Bonn: „Frankenstein junior“, Mel Brooks und Thomas Meehan

Im Jahr 2001 gelang Mel Brooks ein großartiger Broadway-Erfolg mit seinem Musical The Producers, welches auf seinem Film Frühling für Hitler aus dem Jahr 1968 beruht. Zusammen mit Thomas Meehan brachte er seinen Filmerfolg als Musicalparodie auf die Theaterbühne, die im Premierenjahr mit insgesamt 12 Tony-Awards bei 15 Nominierungen ausgezeichnet wurde. Damit löste The Producers nach mehreren Jahrzehnten Hello, Dolly! als Musical mit den meisten Tony-Awards ab. Angestachelt von diesem großen Erfolg nahmen sich Brooks und Meehan im Jahr 2006 den Film Young Frankenstein aus dem Jahr 1974 vor, um auch hieraus eine Musicalversion zu machen. Nach Try-Outs in Seattle feierte das Musical seine Premiere am 8. November 2007 am New Yorker Broadway, konnte aber an die Erfolge von The Producers nicht anknüpfen.

© Emma Szabó

Frankenstein Junior ist hierbei als Parodie auf die großen Horrorfilme der 1930er-Jahre angelegt, insbesondere natürlich die Franksteinverfilmungen der Universal Studios. Hauptfigur ist Dr. Frederick Frankenstein, der sich als erfolgreicher Neurochirurg in New York niedergelassen hat und sich u. a. durch die Aussprache seines Namens „Fronkensteen“ deutlich von den Machenschaften seines Großvaters zu distanzieren versucht. Nach dem Tode seines Großvaters muss Frederick allerdings nach Transsilvanien reisen, damit das Familienschloss nicht in die Hände des Staates fällt. Während die dortige Dorfbevölkerung ausgiebig feiert, den alten Frankenstein endlich los zu sein, freut sich der bucklige Igor dagegen sehr auf seinen neuen Meister. Zunächst noch skeptisch lehnt Frederick jegliche Forschungsversuche ab, doch das Familenanwesen übt mit seinen Geheimnissen einen ganz besonderen Reiz aus. Schlussendlich machen sich Frankenstein Junior und Igor zusammen mit der hübschen Laborassistentin Inga und der rätelhaften Hausdame Frau Blücher daran, eine Leiche zu neuem Leben zu erwecken. Hierbei verläuft allerdings wenig nach Plan. Nicht zuletzt auch weil Igor noch vor der Verpflanzung versehentlich auf das gestohlene Hirn eines ehemals brillianten Wissenschaftlers getreten ist, wirkt das Monster nach der Erweckung nicht besonders „hell in der Birne“. Und so nehmen die weiteren Ereignisse ihren Lauf. Zu allem Überfluss erscheint auch noch Fredericks egozentrische Verlobte Elisabeth in Transsilvanien, was nur zu weiteren Verwicklungen führt.

© Emma Szabó

Musikalisch orientiert sich Mel Brooks wie schon bei den Producers am großen Broadway-Sound vergangener Jahre und parodiert nicht nur seinen eigenen Film sondern auch das Musical-Genre als solches. Immer wieder kommt es zu spontanen Tanzszenen oder große Duette werden liebevoll mit einem Augenzwinkern eingeleitet. Auch die großen Steppnummern dürfen entsprechend nicht fehlen (Choreografie: Sabine Arthold). Unter der musikalischen Leitung von Jürgen Grimm bringt eine relativ große 14köpfige Band den Sound passend zu Gehör. Man könnte fast meinen, hier sitzt ein ganzes Orchester im Graben. Die Inszenierung von Jens Kerbel erweißt sich ebenfalls als eine liebevolle Hommage ans Genre Horrorfilm und trifft damit genau den Kern des Musicals. Gleich zu Beginn wird der Zuschauer in eine schemenhafte Schwarz-Weiß-Welt gezogen, bei der mit einer Projektion des Schriftzuges „Transsilvanien 1934“ auf den Beginn alter Filme angespielt wird. Allgemein kann die Bühne von Momme Hinrichs in allen Bereichen überzeugen. Immer wieder werden geschickt neue Räume geschaffen, was für einen sehr flüssigen Ablauf der Produktion sorgt. Das Lichtdesign von Max Karbe und die Videoeinspielungen von Judith Selenko helfen dabei für die richtigen Stimmungen zu sorgen. So sorgen Blitz und Donner zum Beispiel immer wieder im passenden Moment für das typische Bild bei den wichtigen Experimenten des Doktors. Auch wenn der Humor Mel Brooks durchaus speziell ist und einige Gags heute in der Form sicher niemals mehr geschrieben würden, so ist er allemal sehr unterhaltsam. Erfrischend wie Inga hier als blonde, jodelnde und vor allem sehr nymphomanische Assistentin mit großem Herzen dargestellt wird, denn genau so funktioniert eine Parodie.

