Wiesbaden, Konzert: „Sofia Philharmonic Orchestra“

Am 9. November 2023 erlebte das Publikum im Wiesbadener Kurhaus einen wahrhaft außergewöhnlichen Konzertabend. Ursprünglich war im Rahmen der Meisterkonzerte ein Auftritt des Belgrade Philharmonic Orchestras mit dem renommierten Geiger Nemanja Radulović angekündigt. Aufgrund einer kurzfristigen Absage eroberte jedoch ein junges Ausnahmetalent die Bühne: Elias David Moncado, gerade einmal 22 Jahre alt, eroberte die Herzen des Publikums mit einer atemberaubenden Darbietung im Wiesbadener Kurhaus.

(c) Ansgar Klostermann

Das Konzert begann mit Maurice Ravels „La Valse – Poème chorégraphique pour Orchestre“. Unter der fachkundigen Leitung von Nayden Todorov präsentierte das Sofia Philharmonic Orchestra dieses Stück, das von den Wirren des Ersten Weltkriegs inspiriert ist, mit beeindruckender Präzision und Leidenschaft. Bereits der Beginn war ungewöhnlich. Todorov entwickelte das Grundtempo, betont langsam, erzeugte ein Grummeln und Ächzen in den Streichern und Holzbläsern, als würde die Erde sich allmählich bewegen und öffnen. Die orchestralen Farben und dynamischen Abstufungen trugen zur Bildung eines bezaubernden, suggestiven Klangteppichs bei. Das Sofia Philharmonic Orchestra unter Todorovs Leitung zeigte eine bemerkenswerte musikalische Darbietung, die das gesamte Konzerterlebnis bereicherte. Die Ensembleleistung war von höchster Präzision, Ausdruckskraft und Geschlossenheit geprägt. Die Musiker verstanden es, subtile Nuancen in den musikalischen Phrasen herauszuarbeiten und gleichzeitig eine beeindruckende Einheit in der Interpretation der Stücke zu bewahren. In Maurice Ravels „La Valse“ gelang es dem Orchester, die vielschichtigen Facetten des Stücks in lebendigen Farben darzustellen. Die tänzerischen Elemente wurden mit großer Lebendigkeit und Leichtigkeit vorgetragen. Todorovs kluge Leitung trug dazu bei, dass die rhythmischen und dynamischen Schattierungen des Stücks gekonnt umgesetzt wurden, was zu einem mitreißenden Erlebnis führte. Mit äußerst kraftvollen Akzenten steuerte der Klangkörper auf die von Ravel hinreißend in Töne gesetzte Katastrophe zu. Ein starker Beginn!

Der erste Höhepunkt des Abends war zweifellos Ludwig van Beethovens Violinkonzert in D-Dur, Op. 61. Elias David Moncado, erst kürzlich als Stipendiat der Anne-Sophie Mutter-Stiftung ausgezeichnet, brillierte mit einer Technik und einer außerordentlichen Sensibilität, die selbst gestandene Virtuosen in den Schatten stellten. Moncado eröffnete das Violinkonzert mit einem äußerst kraftvollen und ausdrucksstarken Spiel. Sein Spiel im ersten Satz war geprägt von außergewöhnlicher Intensität und beeindruckender dynamischer Bandbreite. Schon in den ersten Takten wurde klar, dass Moncado ein begnadeter musikalischer Geschichtenerzähler ist. Er führte das Publikum durch die dramatischen Wendungen und emotionalen Höhepunkte dieses Satzes, während er gleichzeitig die subtilen melodischen Nuancen und harmonischen Kontraste meisterhaft herausarbeitete. Seine Geige schien dabei eine Verlängerung seines eigenen Wesens zu sein, während er die phänomenalen Kadenzen und Melodien des Beethoven-Konzerts interpretierte. Ein Dialog mit der Violine spannend und unwiderstehlich. Moncado entfachte eine intensive emotionale Verbindung zwischen sich, dem Orchester und dem Publikum, die den Saal mit Magie erfüllte. Sein Spiel war kraftvoll und gleichzeitig nuancenreich, und er führte die Zuhörer durch die musikalische Erzählung des Konzerts mit bewegender Tiefe und Integrität. Seine Geige sprach mit einer unglaublichen Tiefe und Ernsthaftigkeit zu den Zuhörern. Im zweiten Satz des Beethoven-Konzerts, dem „Larghetto“, zeigte Elias David Moncado eine bemerkenswerte Sensibilität und lyrische Virtuosität. Sein Spiel war von schwebender Anmut geprägt, die die Zuhörer in einen Zustand der Ruhe und Kontemplation versetzte. Moncado entfaltete die melancholische Schönheit dieses Satzes in einer Weise, die Herzen berührte. Seine Geige klang wie eine Sehnsucht, die sich sanft über das Orchester legte.

