Cagliari: „Gloria“, Francesco Cilea (zweite Besprechung)

In seinem langen Leben hat Francesco Cilea (1866-1950) nur fünf Opern geschrieben und seine letzte, eben „Gloria“, schon 1907. Einerseits ließen ihm seine Aufgaben als Leiter zuerst des Konservatoriums in Palermo, dann von jenem in Neapel, wenig Zeit zum Komponieren, andererseits lag ihm Instrumentalmusik vom Temperament her besser. Es war anstrengend für Cilea, ein geeignetes Sujet zu finden, dann einen ebensolchen Librettisten, schließlich die richtigen Künstler für die Aufführung, ob Sänger oder Dirigenten. So blieben nur zwei seiner Werke bekannt: „L’Arlesiana“, die selten genug in den Spielplänen auftaucht, und „Adriana Lecouvreur“, die erst in den letzten Jahren häufiger zu sehen ist, da etliche Primadonnen die Titelrolle für sich entdeckt haben.

(c) Priamo Tolu

„Gloria“ wurde mit überschaubarem Erfolg an der Mailänder Scala uraufgeführt; erst 1932 nahm der Komponist eine Überarbeitung vor, die im Teatro San Carlo in Neapel zur Aufführung gelangte. Diese Fassung war nun auch in Cagliari zu sehen, blieb die künstlerische Leitung des Hauses doch ihrem Vorhaben treu, jede Saison mit einem sehr wenig gespielten bzw. fast unbekannten Werk zu eröffnen. Das Textbuch stammt von Arturo Colautti, der auch das Libretto der „Adriana“ verantwortet hat. Dem Autor ist es nicht gelungen, eine auf dem Papier dramatisch klingende Handlung zu dramaturgischen Höhepunkten zu führen. Mit dem Einsatz von viel schwerem Blech bemühte sich Cilea, das Martialische der Handlung zu unterstreichen, doch lagen ihm die stillen, intimen Momente merklich mehr, auch wenn sich die melodischen Einfälle nicht unbedingt aufdrängen. Berührend ist das Vorspiel zum dritten Akt, womit wir wieder bei der angesprochenen Instrumentalmusik wären, von der er so manche Komposition hinterlassen hat, die man gerne einmal hören würde.

(c) Priamo Tolu

Die Handlung spielt ursprünglich im von den damaligen Komponisten bevorzugten Mittelalter (man denke z.B. an Giordanos „Cena delle beffe“), was den Einfluss von Gabriele d’Annunzio verrät. In Siena verkündet Aquilante de‘ Bardi (Bass), der Prior der Stadt, dass bei der Einweihung eines neuen Brunnens die aus der Stadt Verbannten, so sie unbewaffnet kommen, willkommen sind, aber bis 9 Uhr abends die Stadt wieder verlassen müssen. Einer der Verbannten ist Lionetto de‘ Ricci (Tenor), der allerdings insgeheim bewaffnet ist. Er liebt Gloria (Sopran), Aquilantes Tochter, seit Kindertagen, zettelt einen Streit mit Bardo de‘ Bardi (Bariton), Glorias Bruder, an und verletzt ihn so schwer, dass sich das Wasser des neuen Brunnens von seinem Blut rötet. Dann entführt er mit seiner Gefolgschaft Gloria. Im 2. Akt sitzt diese in ihrem luxuriösen Gefängnis, während Lionetto Siena belagert. Als Händler verkleidet verschafft sich Bardo Zutritt zu ihr, beschimpft sie und teilt ihr mit, dass der Vater bei der Verteidigung der Stadt gefallen ist. Gloria muss ihm schwören, dass sie Lionetto vergiften wird. Als dieser erscheint, vermag Gloria ihren Vorsatz nicht umzusetzen, denn auch sie liebt Lionetto. Dieser sagt ihr, dass er aus Liebe zu ihr, die Belagerung Sienas abgebrochen hat. Im 3. Akt werden die Liebenden vom Bischof (Bass) vermählt, aber Bardo ersticht den Bräutigam, als ihn dieser nach Lobpreisung des Friedens brüderlich umarmen will. Gloria nimmt den Dolch und tötet sich.

Die Regie war Antonio Albanese, einem in Italien sehr populären Schauspieler, anvertraut worden. Bisher hatte er zwei Buffoopern von Donizetti inszeniert, seine Erfahrung mit der Oper ist daher mehr als beschränkt, und es ist ihm nicht gelungen, der ohnehin schon statischen Handlung Leben einzuhauchen. Im Gegenteil, das Arrangement der Choristen auf an ein Amphitheater gemahnenden Rängen unterstrich noch den Eindruck eines Oratoriums. In seinem Beitrag im Programmheft war zu lesen, dass Albanese eine Zeitlosigkeit der Handlung anstrebte. Die Bühne von Leila Fteita ließ zwischen den beiden Rängen für die Auftritte nur schmalen Raum, und die Kostüme von Carola Fenocchio erwiesen sich mit ihren Fältelungen als alles anders als kleidsam, nur die rote Robe, die Gloria bei ihrer Hochzeit trug, zeigte eindrucksvolle Eleganz. Da es an Personenführung mangelte, spielten die Sänger, je nach szenischem Talent, mehr oder weniger gut.

(c) Priamo Tolu

Die musikalische Realisierung geriet überzeugend, weil Francesco Cilluffo sich ganz in den Dienst Cileas stellte und das willig folgende Orchester des Hauses zu harmonisch rundem Klang anfeuerte. Der von Giovanni Andreoli einstudierte Chor des Hauses kam seinen mannigfachen Aufgaben (Jubel, Bewunderung, Entsetzen) kraftvoll und präzise nach. In der Titelrolle ließ Anastasia Bartoli, die Tochter von Cecilia Gasdia, eine nicht nur voluminöse, sondern auch schön timbrierte Zwischenfachstimme mit Neigung zur Dramatik hören. Groß und schlank, machte sie in ihrer Rolle sehr gute Figur. Die überaus heldisch angelegte Rolle des Lionetto fand in Carlo Ventre einen stimmlich ausgezeichneten Vertreter mit viel squillo. Leider war er im Auftreten steif und durch sein unglückliches Kostüm ziemlich gehandicapt. Den rachsüchtigen Bardo sang Franco Vassallo mit ausladendem Bariton und auffallend guter Höhe, auch sein Spiel überzeugte. Ramaz Chikviladze sang mit dumpfem Bass den Aquilante, im selben Stimmfach gab Alessandro Abis einen würdigen Bischof. Als La Senese, die Gloria im Schloss von Lionetto Gesellschaft leistet, hatte Elena Schirru einen ziemlich zittrigen Mezzo anzubieten. Verlässlich der Herold des Baritons  Alessandro Frabotta.

Das Publikum dankte mit freundlichem Applaus, der sich für Bartoli steigerte, für eine Ausgrabung, die ihren Weg ins Repertoire mit einiger Sicherheit nicht finden wird.

Eva Pleus, 1. März 2023


Gloria

Dramma lirico von Francesco Cilea

Cagliari

Inszenierung: Antonio Albanese

Chorleitung: Giovanni Andreoli

Dirigent: Francesco Cilluffo

Orchester und Chor des Teatro Lirico