Wien: „Shakuntala“, Franz Schubert

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Das MuTh lockte mit einer echten Rarität. Man mag davon gelesen haben, dass Franz Schubert eine „Shakuntala“-Oper plante, Genaues wusste man kaum, gehört hat man sie mit Sicherheit noch nie. Nun kamen im MuTh an einem neunzigminütigen Abend jene Teile zur Aufführung, die Schubert fertig gestellt hat. Und wenn man nun auch mit Sicherheit weiß, dass es diese Oper, wäre sie denn ganz geschrieben worden, auch nicht in die Spielpläne geschafft hätte wie der Rest seiner dramatischen Werke – sie einmal zu hören, war zumindest interessant.

Erst unsere Welt hat mit dem „Orient“ im breitesten Sinn so viele Probleme, dass wir kaum auf die Idee kämen, dem „Orientalismus“ zu verfallen. Das war nicht immer so, im Gegenteil – der Norden Afrikas, der Nahe, der Mittlere und der Ferne Osten stellten für Europa seit langem ein Faszinosum dar und eine Inspiration für Literatur, Kunst, auch Musik.

Apropos Musik – bedenkt man etwa, wie viel Mühe sich Puccini mit seinen japanischen und chinesischen Klängen gegeben hat, so hatte Franz Schubert von Indien mit Sicherheit keine Ahnung. Die „Shakuntala“-Dichtung von Kalidasa kam Ende des 18, Jahrhunderts durch Übersetzung in den deutschen Sprachraum, Schubert gehörte offenbar zu denjenigen, die sich dafür begeisterten. Doch er kam rechtzeitig darauf, dass aus dieser wirren indischen Handlung mit ihren Intrigen, ihrer Magie, ihrer Personenfülle kein Opernweg heraus führt. Erhalten blieben Chöre, Arien, ein Duett, ein Terzett, ein Quartett.

Gerald Wirth, der an diesem Abend das Collegium Ennsegg dirigierte (dahinter ballte sich geradezu in Massen der Chorus Juventus), hat die Fassung erstellt. Dass der Abend mit einem indischen Lied eingeleitet wurde, das Gandhi besonders geliebt haben soll, war sehr schön, Vor „Shakuntala“ die Ouvertüre zur „Zauberharfe“ zu spielen, die so tänzerisch-wienerisch daher kommt, war vielleicht keine ganz so gute Idee. Schuberts Musik erwies sich in der Folge als machtvoll (teilweise fast wie religiös angehaucht) in den Chören, dramatisch in den Sängerpassagen, sogar eine komische Einlage gab es. Alles sehr schön, sehr deutsch, aber ohne jene prickelnde dramatische Inspiration, die Opernmusik braucht, um abzuheben. Schubert konnte einfach anderes besser.

Cornelia Horak war die sehr hoch liegende Titelpartie anvertraut, die sie zwar nicht mit frischem, aber dramatischem Sopran bewältigte. Als ihr Liebhaber schmetterte Michael Schade (schade, dass die Staatsoper derzeit auf ihn verzichtet) heldentenorale Töne. Im „Fischer“-Terzett genoß er die sich entfaltende Komik. Irena Weber sang u.a. Shakuntalas Mutter, obwohl sie eher wie deren Tochter wirkte, und Henry Neill hatte mit markigem Bariton fast am meisten zu singen.

Da von Schubert her nichts „Indisches“ kam, hatte man beschlossen, eine indische Tänzerin auf die Bühne zu schicken, die mehrere Nummern gewissermaßen tänzerisch kommentierte. Shovana Narayan schleuderte die Massen ihres roten Gewandes, bot lebhafteste Mimik und nicht so viel vom berühmten Spiel der Hände, das man von indischen Tänzern kennt

MuTh-Chefin Elke Hesse hatte die schwierigste Aufgabe auf sich genommen, indem sie die verbindenden Texte las: Zu Dutzenden und Aberdutzenden kollerten die für unsere Zungen fast unaussprechlichen Namen heraus und machten klar, wie fremd und entfernt diese indische Welt ist.

Nein, eine Oper wäre das nicht geworden. Aber ein musikalischer Raritäten-Abend, den das sehr gut besetzte Haus mit stürmischem Applaus quittierte.

Renate Wagner, 14.10.21

Foto (c) MuTh