man von Howard Shore hätte erwarten dürfen, ist „The Fly“ nicht.

Rudolf Hermes 28.01.2014
Bilder: Theater Trier