Zürich: Dvořák, Ravel, Richard Strauss

Ein wilder musikalischer Hochgenuss unter der Leitung des Tonhalle-Orchester-Debutanten Gianandrea Noseda

Die beinahe ausverkaufte Tonahalle Maag erwartet gespannt den italienischen Dirigenten Gianandrea Noseda, welcher nach Fabio Luisi das Amt des Generalmusikdirektors des Opernhaus Zürich übernehmen wird, und nun mit dem Tonhalle-Orchester zum ersten Mal ein Konzert gibt. Unterstützt wird er dabei von dem ausgezeichneten jungen Pianisten Betrand Chamayou.

Das anspruchsvolle Programm ist sehr abwechslungsreich und kurzweilig. Als Einstieg wird Antonin Dvoraks «Waldtaube» op.110 dargeboten. Seine sinfonische Dichtung über das Leben einer unglücklichen Frau, welche ihren Ehegatten ermordet und schliesslich selbst durch Selbstmord aus dem Leben scheidet, dirigiert Noseda kraftvoll und mitreissend. Besonders die tiefen Streicher begeistern mit ihrer Expressivität. Jegliche Orchestergruppen sind perfekt aufeinander abgestimmt, sowie ausbalanciert, und folgen dem beinahe schon tanzenden Dirigenten auf jeden Schlag.

Nach dem Abklingen des letzten feinen Horn-Einsatzes beginnt auch schon der Umbau zu Maurice Ravels Klavierkonzert in G-Dur. Dafür wird der grosse Steinway-Konzertflügel in die Bühnenmitte geschoben und der im Jahre 1981 geborene französische Pianist Betrand Chamayou setzt sich auf den Hocker. Der junge Ausnahme-Pianist meistert den jazzigen ersten Satz, den leidenschaftlichen und melancholischen zweiten Brückensatz, sowie den nicht minder intensiven dritten Satz, welcher die Themen des ersten Satzes erneut in erhöhtem Tempo und Komplexität aufgreift, mit scheinbar grösster Leichtigkeit. Jede Note – ist sie auch noch so fein – wird von Chamayou hörbar und in einer Klarheit die ihres Gleichen sucht, in den Raum gezaubert. Orchester und Klavier verschmelzen in einen einzigen Guss wunderbarer Musik. Noseda nimmt in Punkto Dynamik und Tempo stets Rücksicht und folgt dem Pianisten in Manier eines guten Kapellmeisters in jedem Takt. Das Konzert ist schmissig, leidenschaftlich -und leider viel zu kurz. Zu Freuden des Publikums spielt Chamayou eine wunderbare Zugabe eines weiteren Stückes von Ravel, um seinen bemerkenswerten Auftritt in der Tonhalle Maag gekonnt abzurunden.

Nach der Pause folgt der dritte und letzte Programmpunkt des Abends. «Also sprach Zarathustra» von Richard Strauss. Der grosse Strauss-Interpret und Dirigentenkollege Christian Thielemann sagte in einem Interview über den Komponisten, dass Strauss ein grosser Parfümeur war, der es verstand seine Werke so genial zu komponieren, dass auch schlechte Orchester mit seinen Werken gut klingen würden. Die kleinen aber wichtigen Nuancen, die den Unterschied machen, können nur gute Orchester und Dirigenten hervorheben. Noseda und das Tonhalle-Orchester machen diese Nuancen hörbar und überzeugen mit grösster Qualität. Die bekannte Einleitung gelingt zügig, walzt durch den Raum und was darauf folgt, ist ein Rausch, aus dem Dirigent, Orchester und Publikum erst beim Schlussapplaus erwachen. Ein Höhepunkt folgt dem Nächsten. Die Streicher flirren, die Holz- und Blechbläser strahlen – es ist ein Musikfest sondergleichen. Auch die feinen Passagen mit dem Solo des Konzertmeisters gelingen anrührend und sind eine willkommene Abwechslung zu den wilden Gefühlsausbrüchen der komplexen Tondichtung, welche an Friedrich Nietzsches Buchvorlage angelegt ist.

Der lange anhaltende und begeisterte Schlussapplaus ist Resultat eines mehr als nur geglückten Debuts Nosedas. Das Publikum bedankt sich beim Orchester und Dirigenten und darf sich freuen Noseda als neuen GMD der Zürcher Oper in Zukunft öfters zu erleben.

Philipp Borghesi, 20.12.2019