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Hinzu kommt eine erstklassige Besetzung, die man im Bonner Opernhaus erleben kann. Mathias Schlung spielt den Frankenstein-Enkel herrlich naiv mit einer bei ihm gewohnt großen Spielfreude. Mit seinen Gedanken stets voll bei seinen wissenschaftlichen Forschungen, scheint es ihn auch nicht zu stören, dass seine Verlobte ihm selbst bei der Verabschiedung am Hafen jeglichen körperlichen Kontakt verbietet. Hier trumpft Bettina Mönch einmal mehr in einer völlig überzogenen Rolle auf, die egomanischer kaum sein könnte. Wie bereits erwähnt, muss Kara Kemeny die Assistentin Inga als Typ „dumme Blondine“ verkörpern, was sie unglaublich charmant macht. Michael Heller ist als Assistent Igor im Dauereinsatz, singt und tanzt fast den ganzen Abend über und sorgt für den ein oder anderen großen Lacher. Etwas ernster ist dagegen die Rolle der Haushälterin Frau Blücher angelegt, die Daniela Ziegler mit einem strengen osteuropäischen Dialekt gibt. Doch auch in ihr lodert ein großes Feuer der Liebe, wie wir im Verlauf des Abends erfahren dürfen. Heimlicher Star des Abends ist allerdings die Musical-Legende Ethan Freeman als Monster, der erst ganz am Ende des rund dreistündigen Abends musikalisch in Erscheinung treten darf. Zuvor kann er nicht in ganzen Sätzen sprechen (und somit natürlich auch nicht singen), sondern stolpert sich viel mehr unbeholfen durch die Geschichte. Hierbei legt er allerdings einen Mimik an den Tag, die ihresgleichen sucht. Als Zuschauer kann man quasi alle Gedankengänge des Monster an seinen Gesichtsausdrücken erkennen. Zudem wurde er von der Kostümbildnerin Verena Polkowski passend in klobige Schuhe gepackt, was ihn nochmal 20 cm größer macht. In diesen steppt er sich aber trotzdem wie selbstverständich duch „Puttin´on the Ritz“, im übrigen der einzige fremde Song, der den Einzug in dieses Musical gefunden hat. Auch die weiteren Rollen sind passend besetzt, so dass dieser Abend vor allem wegen der besonderen Spielfreunde aller Darsteller in durchaus skurielsten Situationen in besonderer Erinnerung bleiben wird.

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Aufgeführt wird in Bonn die komplett deutschsprachige Fassung von Frank Thannhäuser und Iris Schumacher, die ebenfalls zu gefallen weiß. Als besonderer Service werden bei dieser Produktion zudem englische Übertitel angeboten. Insgesamt kann man sich bei Frankenstein Junior herrlich amüsieren und drei Stunden beste Musical-Unterhaltung genießen, wie sie in dieser hochwertigen Form sehr selten zu erleben ist. Zu sehen ist der „monströse Spaß“ in Bonn noch bis Anfang März 2024 in weiteren 16 Aufführungen.

Markus Lamers, 3. Oktober 2023


Frankenstein junior
Musical von Mel Brooks und Thomas Meehan

Theater Bonn

Premiere: 20. August 2023
Besuchte Vorstellung: 1. Oktober 2023

Inszenierung: Jens Kerbel
Musikalische Leitung: Jürgen Grimm
Band des Theater Bonn

Weitere Aufführungen: 16 Termine zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 9. März 2024