(c) Ansgar Klostermann

Die Art und Weise, wie Moncado die langgezogenen Bögen interpretierte, war schlichtweg bewegend. Seine Phrasierung und Ausdruckskraft waren von außergewöhnlicher Reife. Dieser Satz war eine Hommage an die Schönheit und Tiefe der romantischen Musik, die die Herzen der Zuhörer ergriff. Der dritte Satz zeigte Elias David Moncado in seiner vollen technischen Brillanz. Sein Spiel war von unglaublicher Lebendigkeit und Energie geprägt, die den Saal mit Begeisterung erfüllte. Moncado meisterte die virtuosen Passagen dieses Satzes mit unglaublicher Präzision und Geschwindigkeit, und seine Finger schienen über die Saiten zu tanzen. Der Dialog zwischen Solist und Orchester in diesem Satz war mitreißend, und Moncado trat immer wieder als brillanter Improvisator hervor, der seine persönliche Interpretation einbrachte. Er verlieh dem „Rondo“ eine dynamische Spannung, die den Höhepunkt des Konzerts bildete. Sein Spiel war lebhaft, voller Lebensfreude und zugleich von außergewöhnlicher technischer Brillanz geprägt. Moncado schuf eine exakte Verbindung zum Orchester und leitete die musikalische Erzählung mit beeindruckender Leichtigkeit. Seine Virtuosität und technische Meisterschaft wurden in den raschen Passagen dieses Satzes besonders deutlich, während er gleichzeitig die lyrischen Abschnitte mit großer Zartheit und Anmut interpretierte. Bemerkenswert war die feine Balance und das harmonische Zusammenspiel zwischen dem Orchester und dem Solisten Elias David Moncado im Beethoven-Violinkonzert. Nayden Todorov führte das Sofia Philharmonic mit einem sicheren Gespür für Beethovens musikalische Intentionen, und die Symbiose zwischen Solisten und Orchester war bestechend. Die ruhigen Passagen wurden mit sanfter Zartheit interpretiert, während die lebhafteren Momente von energetischer Dynamik geprägt waren. Das Sofia Philharmonic Orchestra war sehr gut einstudiert und verwöhnte mit verblüffender Klangschönheit. Todorov war ein vorzüglicher Begleiter seines Solisten. Viel Begeisterung, die von Moncado mit einer innigen Zugabe bedankt wurde.

Im dritten Teil des Abends führte das Orchester unter der Leitung von Todorov Modest Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“ in der Orchesterfassung von Maurice Ravel auf. Die Interpretation dieses Stücks zeigte erneut das beeindruckende Können des Orchesters. Die dynamischen Kontraste und die Vielfalt der Klangfarben wurden betont expressiv dargestellt, und die musikalische Reise durch Mussorgskis Bilder war von vielen Kontrasten geprägt. In der Interpretation von Modest Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“ zeigte das Orchester erneut sein außergewöhnliches Können. Todorov verstand es, die malerischen Elemente der Musik in Klangbilder zu verwandeln, die das Publikum direkt in Mussorgskis Welt hineinzogen. Todorovs Dirigat zeigte deutlich, dass hier keine absolute Musik vorgetragen wurde. Jedes Bild erhielt eine eigene Gestalt. Besonders eindrücklich gelangen der heftig rumpelnde „Bydlo“ und die wahrlich schauerlich gestaltete Hexe Baba-Jaga. Hier streckte Todorov die Pausen in den Einleitungstakten dieses Bildes außergewöhnlich, was die Spannung enorm steigerte. Großartig dann schließlich im Aufbau und der klanglichen Ausgestaltung war das „Heldentor in Kiew“ zu erleben. Es war ein gewaltiger Eindruck, welche Reserven das entfesselt aufspielende Sofia Philharmonic Orchestra freisetzen konnte. Dieses Orchester war in allen Spielgruppen und als Kollektiv eine hervorragende Wahl für den mitreißenden Vortrag.

Nayden Todorov als Dirigent verdient aufrichtige Anerkennung für seine herausragende Leistung. Seine Sensibilität für die Musik, seine Fähigkeit, die Emotionen der Stücke hervorzubringen, und sein überzeugendes Dirigat, das das Orchester in harmonischer Übereinstimmung vereinte, trugen maßgeblich zum Erfolg dieses Konzertabends bei. Todorov verstand es, die feinen Details der Komposition zu betonen und gleichzeitig eine beeindruckende Gesamtklangstruktur zu schaffen. Sein Dirigat war kraftvoll und einfühlsam zugleich, und er führte sein Orchester und das Publikum durch ein musikalisches Abenteuer, das lange in Erinnerung bleiben wird und heftig bejubelt wurde.

Dirk Schauß, 11. November 2023


Kurhaus Wiesbaden
9. November 2023


Beethoven, Mussorgsky und Ravel
Elias David Moncado
Sofia Philharmonic Orchestra